Was ist Gentechnologie?

von Sabine Riewenherm
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Beim Einkauf im Supermarkt steht auf der Schokoriegel-Verpackung "enthält gentechnisch veränderten Mais". Und eine Bekannte mit Diabetes spritzt sich gentechnisch hergestelltes Insulin. Der Anwendungsbereich der Gentechnologie ist sehr groß.

Vom Schokoriegel bis zum Insulin: Ein weites Feld
Fragt man Menschen danach, was ihnen als erstes zum Thema Gentechnologie einfällt, so erhält man ein breites Spektrum an Antworten. Einige denken an Auslese und die Anwendung der Eugenik während des Nationalsozialismus. Manche Zeitgenossen erinnern sich an das geklonte Schaf "Dolly" oder an den süßen Erdnussriegel namens "Butterfinger", der von dem Unternehmen Nestlé 1998 in Deutschland auf den Markt gebracht wurde und schon ein Jahr später wieder verschwand.

Diesem Themenspektrum wird die Einteilung der Gentechnologie in den "roten" und "grünen" Anwendungsbereich sicherlich nicht gerecht, sie bietet aber zunächst einmal einen groben Überblick. Mit "roter" Gentechnologie ist ihr Einsatz in der Medizin gemeint. Dazu gehören gentechnisch hergestellte Medikamente, Gen-Tests, um Erbkrankheiten zu entdecken, oder auch der Versuch, Menschen mit Hilfe einer sogenannten Gentherapie zu heilen. In den Bereich der "grünen" Gentechnologie fällt unter anderem die Entwicklung von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen wie zum Beispiel Tomaten, Mais oder Soja.

Dolly war kein Gentech-Schaf: Was ist Gentechnologie nicht?
Biotechnologie, Züchtung oder auch Klonen sind Begriffe, die oft im Zusammenhang mit der Gentechnik genannt werden. Sie sollten aber nicht mit der Gentechnik verwechselt werden.

Nicht nur Mikroorganismen, sondern auch Pflanzen und Tiere werden seit Hunderten von Jahren gezüchtet. Fälschlicherweise wird oft selbst von Wissenschaftlern vorgebracht, dass Gentechnologie nichts anderes als eine moderne Form der Züchtung sei. Doch bei der Züchtung können nur die natürlich vorkommenden Eigenschaften oder spontanten Gen-Mutationen innerhalb einer Art genutzt werden. Mit der Gentechnik kann Erbmaterial innerhalb kürzester Zeit über Artgrenzen hinweg neu kombiniert werden - zum Beispiel von der Flunder in die Erdbeere und zurück. Organismen werden damit genetisch so "umprogrammiert", dass sie für sie selbst fremde Stoffe bilden. Ein Beispiel: Genmanipulierte Bakterien oder Pilze, denen ein Kälber-Gen übertragen wurde, produzieren den Stoff Chymosin, der bei der Käseherstellung eingesetzt wird.
 

Zu den Fortpflanzungstechniken gehören alle Methoden, die in die Zeugung, Schwangerschaft und Geburt eingreifen. Hierunter fällt zum Beispiel die künstliche Befruchtung (In-vitro-Fertilisation, IVF), veraltet auch noch "Reagenzglasbefruchtung" genannt, bei der eine Eizelle außerhalb eines Frauenkörpers mit Spermien befruchtet wird. Zunächst geht es bei den Methoden der Fortpflanzungstechnik nicht um eine Entschlüsselung oder Veränderung des Erbmaterials. Aber es gibt eine enge Verzahnung mit der Gentechnik. Zwei Beispiele: Im Rahmen der vorgeburtlichen Schwangerschaftsuntersuchungen können mit Gen-Tests Erkrankungen beim Embryo schon vor der Geburt diagnostiziert werden. Und auch wenn das Klon-Schaf Dolly nicht gentechnisch verändert war, so wurden danach andere Klonexperimente mit gentechnisch veränderten Tieren durchgeführt. Man hatte ihnen menschliche Gene eingesetzt, damit sie Wirkstoffe für die Pharmaindustrie produzieren.

Wie funktioniert Gentechnik?
Der Stoff, mit dem Gentechnologen hantieren, hat den komplizierten Namen "Desoxyribonukleinsäure", auf Deutsch DNS, auf Englisch DNA ("... acid") abgekürzt. Diese "Säure" ist der universelle Stoff, aus dem das Erbmaterial aller Organismen auf der Erde besteht - egal ob Bakterium, Pflanze, Tier oder Mensch. Lediglich einige Viren haben Erbmaterial, das sich von dem Aufbau der DNA leicht unterscheidet.

