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Ziviler Friedensdienst - Stand der Dinge
vonIm Dezember 95 wurde vom Forum Ziviler Friedensdienst in Zusammenarbeit mit den Bischöfen Huber und Spital und einer interfraktionellen Arbeitsgruppe des Bundestages eine Initiative Startphase Ziviler Friedensdienst begonnen. Ziel der Gespräche, an denen H.Geißler, G.Verheugen und J.Fischer zeitweilig teilgenommen hatten, war - neben den 700 Mio. für den militärischen Einsatz - auch eine zivile deutsche Komponente zur Umsetzung von Dayton auf den Weg zu bringen. Das Projekt sah den Einsatz von bis zu 200 ausgebildeten Fachkräften für den Aufbau zivilgesellschaftlicher, demokratischer Strukturen, friedenspädagogischer Initiativen, Versöhnungsarbeit zwischen den verfeindeten Gruppen, Rückkehrerbegleitung und andere Maßnahmen vor. Alle Projekte sollten unter der Leitung von exjugoslawischen Nichtregierungsorganisationen stehen und waren auf zwei Jahre konzipiert.
SPD- und Grüne-Fraktion signalisierten sehr schnell Einverständnis. Die FDP war leidenschaftslos, der Schlüssel lag bei der CDU/CSU. Die Beratungen zogen sich in die Länge. Bedenkenträger forderten, das Projekt dürfe nicht beim Auswärtigen Amt angesiedelt werden. Damit wurde es zum Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geschoben.
Am 26.April wurde nun der Einstieg in den Zivilen Friedensdienst vom BMZ abgelehnt. Das Konzept "Startphase Ziviler Friedensdienst - Konfliktbearbeitung und Versöhnung im ehemaligen Jugoslawien" wurde von Staatssekretär Hedrich (BMZ) als zu teuer und strukturell nicht notwendig bezeichnet. In einem Gespräch mit Bischof Huber (Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg) und Vertretern des Projektes erklärte der Staatssekretär, daß aus den vorhandenen Mitteln des Ministeriums keine Gelder zur Verfügung ständen und daß zusätzliche Gelder vom Parlament in der gegenwärtigen Lage nicht zu erwarten sein. Es sei undenkbar, daß Ausbildungsmaßnahmen für Fachkräfte und Koordinationsaufgaben für das Projekt finanziert werden, allenfalls sei die Einzelförderung von zwei oder drei Projekten aus dem vorgeschlagenen Katalog möglich. Die Gespräche sollen fortgesetzt werden, doch im Kern war die Ablehnung klar formuliert.
Im Gespräch gab es dennoch in wichtigen Fragen Übereinstimmung. Staatssekretär Hedrich beklagte ausdrücklich, daß zu oft mit riesigen Summen nachträglich Konfliktschäden aufzuarbeiten seien, statt präventiv mit weniger Geld und Aufwand diese Schäden zu vermeiden. Einig war man sich auch hinsichtlich der Qualifikation von Fachkräften eines Zivilen Friedensdienstes. Für solche Aufgaben müssen, so Hedrich, qualifizierte Menschen mit einem hohen Maß an persönlicher Lebenserfahrung und beruflichem Profil zur Verfügung stehen. Beeindruckt zeigten sich die Vertreter des BMZ von den vorgestellten Aufgabenprofilen und den Erfahrungsberichten aus der Arbeit der Friedensorganisationen im ehemaligen Jugoslawien. Auch die erstmalige Zusammenarbeit von Friedens- und Entwicklungsorganisationen sei ein Gewinn und verspräche neue Impulse bei der Umsetzung eines erweiterten Entwicklungsverständnisses.
Was bedeutet die trotz allem erfolgte Ablehnung des BMZ? Kernpunkt ist die Aussage "Keine neue Struktur". Das BMZ und die durch diese Linie vertretenen CDU/CSU-Fraktionsmitglieder wollen letztlich keinen Zivilen Friedensdienst. Sie wollen eine Verbesserung präventiver Fähigkeiten, die sich zu den bisherigen staatlichen Handlungsoptionen von Diplomatie bis zu militärischen Einsätzen hinzufügen lassen. Am besten wäre es, die etablierten Akteure (der Techniker in der Entwicklungszusammenarbeit, der Diplomat und der Offizier), sie alle und die bisherigen Organisationen würden ein wenig von Konfliktprävention und Versöhnungsarbeit dazulernen - dann würde alles besser funktionieren. Ginge dies so, brauchte man tatsächlich keine Ausbildung, man müsste nur die bisherigen Expertinnen fortbilden. Man brauchte auch keine neue Struktur, denn man hat ja bereits bewährte Organisationen, etwa in der Entwicklungszusammenarbeit, die diese Aufgabe zusätzlich übernehmen könnten. Und man könnte auf die ungeliebten Friedensorganisationen verzichten.
