Vor Bukarest-Gipfel 2008: US-Botschafter Burns zur Osterweiterung

Warnungen vor Aufnahme der Ukraine und Georgiens in die NATO

von Redaktion FriedensForum
Hintergrund
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Anfang Februar 2008 gab der US-Botschafter in Moskau, William J. Burns, an seine Regierung eine politische Einschätzung zu den möglichen Folgen einer weiteren Osterweiterung der NATO um die Ukraine und Georgien, die von George W. Bush dann auf dem NATO-Gipfel Anfang April 2008 in Bukarest favorisiert wurde. Wir zitieren aus dem Burns-Papier, das auf Wikileaks veröffentlicht wurde, Auszüge. Die Überschriften stammen von der Redaktion.

Zusammenfassung: Nach einer gedämpften ersten Reaktion auf die Absicht der Ukraine, auf dem Bukarester Gipfel einen Aktionsplan zur NATO-Mitgliedschaft (MAP) anzustreben, haben Außenminister Lawrow und andere hochrangige Beamte ihre strikte Ablehnung bekräftigt und betont, dass Russland eine weitere Osterweiterung als potenzielle militärische Bedrohung ansehen würde.

Die NATO-Erweiterung, insbesondere um die Ukraine, bleibt für Russland eine “emotionale und neuralgische“ Frage, aber auch strategisch-politische Erwägungen sind der Grund für die starke Ablehnung der NATO-Mitgliedschaft der Ukraine und Georgien. ….

Beeinträchtigung der Sicherheitsinteressen Russlands
Während eines Pressebriefings am 22. Januar als Antwort auf eine Frage über den Antrag der Ukraine auf einen MAP sagte das Außenministerium, dass „eine radikale neue Erweiterung der NATO eine ernsthafte politisch-militärische Veränderung bewirken kann, die unweigerlich die Sicherheitsinteressen Russlands beeinträchtigen wird“. Der Sprecher betonte weiter, dass Russland mit der Ukraine durch bilaterale Verpflichtungen verbunden sei, die im Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und Partnerschaft von 1997 festgelegt sind. In ihm verpflichten sich beide Parteien, „sich nicht an Aktionen zu beteiligen oder diese zu unterstützen, die die Sicherheit der anderen Seite beeinträchtigen könnten“. Der Sprecher merkte an, dass die „wahrscheinliche Integration der Ukraine in die NATO die vielseitigen russisch-ukrainischen Beziehungen ernsthaft verkomplizieren“ würde und dass Russland „geeignete Maßnahmen ergreifen“ müsse.

Die Ukraine und die NATO-Bestrebungen der Ukraine und Georgiens treffen nicht nur einen wunden Punkt in Russland, sie geben Anlass zu ernster Sorge über die Folgen für die Stabilität in der Region. Russland kritisiert nicht nur die Einkreisung und die Bemühungen, Russlands Einfluss in der Region zu untergraben, sondern befürchtet auch unvorhersehbare und unkontrollierte Folgen, die die russischen Sicherheitsinteressen ernsthaft beeinträchtigen würden. Expert*innen sagen uns, dass Russland besonders besorgt ist, dass die starken Spaltungen in der Ukraine über die NATO-Mitgliedschaft, wobei ein Großteil der ethnisch-russischen Gemeinschaft gegen die Mitgliedschaft ist, zu einer größeren Spaltung, zu Gewalt oder schlimmstenfalls zu einem Bürgerkrieg führen könnte. In einem solchen Fall müsste Russland entscheiden, ob es eingreift.

In Bezug auf Georgien sagten die meisten Expert*innen: Die georgische Regierung betrachte die dortige Lage als zu instabil, um die Spaltung, die eine NATO-Mitgliedschaft verursachen könnte, zu verkraften. Aleksey Arbatov, stellvertretender Direktor des Carnegie Moscow Center, vertrat die Auffassung, dass Georgiens NATO-Bestrebungen lediglich ein Mittel seien, um seine Probleme in Abchasien und Südossetien zu lösen, und warnte, dass Russland in diesem Fall in eine schwierige Lage geraten würde.

Russland hat deutlich gemacht, dass es seine gesamten Beziehungen zur Ukraine und zu Georgien „ernsthaft überprüfen“ müsse, falls die NATO diese Länder zum Beitritt auffordert. Dies könnte erhebliche Auswirkungen auf die Energieversorgung, die Wirtschaft und das politisch-militärische Engagement haben, was sich auf die gesamte Region und auf Mittel- und Westeuropa auswirken könnte. Russland würde wahrscheinlich auch seine eigenen Beziehungen zum Bündnis und seine Aktivitäten im NATO-Russland-Rat überprüfen und weitere Maßnahmen im Bereich der Rüstungskontrolle in Erwägung ziehen, einschließlich der Möglichkeit eines vollständigen Ausstiegs aus dem KSE- und dem INF-Vertrag sowie direkterer Drohungen gegen die Raketenabwehrpläne der Vereinigten Staaten.

Der Widerstand Russlands gegen einen NATO-Beitritt der Ukraine und Georgiens ist sowohl emotionaler Natur als auch auf wahrgenommene strategische Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf Russlands Interessen in der Region zurückzuführen. Es ist auch politisch populär, die USA und die NATO als Russlands Gegner darzustellen und die Annäherung der NATO an die Ukraine und Georgien als Mittel zur Gewinnung von Unterstützung durch russische Nationalisten zu nutzen. Während der russische Widerstand gegen die erste Runde der NATO-Erweiterung Mitte der 90er Jahre zwar stark war, sieht sich Russland nun in der Lage, energischer auf Maßnahmen zu reagieren, die seiner Ansicht nach seinen nationalen Interessen zuwiderlaufen.

 

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