Der internationalen Friedensbrigaden

Was sie wollen und wie sie arbeiten

von Werner Huffer-Kilian

Während die weit mehr bekannten und gar mit dem Friedensnobel-Preis ausgezeichneten Einsätze der UN-Friedenstruppen (Blauhelme) wei­terhin traditioneller militärischer Logik folgen, versuchen die Peace Brigades International (PBI) einen anderen Weg zu gehen: Sie setzen direkter und struktureller Gewaltausübung die Mittel der Gewaltfreiheit entgegen.

Neben der Verpflichtung auf aus­schließlich gewaltfreie Strategien gehört das Prinzip der Nichtparteinahme für eine Seite oder eine Ideologie zu den wichtigsten Prämissen der Arbeit der PBI. Dieses Prinzip ist nicht unumstrit­ten und führt angesichts der anzutref­fenden Konfliktsituationen oftmals zu Problemen bei der Umsetzung. Die Nichtparteinahme soll es jedoch ermög­lichen, zwischen den Konfliktparteien als selbständige Gruppe zu bestehen und Wege für einen Dialog ebnen zu kön­nen. Gemäß des umfassenden Anspru­ches der Gewaltfreiheit sollen nicht nur die physische, also direkte Gewalt, son­dern auch strukturelle Gewaltverhält­nisse überwunden werden. Eine gewalt­freie, nichtparteigebundene Beteiligung an den Auseinandersetzungen um mehr soziale Gerechtigkeit bedeutet für die Praxis der PBI, zu versuchen, politische Freiräume zu erhalten und auszudehnen. Den von Repressionen bedrohten Oppo­sitionellen soll ein höheres Maß an Si­cherheit gegeben werden. Dies ist wich­tig, denn deren politisches und soziales Engagement zieht in vielen Fällen Ge­fahren für die eigene Unversehrtheit (Entführung, Mord) nach sich. Die Ar­beit der PBI versucht einer potentiellen direkten Gewaltanwendung präventiv entgegenzutreten.

Die Friedensbrigaden praktizieren im Weiteren eine strikte Nicht-Einmischung in innere Angelegenheiten der betroffe­nen Gruppen und Organisatoren in den Einsatzländern. Nicht zuletzt existiert ein Reaktionsgebot: PBI wird nicht ei­genmächtig aktiv, sondern nur auf Bit­ten und in Zusammenarbeit mit einhei­mischen Betroffenen.

In der Nachfolge Gandhis: Zur Ge­schichte der Friedensbrigaden
Die Idee, durch gewaltfrei vorgehende Gruppen in Konfliktgebieten zu inter­venieren, stammt ursprünglich von Ma­hatma Gandhi. Erst seinem Schüler Vi­noba Bhave gelang es, 1957 eine aus mehreren tausend Mitgliedern beste­hende Friedensarmee, die Shanti Sena, aufzubauen. Diese ersten Friedensbriga­disten (Shanti Sainiks) kamen bei den bürgerkriegsähnlichen blutigen Straßenunruhen zwischen Hindus und Mos­lems zum Einsatz. Die Mitglieder der Friedensarmee waren für jedermann durch das Tragen einheitlicher Unifor­men erkenntlich und konnten durch Anwesenheit und aktives Eingreifen punktuell zur Besänftigung der Kon­fliktparteien beitragen, Vermittlungs­aufgaben übernehmen (z.B. zwischen lokalen religiösen Führern), Informationstätigkeiten ausüben (um Gerüchten, die Gewalttätigkeiten provozieren, entgegenzuwirken) sowie Versöhnungs- und Aufbauarbeiten in zerstörten Stadt­teilen leisten. Angesichts der eskalie­renden politischen Spannungen und Un­ruhen in Indien konnten diese Ansätze nicht weitergeführt und ausgebaut wer­den.

Ermutigt durch das indische Beispiel versuchten FriedensaktivistInnen eine weltweite Shanti Sena aufzubauen und gründeten 1961 die World Peace Bri­gades. In den 60er und 70er Jahren führten Friedensbrigaden eine Reihe von direkten Aktionen durch:

  • 1961 wurde ein Freiheitsmarsch im damaligen Nordrhodesien organisiert, der zur beschleunigten Entkoloniali­sierung und Gründung des neuen Staates Sambia im Jahre 1964 beitra­gen konnte.
  • Während des Grenzkrieges zwischen China und Indien (vom Oktober bis Dezember 1962) versuchten 17 Frie­densbrigadisten, einen Freund­schafts­marsch von Neu Delhi nach Peking durchzuführen. Sie wurden jedoch an der Grenze zu Pakistan ge­stoppt.
  • 1964 gelang es einem Team von Frie­densbrigadisten, einen Waffenstill­stand zwischen der indischen Zentral­regierung und Aufständischen im Nagaland in Nordostindien auszu­handeln. Ein Beobachterteam trug dazu bei, daß dieses Abkommen ohne größere Zwischenfälle eingehalten wurde.

Schließlich engagierten sich Friedensb­rigadisten in den Jahren 1972 bis 1973 im Zypernkonflikt und initiierten ein Wiederansiedlungsprojekt für türkische Flüchtlinge.

