Ziviler Aufbau in Bosnien-Herzegowina

von Stephani Streloke
Krisen und Kriege
Krisen und Kriege

Parallel zur Daytonkonferenz in Florenz diskutierten am 14.6. in Bonn SPD-Politiker mit Oppositionspolitikern aus Bosnien-Herzegowina über Strategien für den zivilen Aufbau Bosniens. Auch die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen ist äußerst wichtig für den Aufbau einer Zivilgesellschaft in Bosnien, so Voigt der außenpolitische Sprecher der SPD. Deshalb habe man auch zahlreiche Vertreter von NGOs auf die Konferenz eingeladen. Außerdem seien die Wahlen im September Grundlage für den Wiederaufbau Bosnien-Herzegowinas. Die Wahlen müßten in ihren Grundzügen jedoch demokratisch sein, sagte Günter Verheugen, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Denn, so Verheugen, Wahlen nur dem Namen nach würden niemandem nützen.

Daß freier Zugang zu den Medien auch für Oppositionspolitiker eine Grundvor­aussetzung für demokratische Wahlen ist, darin waren sich deutsche und bos­nische Politiker einig. Über die Rolle der Balkan-Medien im Krieg sagte Ver­heugen: "Der Krieg hat in den Medien begonnen und muß auch dort beendet werden".

Die Ombudsfrau für Menschenrechte für Bosnien-Herzegowina, die Schwei­zerin Gret Haller, machte das schwache rechtsstaatliche Bewußtsein der Bosnier verantwortlich für die mangelhafte Durchsetzung des zivilen Aufbaus:

Haller sagte, daß sich die bosnische Ge­sellschaft im Übergang von Faustrecht zu Rechtsstaatlichkeit befände. Das Vertrauen in Rechtsmechanismen sei begreiflicherweise sehr klein, das Faust­recht hingegen noch sehr präsent."

Vor allem hängt der zivile Wiederauf­bau Bosnien-Herzegowinas von der Lö­sung der Flüchtlingsproblematik ab. Die SPD besteht dabei auf einer Konditio­nierung der Hilfsmaßnahmen für die Rückkehrer. Aber auch die bosnischen Politiker stellten Bedingungen für die Rückkehr. So betonte Selim Beslagic, der Bürgermeister von Tuzla, daß die internationale Gemeinschaft den Flüchtlingen ermöglichen müsse, in ihre Heimatorte zurückzukehren und nicht in irgendeine Stadt Bosniens: "Das müssen alle unterstützen, die Dayton unter­schrieben haben", sagte Besljagic, "aber hier fehlt offenbar der politische Wil­len."

Sulejman Suljic, Präsident der Partei für Bosnien-Herzegowina in Deutschland, unterstützte diese Forderung und fügte hinzu, daß Bosnien-Herzegowina allen Moslems, bosnischen Kroaten und bos­nischen Serben gemeinsam gehört und daß nicht eine Volksgruppe ein Gebiet für sich allein beanspruchen könne, egal, ob sie in dem entsprechenden Ge­biet die Mehrheit stelle oder nicht.

Aber nicht alle auf der Konferenz anwe­senden bosnischen Politiker waren sich in dieser Frage einig. Miodrag Zivano­vic aus Banja Luka, Präsident der Sozi­alliberalen Partei der Serbischen Repu­blik, ist der Ansicht, daß ein erneutes Zusammenleben der verschiedenen Volksgruppen erst in ferner Zukunft möglich sein wird. Er sieht die zwei Entitäten Bosnien-Herzegowinas - die Serbische Republik und die mosle­misch-kroatische Föderation - als Re­alitäten an, denen auch die Internatio­nale Gemeinschaft ins Gesicht sehen muß.

Am Nachmittag beschäftigte sich eine Arbeitsgruppe mit dem wirtschaftlichen Wiederaufbau Bosniens. Darin meldete sich u.a. ein Bauunternehmer zu Wort, der eines der typischen Probleme an­sprach: wo soll er anfangen mit dem Wiederaufbau? Seine Firma hat Mate­rial, Konzepte und Handwerker, kann aber nicht mit der Arbeit anfangen, so­lange die Verantwortlichen vor Ort ihm nicht ein Gebiet oder eine Stadt nennen, in der seine Leute sicher sind und wo die Eigentumsverhältnisse soweit ge­klärt sind, daß auch wirklich die recht­mäßigen Besitzer wieder in ihre Häuser zurückkehren können.

Die Teilnehmer der Arbeitsgruppe wa­ren sich einig, daß diese Probleme drin­gend gelöst werden müssen, damit der Wiederaufbau endlich beginnen kann. Außer Handwerkern brauche Bosnien vor allem junge, fähige Unternehmer. Kredite ohne klare Wiederaufbaukon­zepte seien allerdings keine Garantie für Erfolg.

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Stephani Streloke ist Radio-Journlistin bei der Süd-Ost-Euorpa Redaktion der Deutschen Welle in Köln.