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Der internationalen Friedensbrigaden
Was sie wollen und wie sie arbeiten
vonWährend die weit mehr bekannten und gar mit dem Friedensnobel-Preis ausgezeichneten Einsätze der UN-Friedenstruppen (Blauhelme) weiterhin traditioneller militärischer Logik folgen, versuchen die Peace Brigades International (PBI) einen anderen Weg zu gehen: Sie setzen direkter und struktureller Gewaltausübung die Mittel der Gewaltfreiheit entgegen.
Neben der Verpflichtung auf ausschließlich gewaltfreie Strategien gehört das Prinzip der Nichtparteinahme für eine Seite oder eine Ideologie zu den wichtigsten Prämissen der Arbeit der PBI. Dieses Prinzip ist nicht unumstritten und führt angesichts der anzutreffenden Konfliktsituationen oftmals zu Problemen bei der Umsetzung. Die Nichtparteinahme soll es jedoch ermöglichen, zwischen den Konfliktparteien als selbständige Gruppe zu bestehen und Wege für einen Dialog ebnen zu können. Gemäß des umfassenden Anspruches der Gewaltfreiheit sollen nicht nur die physische, also direkte Gewalt, sondern auch strukturelle Gewaltverhältnisse überwunden werden. Eine gewaltfreie, nichtparteigebundene Beteiligung an den Auseinandersetzungen um mehr soziale Gerechtigkeit bedeutet für die Praxis der PBI, zu versuchen, politische Freiräume zu erhalten und auszudehnen. Den von Repressionen bedrohten Oppositionellen soll ein höheres Maß an Sicherheit gegeben werden. Dies ist wichtig, denn deren politisches und soziales Engagement zieht in vielen Fällen Gefahren für die eigene Unversehrtheit (Entführung, Mord) nach sich. Die Arbeit der PBI versucht einer potentiellen direkten Gewaltanwendung präventiv entgegenzutreten.
Die Friedensbrigaden praktizieren im Weiteren eine strikte Nicht-Einmischung in innere Angelegenheiten der betroffenen Gruppen und Organisatoren in den Einsatzländern. Nicht zuletzt existiert ein Reaktionsgebot: PBI wird nicht eigenmächtig aktiv, sondern nur auf Bitten und in Zusammenarbeit mit einheimischen Betroffenen.
In der Nachfolge Gandhis: Zur Geschichte der Friedensbrigaden
Die Idee, durch gewaltfrei vorgehende Gruppen in Konfliktgebieten zu intervenieren, stammt ursprünglich von Mahatma Gandhi. Erst seinem Schüler Vinoba Bhave gelang es, 1957 eine aus mehreren tausend Mitgliedern bestehende Friedensarmee, die Shanti Sena, aufzubauen. Diese ersten Friedensbrigadisten (Shanti Sainiks) kamen bei den bürgerkriegsähnlichen blutigen Straßenunruhen zwischen Hindus und Moslems zum Einsatz. Die Mitglieder der Friedensarmee waren für jedermann durch das Tragen einheitlicher Uniformen erkenntlich und konnten durch Anwesenheit und aktives Eingreifen punktuell zur Besänftigung der Konfliktparteien beitragen, Vermittlungsaufgaben übernehmen (z.B. zwischen lokalen religiösen Führern), Informationstätigkeiten ausüben (um Gerüchten, die Gewalttätigkeiten provozieren, entgegenzuwirken) sowie Versöhnungs- und Aufbauarbeiten in zerstörten Stadtteilen leisten. Angesichts der eskalierenden politischen Spannungen und Unruhen in Indien konnten diese Ansätze nicht weitergeführt und ausgebaut werden.
Ermutigt durch das indische Beispiel versuchten FriedensaktivistInnen eine weltweite Shanti Sena aufzubauen und gründeten 1961 die World Peace Brigades. In den 60er und 70er Jahren führten Friedensbrigaden eine Reihe von direkten Aktionen durch:
- 1961 wurde ein Freiheitsmarsch im damaligen Nordrhodesien organisiert, der zur beschleunigten Entkolonialisierung und Gründung des neuen Staates Sambia im Jahre 1964 beitragen konnte.
- Während des Grenzkrieges zwischen China und Indien (vom Oktober bis Dezember 1962) versuchten 17 Friedensbrigadisten, einen Freundschaftsmarsch von Neu Delhi nach Peking durchzuführen. Sie wurden jedoch an der Grenze zu Pakistan gestoppt.
- 1964 gelang es einem Team von Friedensbrigadisten, einen Waffenstillstand zwischen der indischen Zentralregierung und Aufständischen im Nagaland in Nordostindien auszuhandeln. Ein Beobachterteam trug dazu bei, daß dieses Abkommen ohne größere Zwischenfälle eingehalten wurde.
Schließlich engagierten sich Friedensbrigadisten in den Jahren 1972 bis 1973 im Zypernkonflikt und initiierten ein Wiederansiedlungsprojekt für türkische Flüchtlinge.