Trotz beachtlicher Aktivitäten gelang es den World Peace Brigades jedoch nicht, eine kontinuierlich arbeitende Organi­sation zu etablieren. Erst 1981 wurde die Idee durch die Gründung der PBI wieder aufgegriffen.

Die Praxis der PBI heute:
Voraussetzung für die Teilnahme an di­rekten Einsätzen sind neben der Teil­nahme an internationalen Trainingsla­gern physische und psychische Gesund­heit, Belastbarkeit in Konfliktsituatio­nen und Fremdsprachenkenntnisse. Die international zusammengesetzten Teams bestreiten ihre Einsätze weitgehend aus eigenen finanziellen Mitteln und kom­men ohne offizielle Anmeldung, d.h. nur mit einem Touristenvisum versehen, in die Einsatzgebiete. Die Dauer eines Einsatzes liegt je nach Einsatzgebiet in der Regel bei mindestens ein bis zwei Monaten. Die nationale Gruppe PBI-BRD sucht Freiwillige, hilft bei der Ausbildung, betreibt Öffentlichkeitsar­beit und beschafft finanzielle Mittel. Vergleichbare nationale PBI-Sektionen haben sich in fast allen westeuropäi­schen Ländern gebildet. über ein welt­weit organisiertes Dringlichkeitsnetz werden rasch Informationen weiterge­leitet, wenn das Leben eines PBI-Mitar­beiters oder einheimischer Oppositio­neller in Gefahr ist. Bei ihren Aktionen nutzen die Friedensbrigadisten vor Ort ihre Immunität als Ausländer bzw. die Angst der herrschenden Eliten, daß Ein­zelheiten ihrer repressiven Methoden der internationalen Öffentlichkeit be­kannt werden.

Ein Schwerpunkt der PBI-Arbeit liegt seit 1983 in Guatemala. Dort herrscht seit 10 Jahren Bürgerkrieg, 40.000 Men­schen werden vermißt, mehr als 100.000 Menschen wurden getötet. In einer von Angst und Bedrohung geprägten Atmo­sphäre eskortieren PBI-Mitglieder die von den sog. Todesschwadronen be­drohten Oppositionellen: Gewerkschaf­ter, Angehörige von Menschenrechtsgruppen und engagierte Campesinos. Einige werden seit Jahren täglich auf dem Weg zur Arbeit oder zu Ver­sammlungen begleitet. Wiederholt lei­steten Angehörige der PBI Schutz­dienste vor den Toren einer von Arbei­tern besetzten und bestreikten Fabrik und erreichten, daß Übergriffe durch Polizei und Todesschwadronen abnah­men.

Der Einsatz der PBI in Guatemala birgt ein nicht geringes Risiko in sich: Im Dezember 1989 wurden drei Mitglieder der PBI von Unbekannten überfallen und mit Messerstichen verletzt. Schutz vor solchen übergriffen und anderen Formen der Einschüchterung kann nur die internationale Öffentlichkeit bieten.

Die Erfolge der PBI-Arbeit in Gua­temala führten dazu, daß Menschen­rechtsgruppen in El Salvador eine offi­zielle Anfrage an PBI richteten, ein Team in ihrem Land aufzubauen. Drei Aufgaben wurden für die seit 1987 lau­fende Arbeit definiert:

  • Durchführung friedenspädagogischer Seminare zu den Themen Kommuni­kation, Kooperation, Konsensfindung und gegenseitige Wertschätzung;
  • systematische Anwesenheit in den Bü­ros der Gewerkschaften und Men­schenrechtsgruppen wie UNTS, COMADRES, FENASTRAS, ANIS oder der lutherischen Kirche;
  • Unterstützung des Verhandlungsweges bei der Lösung von Konflikten.

Die Mitglieder der PBI erlebten Bom­benanschläge auf die erwähnten Büros, wurden bei Demonstrationen Zeugen vom Schußwaffengebrauch der Natio­nalgarde, begleiteten rückkehrende Flüchtlinge aus den Lagern in Honduras in ihre Heimatregionen. Mehrmals mußte das Dringlichkeitsnetzwerk für verhaftete Teammitglieder aktiviert werden.

Im Oktober 1989 wurde im pogromge­plagten Sri Lanka ein Eskortendienst für bedrohte Rechtsanwälte eingerichtet. Präsenz in ihren Büros, wo Menschen­rechtsverletzungen aufgezeichnet wer­den, Begleitung bei Besuchen auf das Land, Kontakte mit Regierungsstellen und internationalen Gruppen gehören zur Arbeit. Mittlerweile werden auch engagierte katholische Menschenrechtsarbeiter begleitet.

über mangelnde Anfragen und Bitten um internationale Präsenz können sich die PBI nicht beklagen. Schon beschlos­sen ist das verstärkte Engagement in Südafrika, Israel und Nordirland. Leider droht der Einsatz der PBI in diesen Kri­senregionen bislang an fehlendem Geld und der nicht ausreichenden Zahl der Freiwilligen zu scheitern.

Anschr.: PBI-BRD, Engerser Str. 74 A, D-5450 Neuwied, Tel. 0 26 31 - 2 45 29

Gekürzter Nachdruck aus: Jahrbuch Frieden 1991: Ereignisse, Entwicklun­gen, Analysen; hrsg. in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft für Frie­dens- und Konfliktforschung; Mün. 1990

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