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11 Thesen
von
Birgit Laubach und Dr. Uwe Günther fassen mit diesen Thesen einen ausformulierten Vorschlag einer Arbeitsgruppe von Bündnis 90 / Die Grünen zusammen.
1. (...) Gerade in Zeiten, in denen Nationalstaatlichkeit eine Renaissance erlebt, droht die europäische Idee in die Regelung bloßer ökonomischer Interessen der Mitgliedstaaten abzugleiten. Flüchtlings- und Einwanderungspolitik ist dementsprechend bloß Mittel zur Minderung der Zahl von Flüchtlingen und Einwanderern und Einwanderinnen und nicht Teil einer europäischen Innenpolitik.
2. Xenophobie in allen europäischen Staaten unterminiert den Einigungswillen der Bürger und Bürgerinnen aller europäischen Staaten für ein gemeinsames Europa. (...) Derzeit läßt sich in allen europäischen Staaten eine sich selbst verstärkende Tendenz festmachen, eine restriktive Flüchtlings- und Einwanderungspolitik in gesetzlichen Formen zu gießen. (...) Will Europa an seinen menschenrechtlichen und rechtsstaatlichen Verbürgungen festhalten, bleibt keine Alternative, als die Anerkennung und Regelung einer gemeinsamen Flüchtlings- und Einwanderungspolitik.
3. Die ehemals eindeutige Trennungslinie zwischen Flüchtlings- und Einwanderungspolitik verschwimmt am Ende dieses Jahrhunderts zunehmend. Praktisch hat sich eine von der Einwanderungspolitik separierte Flüchtlingspolitik mit entsprechenden rechtlichen und institutionellen Ausdifferenzierungen gebildet. An der Trennung sollte festgehalten werden, und zwar nicht aus begrifflichen, sondern einzig aus Gründen des Schutzes des politischen Flüchtlinge im engeren Sinne. (...)
4. Die weitgehende Entleerung des Grundrechtes auf Asyl im Jahre 1993 hat eine neue Ausgangssituation für die Chance zur Verwirklichung einer humanen Asyl- und Flüchtlingspolitik geschaffen. Auf absehbare Zeit ist eine Mehrheit, die Artikel 16 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes a.F. wiederherstellt nicht zu erwarten. (...)
5. Die Genfer Flüchtlingskonvention ist eine geeignete Grundlage als Ausgangspunkt für eine europäische Harmonisierung: sie ist von allen EG-Staaten unterzeichnet und ihre Geltung wird politisch nicht in Zweifel gezogen. Allerdings sind die in der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannten Fluchtgründe vor allem unter dem Eindruck des nationalsozialistischen Unrechts entstanden. Sowohl der Europarat, wie auch die OAU haben auf die Notwendigkeit der Erweiterung der anerkannten Fluchtgründe hingewiesen. (...)
6. Die Genfer Flüchtlingskonvention wird nationalstaatlich unterschiedlich interpretiert... Eine Vereinheitlichung der Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention ist notwendig, weil eine unterschiedliche Rechtspraxis der Idee des Rechts widerspricht. (...) Theoretisch ist eine Vereinheitlichung mit Hilfe von entsprechenden völkerrechtlichen Übereinkommen möglich. Derzeit würden solche Übereinkommen allerdings lediglich zu einem Konsens auf der Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners hinführen. Deswegen scheint es sinnvoller, den Europäischen Gerichtshof mit der Zuständigkeit für die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention zu betrauen. Hierdurch würde gewährleistet, daß sukzessiv in allen europäischen Staaten die Genfer Flüchtlingskonvention materiellrechtlich einheitlich angewendet würde, und daß Mindeststandards für das Verfahren festgelegt werden würden. Zu vermuten ist allerdings, daß eine solche Vereinheitlichung zu einer europäischen Harmonisierung auf der Basis des europäischen Durchschnitts führen würde.
7. Die "Drittstaaten-Regelung" bzw. das Prinzip des "Erstaufnahme-Landes" ist der praktische Kern der Änderung des Art. 16 GG. Dieses Prinzip ist verankert in dem Übereinkommen von Dublin und Schengen II. Auch in den nationalen Rechtssystemen der EG-Staaten hat es Eingang gefunden oder ist im Begriff, es zu werden. In naher Zukunft dürfte die "Drittstaaaten-Regelung" daher kaum abgeschafft werden. Daher sollte versucht werden, die eigentliche Problematik dieser Regelung zu entschärfen. Diese besteht im fehlenden Rechtsschutz. Der Einwand, der als sicher definierte Drittstaat sei in Wahrheit nicht sicher, wird nicht überprüft, jedenfalls nach dem Text der einschlägigen Rechtsnormen. Hier könnte ein besonderes Streitverfahren dem Europäischen Gerichtshof helfen, das ausschließlich die Frage betrifft, ob ein als sicherer Drittstaat definierter Staat wirklich sicher ist.
8. Die europäischen Länder sind von Flüchtlingen in unterschiedlicher Weise betroffen. Für Unterbringung und die Durchführung von Verfahren werden daher unterschiedliche Mittel verausgabt. Ein europäisches Zuteilungsverfahren für Flüchtlinge könnte helfen, Ausgleich zu schaffen. Einem europäischen Zuteilungsverfahren für Flüchtlinge begegnen jedoch humanitäre, aber auch praktische Bedenken. Als Ersatz sollte ein europäischer Lastenausgleich mittels Schaffung eines europäischen Flüchtlingsfonds eingeführt werden.
9. Einwanderung ist von der Familienzusammenführung zu unterscheiden und zu trennen. Die europäische Menschenrechtskonvention verbürgt einen Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung. Die rechtliche Ausgestaltung der Familienzusammenführung muß im Rahmen der Einwanderungspolitik, jedoch nicht an Kontingenten erfolgen.
10. Einwanderung nach Europa ist aus humanitären und aus demographischen Gründen notwendig. Ohne Einwanderungsquoten ist eine europäische Einwanderungspolitik nicht denkbar. Einwanderungsquoten, denen lediglich ökonomische Kalküle der europäischen Länder zugrunde liegen, sind politisch sinnlos; Einwanderungsquoten, denen lediglich humanitäre Aspekte zugrunde liegen, politisch undurchsetzbar. (...)
11. Einwanderer und Einwanderinnen und anerkannte Flüchtlinge erhalten mit ihrer legalen Einwanderung den Statuts von Unionsbürgern, d.h. sie sind den BürgerInnen des Landes, in das sie eingewandert sind, arbeitsrechtlich, wirtschaftlich und sozialrechtlich gleichgestellt. Hinsichtlich des kommunalen Wahlrechts und der Staatenfreizügigkeit muß eine Mindestaufenthaltsdauer bestimmt werden. (...)
Die Einbürgerung durch Geburt und der Antrag wird "europäisiert". Kinder der zweiten Ausländergeneration erhalten durch Geburt die Staatsbürgerschaft des Staates, in dem sie geboren sind. Kinder von Einwanderern, die sich seit sieben Jahren in einem Mitgliedstaat aufhalten, erhalten ein Optionsrecht. Für Einwanderer besteht auf Anspruch auf Einbürgerung nach einer Mindestaufenthaltdauer. Mehrstaatlichkeit wird hingenommen.