Trotz beachtlicher Aktivitäten gelang es den World Peace Brigades jedoch nicht, eine kontinuierlich arbeitende Organisation zu etablieren. Erst 1981 wurde die Idee durch die Gründung der PBI wieder aufgegriffen.
Die Praxis der PBI heute:
Voraussetzung für die Teilnahme an direkten Einsätzen sind neben der Teilnahme an internationalen Trainingslagern physische und psychische Gesundheit, Belastbarkeit in Konfliktsituationen und Fremdsprachenkenntnisse. Die international zusammengesetzten Teams bestreiten ihre Einsätze weitgehend aus eigenen finanziellen Mitteln und kommen ohne offizielle Anmeldung, d.h. nur mit einem Touristenvisum versehen, in die Einsatzgebiete. Die Dauer eines Einsatzes liegt je nach Einsatzgebiet in der Regel bei mindestens ein bis zwei Monaten. Die nationale Gruppe PBI-BRD sucht Freiwillige, hilft bei der Ausbildung, betreibt Öffentlichkeitsarbeit und beschafft finanzielle Mittel. Vergleichbare nationale PBI-Sektionen haben sich in fast allen westeuropäischen Ländern gebildet. über ein weltweit organisiertes Dringlichkeitsnetz werden rasch Informationen weitergeleitet, wenn das Leben eines PBI-Mitarbeiters oder einheimischer Oppositioneller in Gefahr ist. Bei ihren Aktionen nutzen die Friedensbrigadisten vor Ort ihre Immunität als Ausländer bzw. die Angst der herrschenden Eliten, daß Einzelheiten ihrer repressiven Methoden der internationalen Öffentlichkeit bekannt werden.
Ein Schwerpunkt der PBI-Arbeit liegt seit 1983 in Guatemala. Dort herrscht seit 10 Jahren Bürgerkrieg, 40.000 Menschen werden vermißt, mehr als 100.000 Menschen wurden getötet. In einer von Angst und Bedrohung geprägten Atmosphäre eskortieren PBI-Mitglieder die von den sog. Todesschwadronen bedrohten Oppositionellen: Gewerkschafter, Angehörige von Menschenrechtsgruppen und engagierte Campesinos. Einige werden seit Jahren täglich auf dem Weg zur Arbeit oder zu Versammlungen begleitet. Wiederholt leisteten Angehörige der PBI Schutzdienste vor den Toren einer von Arbeitern besetzten und bestreikten Fabrik und erreichten, daß Übergriffe durch Polizei und Todesschwadronen abnahmen.
Der Einsatz der PBI in Guatemala birgt ein nicht geringes Risiko in sich: Im Dezember 1989 wurden drei Mitglieder der PBI von Unbekannten überfallen und mit Messerstichen verletzt. Schutz vor solchen übergriffen und anderen Formen der Einschüchterung kann nur die internationale Öffentlichkeit bieten.
Die Erfolge der PBI-Arbeit in Guatemala führten dazu, daß Menschenrechtsgruppen in El Salvador eine offizielle Anfrage an PBI richteten, ein Team in ihrem Land aufzubauen. Drei Aufgaben wurden für die seit 1987 laufende Arbeit definiert:
- Durchführung friedenspädagogischer Seminare zu den Themen Kommunikation, Kooperation, Konsensfindung und gegenseitige Wertschätzung;
- systematische Anwesenheit in den Büros der Gewerkschaften und Menschenrechtsgruppen wie UNTS, COMADRES, FENASTRAS, ANIS oder der lutherischen Kirche;
- Unterstützung des Verhandlungsweges bei der Lösung von Konflikten.
Die Mitglieder der PBI erlebten Bombenanschläge auf die erwähnten Büros, wurden bei Demonstrationen Zeugen vom Schußwaffengebrauch der Nationalgarde, begleiteten rückkehrende Flüchtlinge aus den Lagern in Honduras in ihre Heimatregionen. Mehrmals mußte das Dringlichkeitsnetzwerk für verhaftete Teammitglieder aktiviert werden.
Im Oktober 1989 wurde im pogromgeplagten Sri Lanka ein Eskortendienst für bedrohte Rechtsanwälte eingerichtet. Präsenz in ihren Büros, wo Menschenrechtsverletzungen aufgezeichnet werden, Begleitung bei Besuchen auf das Land, Kontakte mit Regierungsstellen und internationalen Gruppen gehören zur Arbeit. Mittlerweile werden auch engagierte katholische Menschenrechtsarbeiter begleitet.
über mangelnde Anfragen und Bitten um internationale Präsenz können sich die PBI nicht beklagen. Schon beschlossen ist das verstärkte Engagement in Südafrika, Israel und Nordirland. Leider droht der Einsatz der PBI in diesen Krisenregionen bislang an fehlendem Geld und der nicht ausreichenden Zahl der Freiwilligen zu scheitern.
Anschr.: PBI-BRD, Engerser Str. 74 A, D-5450 Neuwied, Tel. 0 26 31 - 2 45 29
Gekürzter Nachdruck aus: Jahrbuch Frieden 1991: Ereignisse, Entwicklungen, Analysen; hrsg. in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung; Mün. 1990