Zeugnis für den Frieden - Gewaltlose Grenzverteidigung in Nicaragua

von Jim Wallis
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1983/84 hielten ökumenisch zusammengesetzte Gruppen amerikani­scher Christen eine Friedenswache im Grenzgebiet zwischen Nicaragua und Honduras. Sie wollten den Angriffen der Contras auf das Gebiet um die Grenzstadt Esteli einen gewaltlosen menschlichen Schild entgegen­setzen Jim Wallis, Herausgeber der Zeitschrift christlicher Friedens­gruppen "Sojourners", beschrieb die Kampagne "Zeugnis für den Frie­den" im November 1983 zu Beginn der Aktionen wiefolgt:

Jahrhundertelang haben die Menschen nach einem moralischen Äquivalent für den Krieg gesucht. Es war normal, im Krieg sein Leben einzusetzen; erst heute wird uns nach und nach bewusst, daß wir auch für den Frieden unser Leben ein­setzen müssen.

Das "Zeugnis für den Frieden" ist ein Experiment in gewaltfreier Aktion an der Grenze zwischen Nicaragua und Honduras. Dort verursacht ein ständig weiter eskalierender Krieg großes men­schliches Leid. Die Ursache der Gewalt liegt in der Invasion gegenrevolutio­närer Kräfte, sog. Contras, von Hondu­ras nach Nicaragua. Die Contras prakti­zieren eine Taktik des Terrors, der Fol­ter und des Mordes gegen die Bewohner des nicaraguanischen Grenzgebietes. Die Quelle der Gewalt ist die US-Regierung, die diesen zunächst versteckten, nun of­fenen Krieg gegen Nicaragua koordi­niert und finanziert.

Das Eingreifen der USA ist sowohl il­legal als auch unmoralisch. Nachdem unser Protest ignoriert wurde, halten wir die Zeit für gekommen, direktere Aktio­nen durchzuführen.

Unser "Zeugnis für den Frieden" wuchs zum einen aus den Erfahrungen vieler Hunderter von Nordamerikanern, die Nicaragua seit der Revolution 1979 be­sucht haben, zum anderen aus den Er­lebnissen einer Gruppe, die die nicara­guanisch-honduranische Grenze im Juli 1983 besucht hat. Diese Gruppe berich­tete von ihrer Reise in bewegenden Worten:

"An der Grenze führten wir Gespräche mit nicaraguanischen Christen. Die At­mosphäre war von zwei schwarzen Wolken überschattet: zum einen von der unmittelbaren Invasionsdrohung durch ex-nicaraguanische und honduranische Soldaten, ausgebildet und ausgerüstet von den USA; zum anderen von der ra­piden Militarisierung Nicaraguas selbst durch die Mobilisierung und Bewaff­nung der Bevölkerung zur nationalen Verteidigung. Wir, die wir dort waren, fühlten uns herausgefordert vom Glau­ben der Nicaraguaner und angeklagt von ihren Hilferufen. 'Bitte hört auf, gegen uns Krieg zu führen', baten sie. 'Helft uns in der Stunde unserer Not. Stellt Euch auf unsere Seite, damit wir zu­sammen eine neue Gesellschaft in Nica­ragua aufbauen können. Vergesst uns nicht, wenn Ihr wieder zu Hause seid!'

Unsere Anwesenheit im Kriegsgebiet war für die nicaraguanische Grenzbeöl­kerung ein großer Trost, und sie gab ihr einen gewissen Schutz. Die Contras scheuten sich, amerikanische Staatsbür­ger in ihre Angriffe einzubeziehen.

Wir beschlossen, unsere Anwesenheit zu einer dauerhaften Sache zu machen, und wir wollten das auf eine sehr öf­fentliche und sichtbare Weise tun, um unsere Solidarität mit den Opfern der Außenpolitik unseres Landes auszu­drücken und auch, um diese Außenpoli­tik in die öffentliche Diskussion zu bringen. Es ist nicht ungefährlich, an ei­nem solchen Ort eine internationale Anwesenheit einzurichten. Doch die Be­reitschaft, diese Gefahr auf sich zu nehmen und das eigene Leben einzuset­zen, ist für unser Vorhaben unabding­bar."

Nach ihrer Rückkehr aus dem Grenzge­biet begannen Teilnehmer der Gruppe, ihren Plan zu verwirklichen. Zwei Mo­nate später wurde auch unsere Kommu­nität "Sojourners" eingeladen, an dem Projekt mitzuwirken.

Das "Zeugnis für den Frieden" wird von nordamerikanischen Christen getragen, die die US-Politik gegen Nicaragua für falsch halten und meinen, daß diese Po­litik die Situation für Nicaragua nur ver­schlimmert. Es ist ein Versuch, unser Gewissen so sprechen zu lassen, daß dies politisch kostspielig wird für die Verwicklung der USA in Nicaragua.

Alle Beteiligten am "Friedenszeugnis" fühlen sich bei dieser Aktion verpflich­tet, politisch unabhängig zu bleiben. Was wir miteinander teilen, ist die tiefe Sorge um die Opfer militärischer Ge­walt in diesem Gebiet. Unser zentrales Aktionsprinzip ist eine Gewaltlosigkeit des Wortes und der Tat.

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