Internationaler KDV-Tag in Spanien

von Bernt Schnettler

Am 15. Mai den -Internationaler Tag der KDV- wurde in vielen Ländern in phantasievoller Weise für die Abschaffung der Wehrpflicht demonstriert. Das angestrebte Ziel, innerhalb der antimilitaristischen Bewegung eine stärkere transnationale Vernetzung zu schaffen, ist dabei in ganz neuer Qualität erreicht worden. Bernd Schnettler berichtet von den Aktionen in Spanien:

Der Internationale Tag der KDV wurde im spanischen Staat dazu ge­nutzt, eine zweite Präsentation von Totalverweigeren diesen Jahres durch­zuführen. In Burgos fand eine zentrale Vorstellung der insumisos aus dem Baskenland und Zentralspanien vor den Militärbehörden statt. Dieser Ort wurde dabei gewählt, um den Militär­richter dieser Stadt zu weiteren Fest­nahmen herauszufordern, denn er ist der Aktivste unter den Seinigen und für die Verhaftung fast aller aktuell Inhaf­tierten verantwortlich. Bei der Prä­sentation kam es zu einem gewalttäti­gen Polizeieinsatz, bei dem zwei der Demonstranten verletzt wurden. Fünf Personen, die die Totalverweigerer zu ihrer Präsentation begleitet hatten, wurden von der Polizei festgenommen, von den insumisos selbst wurde jedoch niemand verhaftet. Insgesamt machten bei Aktionen im ganzen spanischen Staat 106 insumisos ihren Ungehorsam gegenüber der Einberufung zum Mi­litärdienst öffentlich. Lediglich einer von ihnen wurde dabei verhaftet.

Rund um den 15. Mai wurden des­weiteren zahlreiche Aktionswochen durchgeführt. Mario Albrecht vom Freundeskreis der Wehrdiensttotal­verweigerer aus Ostberlin besuchte in einer vom MOC (Movimento de Ob­jectores de Consciencia = Bewegung für Kriegdienstverweigerung) organi­sierten Rundreise zu Vorträgen über den Kampf der antimilitaristischen Bewegung in der DDR die Städte Ma­drid, Barcelona, Bilbao, Zaragoza, Cordoba und Burgos.

Politische Einschätzung des aktuellen Standes der Kampa­gne Insumisi´on

Die derzeitigen Entwicklung der Kampagne kollektiver totaler KDV im spanischen Staat sind aus Sicht der Bewegung rundum positiv zu beurtei­len. Der Regierung und den Militärs ist es nicht gelungen, mit ihrer Strate­gie der selektiven Repression durch vereinzelte Festnahmen die Zahl der Totalverweiger zu senken. Ganz im Gegenteil, mit den insumisos der letz­ten Präsentation ist die Gesamtzahl der Totalverweigerer auf über 600 an­gewachsen und liegt damit weit über der Zahl derer, die aktuell den Zivil­dienst ableisten (rund 400). Seit Be­ginn der Kampagne sind lediglich 47 Totalverweigerer eingesperrt worden, im Durchschnitt zwischen 4 Tagen bis drei Wochen. Zur Zeit befindet sich zehn von ihnen noch in Haft. Die bei­den einzigen Totalverweigerer die bis­her vor Gericht gestellt und zu 13 Mo­naten Militärgefängnis verurteilt wur­den, sind weiterhin auf freiem Fuß. Obwohl ihr Urteil rechtskräftig ist wird es nicht ausgeführt. Diese Tatsa­che zeugt von dem Bemühen der Re­gierung, jegliche öffentliche Auseinan­dersetzung aus dem Weg zu gehen.

Mißerfolg Zivildienst

Mit dem Zivildienst hat die Regierung bisher eine völlige Bauchlandung er­lebt. Laut offizieller Statistik waren bis Ende 89 nur 347 Zivildienstleistende auf ihrem Posten und die Neuschaf­fung von Zivildienstplätzen ist auf­grund der öffentlichen Diskussion stark gebremst verlaufen.

Im Januar erklärte das oberste Verfas­sungsgericht die Durchführungsver­ordnung des Zivildienstes für nichtig, da bei der Beschlußfassung Verfah­rensfehler begangen worden sind. Die von der Verfassung vorgesehenen Vertreter der Betroffene (Zivis/­Ein­satz­stellen) waren nicht in das Verfah­ren miteinbezogen worden. Mit dieser Entscheidung des Verfas­sungsgerichtes wurden alle bis zu die­sem Zeitpunkt erteilten Einberufun­gen ebenfalls ungültig. Die Diskredi­tierung des Zivildienstes war perfekt. Dennoch wies das für den Zivildienst zuständige Justizministerium im Wi­derspruch zur geltenden Rechtssitua­tion die Zivildienstleistenden an, auf ihren Plätzen zu bleiben während ein formalistisches Verfahren eingeleitet wurde, um die rechtliche Zementie­rung der Durchführungsverordnung zu erreichen.

Die Initiative gegen die Verordnung geht von einer neuentstandenen Orga­nisation von Kriegsdienstverweigerern, der AOC (Asociación de Objectores de Consciencia), zurück. Die AOC ist eine Gruppe die sich Reformierung des Zivildienstes durch Gleichsetzung der Dauer mit der Wehrdienstzeit, besserem Sold, oder ähnliches zum Ziel gesetzt hat. Die AOC ist entstan­den, um ein Gegengewicht zur TV-Strategie des MOC aufzubauen und eine Zersplitterung der bisher geeinten KDV-Bewegung zu erreichen. Dabei wird die AOC von konkreten partei­politischen Interessen gestützt. Das Ergebnis ihrer Initiative zur Durchfüh­rungsverordnung zeigt ein weiteres Mal, daß Ansätze zur Reformierung oder "Verbesserung" des KDV-Rechtes von vornherein zum Schei­tern verurteilt sind. Die Interessen von Staat und Militär wissen es zu verhin­dern, tiefgreifende Veränderungen auf diese Weise zuzulassen. Es wird wei­terhin für den MOC der einzige Weg sein, an der Strategie der basisge­stützten Arbeit festzuhalten und mit Mitteln der sozialen Verteidigung wie gewaltfreien Aktionen, zivilem Unge­horsam und langfristiger und breitan­gelegter Bewußtseinsarbeit für eine Abschaffung des Militarismus einzu­treten. Nur so können wir die Gesell­schaft und die Machtstrukturen, die Ungerechtigkeiten und Unterdrückung aufrechterhaltung, verändern. In die­sem Sinne sind wir nun auf dem Weg, die Ansatzpunkte der antimilitaristi­schen Arbeit im MOC zu vervielfälti­gen, Kriegssteuerboykott, Frauenwi­derstand gegen Militarisierung, inter­nationale Arbeit als konkrete Schritte sozialen Angriffs auf das Militär zu potenzieren. Aus der Kampagne In­sumisi¢n haben wir viel gelernt, viel Kraft geschöpft und erfahren, daß es möglich ist, mit kollektivem Wider­stand den Machtvorsprung des Staates zu neutralisieren.

Ausgabe

Rubrik

Initiativen
Bernt Schnettler arbeitet als Freiwilliger von Eirene beim MOC, Spanien.