Ziviler Friedensdienst

von Heinz Wagner
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"Es ist an der Zeit einen Zivilen Friedensdienst als Mittel einer neuen Politik ziviler Konfliktbearbeitung zu schaffen." Mit diesem Satz rufen SchriftstellerInnen, KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen und Politiker dazu auf, der Anregung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg zu fol­gen und einen Zivilen Friedensdienst zu schaffen, der mit gewaltfreien Methoden "planvoll in Krisen und gewaltsamen Konflikten tätig werden" kann.

Der am Antikriegstag in Bonn vorge­stellte Aufruf wurde von 60 Prominen­ten unterzeichnet, unter anderem von den SchriftstellerInnen Christa Wolf, Luise Rinser, Lew Kopelew, Franz Alt, dem Generalsekretär des Ökumenischen Rates in Genf, Konrad Raiser und den PolitikerInnen Gerd Weißkirchen, Edel­gard Bulmahn, Erhard Eppler (alle SPD), Christa Nickels, Vera Wollenber­ger und Helmut Lippelt (alle Bündnis 90/Die Grünen). Initiiert wurde der Auf­ruf von der Evangelischen Akademie Mülheim und dem Bund für Soziale Verteidigung (BSV). Ausgangspunkt der Überlegungen sind die Gewalterfah­rungen der vergangenen Jahre und die zunehmende Erkenntnis, daß Probleme mit militärischen Mitteln nicht gelöst werden können. Im Aufruf heißt es, viel zu wenig werde an Konzepten und praktischen Möglichkeiten gearbeitet, wie Gewalteskalation und Krieg im vor­aus verhindert oder ohne Gewalt, d.h. durch zivile Maßnahmen beendet wer­den könnten.

Nachdem der BSV bereits im März ein Konzept zur Gestaltung eines Zivilen Friedensdienstes vorgelegt hatte, veröf­fentlichte jetzt auch die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg (EKiBB) einen eigenen Konzeptentwurf, der sich in vielen Punkten mit dem BSV-Vor­schlag deckt. Eine Finanzierung aus Steuermitteln und eine Rahmengesetz­gebung werden für unerlässlich gehalten. Neben einer ausreichenden Zahl von Hauptamtlichen sollten in einem Zivilen Friedensdienst eine große Zahl von Freiwilligen - Frauen und Männer jeden Alters - arbeiten, die vorher durch eine grundlegende Ausbildung zu gewalt­freien Einsätzen befähigt wurden. Un­terschiedliche Akzente gibt es in der Frage der Wehrpflicht und der staatli­chen Kontrolle/Einflussnahme. Während der BSV die Wehrpflicht schon auf­grund des Alters der infragekommenden Menschen nur am Rande berührt sieht und lediglich anmerkt, Freiwillige müssten von der Wehrpflicht befreit werden, fordert die EKiBB den Zivilen Friedensdienst als gleichberechtigte Al­ternative neben Militär und Ersatzdienst, ohne einer allgemeinen Dienstpflicht Vorschub leisten zu wollen.

Beide Konzepte gehen davon aus, daß staatliche und gesellschaftliche, freie Träger nebeneinander arbeiten. Der Schwerpunkt des BSV liegt dabei deut­lich auf der unabhängigen Arbeit von Nichtregierungsorganisationen. Die staatliche Anbindung oder Kontrolle wird allerdings noch widersprüchlich gesehen. Einerseits gibt es die Vorstel­lung "Sowenig Staat wie möglich", ande­rerseits fordert man ein eigenes Ministe­rium für Abrüstung, Konversion und Zivilen Friedensdienst, damit diese Po­sition am Kabinettstisch repräsentiert ist. Nach den Vorstellungen der EKiBB soll der Zivile Friedensdienst durch Bundes- und Landesämter geregelt und koordiniert werden.

Vom 31.10 bis 2.11. werden in Mülheim erneut interessierte Organisationen zu­sammenkommen, um die strittigen Punkte in den Konzepten zu diskutieren und ein Forum Ziviler Friedensdienst zu gründen. Ziel dieses Forums wird es sein, das Konzept weiterzuentwickeln und bekanntzumachen, mit interessier­ten Parteien und PolitikerInnen an der parlamentarischen Umsetzung zu arbei­ten und geeignete Pilotprojekte zu för­dern.

Mit ihrem Ansatz, Konfliktprävention, gewaltfreie Konfliktbearbeitung, Me­diation und nachsorgende Versöhnungs­arbeit integriert zu betrachten, geht das Forum Ziviler Friedensdienst weit über die von der SPD, dem Bundeskanzler und inzwischen auch von der CDU ge­machten Vorschläge eines Humanitären Hilfskorps hinaus. Ein solches Katastro­phenhilfskorps hätte keine vorbeugende, die Entstehung von Gewalt verhin­dernde Funktion und wäre nicht als Al­ternative, sondern eher als Ergänzung zu militärischen Einsätzen konzipiert. Al­lerdings droht dem Konzept des Zivilen Friedensdienstes durch diese Vorschläge politisches Ungemach. Sollten sich CDU und SPD nach der Wahl auf das Hilfskorps-Konzept einigen, um dem of­fensichtlichen Handlungsdruck zu ent­sprechen, würde es für den langfristig sinnvolleren ZFD wieder schwieriger, genügend politischen Druck für eine Realisierung zu entwickeln.

Deshalb ist es jetzt wichtig, die Idee und die Forderung auf der politischen Ta­gesordnung zu etablieren. Nur wenn es gelingt, viele PolitikerInnen von der Notwendigkeit eines Ausbaus zivilen Konfliktlösungspotentials bei gleichzei­tigem Abbau der auf Gewalt bauenden Potentiale zu überzeugen, hat das Pro­jekt Ziviler Friedensdienst in den näch­sten vier Jahren eine Chance. Dazu bei­zutragen können einzelne und Gruppen mit der Unterstützung der Unterschrif­tenkampagne "Für einen Zivilen Frie­densdienst", die der BSV ab sofort mit dem oben vorgestellten Aufruf beginnt. (Listen und Material beim BSV, Post­fach 2110, 32378 Minden).

Übrigens: Gäbe es genügend finanzielle Ressourcen, so wäre der Aufruf längst in allen großen Tageszeitungen erschie­nen, die Pilotprojekte Balkan-Peace-Team oder für Ruanda könnten abgesi­chert arbeiten und die vorhandenen Fachleute könnten sich an die Arbeit für die Umsetzung von Ausbildungskon­zepten machen.

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