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Ziviler Friedensdienst
von"Es ist an der Zeit einen Zivilen Friedensdienst als Mittel einer neuen Politik ziviler Konfliktbearbeitung zu schaffen." Mit diesem Satz rufen SchriftstellerInnen, KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen und Politiker dazu auf, der Anregung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg zu folgen und einen Zivilen Friedensdienst zu schaffen, der mit gewaltfreien Methoden "planvoll in Krisen und gewaltsamen Konflikten tätig werden" kann.
Der am Antikriegstag in Bonn vorgestellte Aufruf wurde von 60 Prominenten unterzeichnet, unter anderem von den SchriftstellerInnen Christa Wolf, Luise Rinser, Lew Kopelew, Franz Alt, dem Generalsekretär des Ökumenischen Rates in Genf, Konrad Raiser und den PolitikerInnen Gerd Weißkirchen, Edelgard Bulmahn, Erhard Eppler (alle SPD), Christa Nickels, Vera Wollenberger und Helmut Lippelt (alle Bündnis 90/Die Grünen). Initiiert wurde der Aufruf von der Evangelischen Akademie Mülheim und dem Bund für Soziale Verteidigung (BSV). Ausgangspunkt der Überlegungen sind die Gewalterfahrungen der vergangenen Jahre und die zunehmende Erkenntnis, daß Probleme mit militärischen Mitteln nicht gelöst werden können. Im Aufruf heißt es, viel zu wenig werde an Konzepten und praktischen Möglichkeiten gearbeitet, wie Gewalteskalation und Krieg im voraus verhindert oder ohne Gewalt, d.h. durch zivile Maßnahmen beendet werden könnten.
Nachdem der BSV bereits im März ein Konzept zur Gestaltung eines Zivilen Friedensdienstes vorgelegt hatte, veröffentlichte jetzt auch die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg (EKiBB) einen eigenen Konzeptentwurf, der sich in vielen Punkten mit dem BSV-Vorschlag deckt. Eine Finanzierung aus Steuermitteln und eine Rahmengesetzgebung werden für unerlässlich gehalten. Neben einer ausreichenden Zahl von Hauptamtlichen sollten in einem Zivilen Friedensdienst eine große Zahl von Freiwilligen - Frauen und Männer jeden Alters - arbeiten, die vorher durch eine grundlegende Ausbildung zu gewaltfreien Einsätzen befähigt wurden. Unterschiedliche Akzente gibt es in der Frage der Wehrpflicht und der staatlichen Kontrolle/Einflussnahme. Während der BSV die Wehrpflicht schon aufgrund des Alters der infragekommenden Menschen nur am Rande berührt sieht und lediglich anmerkt, Freiwillige müssten von der Wehrpflicht befreit werden, fordert die EKiBB den Zivilen Friedensdienst als gleichberechtigte Alternative neben Militär und Ersatzdienst, ohne einer allgemeinen Dienstpflicht Vorschub leisten zu wollen.
Beide Konzepte gehen davon aus, daß staatliche und gesellschaftliche, freie Träger nebeneinander arbeiten. Der Schwerpunkt des BSV liegt dabei deutlich auf der unabhängigen Arbeit von Nichtregierungsorganisationen. Die staatliche Anbindung oder Kontrolle wird allerdings noch widersprüchlich gesehen. Einerseits gibt es die Vorstellung "Sowenig Staat wie möglich", andererseits fordert man ein eigenes Ministerium für Abrüstung, Konversion und Zivilen Friedensdienst, damit diese Position am Kabinettstisch repräsentiert ist. Nach den Vorstellungen der EKiBB soll der Zivile Friedensdienst durch Bundes- und Landesämter geregelt und koordiniert werden.
Vom 31.10 bis 2.11. werden in Mülheim erneut interessierte Organisationen zusammenkommen, um die strittigen Punkte in den Konzepten zu diskutieren und ein Forum Ziviler Friedensdienst zu gründen. Ziel dieses Forums wird es sein, das Konzept weiterzuentwickeln und bekanntzumachen, mit interessierten Parteien und PolitikerInnen an der parlamentarischen Umsetzung zu arbeiten und geeignete Pilotprojekte zu fördern.
Mit ihrem Ansatz, Konfliktprävention, gewaltfreie Konfliktbearbeitung, Mediation und nachsorgende Versöhnungsarbeit integriert zu betrachten, geht das Forum Ziviler Friedensdienst weit über die von der SPD, dem Bundeskanzler und inzwischen auch von der CDU gemachten Vorschläge eines Humanitären Hilfskorps hinaus. Ein solches Katastrophenhilfskorps hätte keine vorbeugende, die Entstehung von Gewalt verhindernde Funktion und wäre nicht als Alternative, sondern eher als Ergänzung zu militärischen Einsätzen konzipiert. Allerdings droht dem Konzept des Zivilen Friedensdienstes durch diese Vorschläge politisches Ungemach. Sollten sich CDU und SPD nach der Wahl auf das Hilfskorps-Konzept einigen, um dem offensichtlichen Handlungsdruck zu entsprechen, würde es für den langfristig sinnvolleren ZFD wieder schwieriger, genügend politischen Druck für eine Realisierung zu entwickeln.
Deshalb ist es jetzt wichtig, die Idee und die Forderung auf der politischen Tagesordnung zu etablieren. Nur wenn es gelingt, viele PolitikerInnen von der Notwendigkeit eines Ausbaus zivilen Konfliktlösungspotentials bei gleichzeitigem Abbau der auf Gewalt bauenden Potentiale zu überzeugen, hat das Projekt Ziviler Friedensdienst in den nächsten vier Jahren eine Chance. Dazu beizutragen können einzelne und Gruppen mit der Unterstützung der Unterschriftenkampagne "Für einen Zivilen Friedensdienst", die der BSV ab sofort mit dem oben vorgestellten Aufruf beginnt. (Listen und Material beim BSV, Postfach 2110, 32378 Minden).
Übrigens: Gäbe es genügend finanzielle Ressourcen, so wäre der Aufruf längst in allen großen Tageszeitungen erschienen, die Pilotprojekte Balkan-Peace-Team oder für Ruanda könnten abgesichert arbeiten und die vorhandenen Fachleute könnten sich an die Arbeit für die Umsetzung von Ausbildungskonzepten machen.