Rund zwei Meter eines DNA-Fadens finden sich in jeder menschlichen Zelle und damit sowohl in jeder Haarzelle oder in jedem Blutkörperchen. Bei anderen Organismen ist dieser Faden kürzer oder länger, aber egal ob Maus oder Elefant, es handelt sich bei der DNA immer um eine Doppelspirale aus zwei verschlungenen Fäden, die in den Chromosomenpaaren der Organismen verpackt ist. Eine Fruchtfliege hat zum Beispiel vier, eine Erbse sieben und der Mensch hat 23 Chromosomenpaare. Die Gesamtheit des Erbgutes nennt man Genom.

A, C, G und T - das genetische Alphabet hat nur vier Buchstaben. Sie sind die Anfangsbuchstaben der vier Hauptbestandteile der DNA, der Basen Adenin, Cytosin, Thymin und Guanin. Auf dem DNA-Doppelstrang liegen sich immer die Basen A-T und C-G gegenüber, sie sind also komplementär. Ihre Reihenfolge bestimmt - wie die Buchstabenabfolge in einem Wort - die Information des Erbgutes. Jeweils drei Buchstaben auf einem DNA-Strang bestimmen den Aufbau einer Aminosäure. Insgesamt gibt es zwanzig verschiedene Aminosäuren. Diese wiederum bilden die Bausteine für Eiweiße, die universellen Bau- und Betriebsstoffe aller Lebewesen. Die Hormone, das Hämoglobin des Blutes und die unzähligen Enzyme, die den Stoffwechsel steuern, all dies sind Eiweiße.
Als Gene bezeichnet man längere Buchstaben-Abschnitte auf der DNA. Vereinfacht kann man sagen, dass ein Gen den Bauplan für die Bildung eines Eiweißes enthält. Grob geschätzt hat der Mensch zwischen 50.000 bis 100.000 Gene. Genau weiß man es nicht, denn insgesamt befinden sich in der DNA-Bibliothek des Menschen über drei Milliarden Buchstaben.

Nicht jede Buchstaben-Folge ergibt einen Sinn, ist also Bestandteil eines Gens. Der Rest der DNA sind so genannte "Introns" oder salopp genannt "Junk-DNA", eine hilflose Bezeichnung für ein molekularbiologisches Phänomen, über dessen Funktion bis heute fast nur spekuliert wird. So vermuten einige Forscher, dass diese Junk-DNA von Bakterien oder Viren stammt, die im Laufe der Evolution als funktionslose kurze Schnipsel in das Erbgut des Menschen und anderer Organismen eingebaut wurden.

Selbst wenn Wissenschaftler herausgefunden haben, welche Abschnitte der DNA eine wichtige Basenreihenfolge, ein Gen bilden, wissen sie noch nicht viel. Denn das lineare Bild eines DNA-Fadens ist nur ein Schema und die DNA in der Realität ein zusammengeknäueltes Fadenwirrwarr, das in den Chromosomen liegt. Es gehört bis heute zu den großen Geheimnissen der Biologie, wie Gene - vereinfacht ausgedrückt - an- und abgeschaltet, wie sie also gesteuert und reguliert werden. Man weiß unter anderem nicht, wann und in welcher Zelle ein Gen aktiv wird.

Weil der grundsätzliche Aufbau des Erbmaterials (fast) aller Organismen gleich ist, kann man es untersuchen, miteinander vergleichen, verändern und vertauschen. Unter Gentechnik versteht man demnach alle Methoden, bei denen die DNA von Organismen charakterisiert, isoliert, neu kombiniert und in andere Lebewesen eingebracht und vermehrt wird. Dazu gehört das Schneiden und Kleben des Erbfadens, das Vervielfältigen von Genen oder sogar ganzen Organismen (Bsp: Schaf Dolly) und die Genübertragung von einem Organismus auf einen anderen.

Von der Autorin ist auch das (aktuelle) Buch "Gentechnologie" erschienen. Gentechnologie, Rotbuch Verlag, Reihe 3000, 100 S. 14,90 DM, ISBN 3-434-53510-1

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Sabine Riewenherm ist Redakteurin des GID (Gen-Ethischer Informationsdienst).