Die Fusion - Entscheidung für eine neue Aufrüstungswelle

von Jörg Huffschmid

Die Fusion ist ein Lehrstück über die Machtverhältnisse: Ursprünglich wollte der damalige Wirtschaftsminister Bangemann die Messerschmitt-Bölkow-Blohm-GmbH (MBB) unter das Dach eines privaten Großkonzerns bringen, um die Last der Milliarden-Subventionen loszuwerden, die er mit dem Airbus-Erweiterungsprogramm auf die Bundesregierung zukommen sah. Wer die Gewinne aus dem technologischen know-how und dem Verkauf der Produkte kassiere, solle auch die Entwicklungskosten zahlen und das Marktrisiko tragen, so die These des Ministers. Bekanntlich kam es anders. Jetzt ist MBB untergebracht - aber der Subventionsstrom verebbt nicht, sondern schwillt erst richtig an: zu den Entwicklungskosten und Vermarktungshilfen kommt noch eine saftige Absicherung gegen Währungsrisiken. Mindestens 10 Mrd. DM wird das Ganze bis zur Jahrhundertwende kosten. Die Machtverhältnisse haben es möglich gemacht.

Und sie verändern sich mit der Übernahme von MBB durch den Daimler Benz-Konzern weiter. Immerhin ist  Daimler der größte Industriekonzern Hauptaktionär ist die Deutsche Bank das größte Finanzinstitut der BRD. Die spektakulärste Verschiebung ergibt sich in der Rüstungsindustrie. Nachdem in den letzten Jahren die beiden Führungsgruppen MBB/Krauss-Maffei/Diehl auf der einen und Daimler/MTU/AEG/Dornier auf der anderen Seite zusammengeschoben worden waren, bildet deren Vereinigung unter dem Dach von Daimler nun den Höhepunkt und Abschluß der Neuformierung in diesem Sektor - was weitere Arrondierungen und Flurbereinigungen nicht ausschließt. Die Marktposition des neuen Rüstungsriesen - übrigens auch des größten Rüstungskonzern in Europa - ist phantastisch: Drei Viertel aller militärischen Entwicklungen und die Hälfte aller Beschaffungen der Bundeswehr laufen über ihn. Natürlich stärkt das den Einfluß des militärisch-industriellen Komplexes in der BRD. Der Druck auf die Regierung nimmt zu, eine neue Runde der Hochrüstung einzuleiten, die "dritte Waffengeneration" für die Bundeswehr zu beschaffen. Die Entscheidung zum Einstieg in das Irrsinnsprojekt "Jäger 90", das nicht nur den internationalen Entspannungstendenzen, sondern auch jeder ökonomischen Vernunft zuwiderläuft, ist sicher auch als Morgengabe an die neue Stärke der Rüstungslobby zu verstehen.
Dennoch ist damit der Zug in Richtung auf eine neue Rüstungs- Militarisierungswelle noch nicht abgefahren. Denn einerseits wirken die Abrüstungsangebote und einseitigen Vorleistungen der sozialistischen Länder mehr und mehr als Hindernis, indem sie die politische Akzeptanz neuer Rüstungspläne durchlöchern und damit ihre Durchsetzungschancen verringern. Andererseits setzen auch die Konzerne nicht in erster Linie auf Militarisierung und sind schon gar nicht von ihr abhängig. Das gilt auch nach der Fusion DaimIer-MBB. Die Stärkung der Position im Rüstungsbereich ist nur eine Seite und nicht das Ganze der Strategie von Daimler Benz und Deutscher Bank. In erster Linie geht es beiden um die Absicherung ihrer Expansionsziele, vor allem international. Ein Blick auf die internationalen Kooperations- und Verflechtungsaktivitäten beider zeigt sofort, daß sie im zivilen Bereich um ein Vielfaches zahlreicher und intensiver sind als im militärischen. Es geht darum, die in der BRD unstrittige Führungsposition der Gruppe Deutsche Bank/Daimler Benz auch in Europa zu etablieren. Mit der Übernahme von MBB steht die Neuordnung der westeuropäischen Luft- und vor allem der Raumfahrtindustrie auf der Tagesordnung. Sie ist nötig, um gegen das Übergewicht der Amerika¬ner anzukommen. Sie wird von Daimler aber gleichzeitig als Herausforderung an die bislang in Europa führende französische Vorherrschaft betrieben. Ihr Ergebnis entscheidet - vermutlich mehr als verschiedene neue Rüstungsprojekte - über Weltmarktpositionen und Schlüsselstellungen in der internationalen Politik.
Die Fusion bringt dem Militär-Industrie-Komplex in der BRD einen Positionsgewinn, verschafft ihm aber keine unüberwindbare übermacht. Gerade das neue Spitzenprojekt der Aufrüstung, der "Jäger 90", bietet enorm viele Ansatzpunkte der Gegenwehr und des Widerstandes: Wenn es verwirklicht würde, widerspräche das nicht nur aller sicherheitspolitischen Vernunft, Seine - bislang ja noch nicht einmal in Bruchteilen gesicherte - Finanzierung könnte nur über den drastischen Abbau von Sozialleistungen, öffentlichen Ausgaben für Schulen, Universitäten, Umweltschutz usw. erfolgen - mit entsprechenden neuen Einbrüchen bei den Lebensbedingungen für die meisten Menschen. Es gilt aber auch umgekehrt: Jede verhinderte Kürzung der Arbeitslosenunterstützung, jede durchgesetzte Milliarde für die Universitäten, jedes durch Mobilisierung abgetrotzte Programm zur Sanierung der Nordsee erschwert unter den gegebenen Bedingungen die Durchführung des Jäger-Projektes. Seine Verhinderung ist möglich und würde - sozusagen im Gegenzug zu dem Machtzuwachs durch die Fusion - die Rüstungsambitionen des neuen Superkonzerns zurückdrängen.

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