Gewaltfreie Konfliktbearbeitung funktioniert aber nicht nach diesem Muster. Eine eigenständige Ausbildung ist für sie unverzichtbar, Ärzte, Rechtsanwältinnen und Techniker werden in unserer Gesellschaft ja auch nicht auf Wochenendseminaren ausgebildet. Selbst einfacher Gefreiter wird man nur nach mehrmonatiger Grundausbildung. Unabhängige Trägerorganisationen sind ebenso unverzichtbar, weil die innere Logik der Aufgabe Glaubwürdigkeit, Gewaltfreiheit, Allparteilichkeit und Verzicht auf die Durchsetzung eigener Interessen verlangt. Und weil Versöhnungs- oder Verständigungsarbeit nur von unten, in der Gesellschaftswelt wächst, nicht nach dem Muster staatlichen Handelns von oben. Der Diskurs um diese Fragen wird in nächster Zeit zu führen sein, nicht nur mit dem BMZ, vor allem vielleicht mit den Entwicklungsorganisationen.
Das zweite, das finanzielle Argument kann man beiseitelassen. Aufwendungen von 15 Mio.DM pro Jahr für das Projekt Startphase fallen insgesamt noch nicht einmal in die Kategorie 'peanuts'. 100 Mio. DM aus dem BMZ-Etat stehen z.B. zur Verfügung, damit Entwicklungsländer an der Expo 2000 in Hannover teilnehmen können, eine direkte Investition für das notleidende Entwicklungsland Niedersachsen. Es fehlt also leider am politischen Willen.
Damit war zu rechnen. Sparsame Reaktionen der Öffentlichkeit, der Medien zeigen zudem, daß - anders als im Dezember - das Thema keine Konjunktur hat. Der Interfraktionelle Arbeitskreis im Parlament hat inzwischen den Entwurf der Bundestagserklärung erneut geändert und zur Begutachtung in die Fraktionen eingebracht. Die Anbindung an das Auswärtige Amt wurde nun gestrichen und die explizite Forderung nach Ausbildung herausgenommen.
Das Forum Ziviler Friedensdienst bedauert die hinhaltende Position des BMZ außerordentlich. Damit ein langfristig orientiertes und das Ansehen Deutschlands stärkendes Projekt nicht gegen bessere Einsicht am fehlenden politischen Willen scheitert, führt das das Forum ZFD eine Unterstützungskampagne durch. Postkarten an Schäuble und Briefe an die anderen Fraktionen und an Parlamentarier sollen den nötigen Druck machen, damit die administrative Blockade eines Teils der CDU/CSU-Fraktion korrigiert wird.
Gleichzeitig unternimmt der Koordinationskreis Startphase einen neuen Vorstoß: Auf der Basis der bisherigen Konzeption wird ein koordiniertes Programm von etwa 10 bereits begonnenen Projekten mit 20 bis 30 Fachkräften vorgeschlagen, die in einem Ausbildunsgkurs von 4 Monaten vorbereitet werden sollen. Dieses Programm wird der CDU/CSU-Fraktion noch vor der Sommerpause erneut vorgeschlagen.
Was kann man tun, um das Projekt ZFD zu unterstützen?
1. Schreiben oder faxen Sie an die Fraktionen des Bundestages. Fordern Sie: Jetzt muß das Parlament entscheiden, nicht ein Ministerium! Wir brauchen einen Zivilen Friedensdienst mit Ausbildung und unabhängigen Trägerorganisationen. Das Projekt "Startphase ZFD" muß noch vor der Sommerpause auf den Weg gebracht werden.
2. Beteiligen Sie sich an der Postkartenaktion des Forums ZFD an Wolfgang Schäuble und die CDU/CSU-Fraktion. Fordern Sie Info-Material an beim Forum ZFD, Postfach 2110, 32378 Minden.
3. Unterstützen Sie das Forum Ziviler Friedensdienst e.V., das zur Zeit eine eigene Geschäftsstelle aufbaut. Es ist deutlich geworden, daß die Auseinandersetzung um einen Zivilen Friedensdienst und ein neues Verständnis von Sicherheitspolitik eine langfristige Aufgabe ist, die ein leistungsfähiges und 'konditionsstarkes' Forum ZFD braucht.