4000 DM für die Meinungsfreiheit

von Bernhard Clasen
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Wie der Frankfurter Rundschau vom 29.7.1994 zu entnehmen ist, wurde der Sprecher des Neusser Flüchtlingsrates, Michael Stoffels, zu einer Geldstrafe von 4000 DM verurteilt, weil er in einem Leserbrief die "pro­vinzielle" Verwaltung des Kreises Neuss beschuldigt habe, die Zu­kunft zweier Roma-Jungen durch die Ausweisung nach Skopje "brutal zer­stört" zu haben. Das Ausländeramt habe mit der Ausweisung der beiden Jungen und ihrer Eltern seine "völlige Inkompetenz" bewiesen, mit der Situation ausländischer Flüchtlinge "angemessen, das heißt menschlich umzugehen".

Der Roma-Junge Orhan Jasarovski, der mehrfach behindert ist und deshalb ständig auf kostspielige Medikamente angewiesen ist, war im Februar mit sei­nen Eltern und seinem Bruder aus Deutschland in das große Roma-Lager Schutka bei Skopje abgeschoben wor­den.

In einem Leserbrief unmittelbar nach der Abschiebung der Roma-Familie er­innerte sich der Pädagoge Stoffels an die Aufforderung des Neusser Ober­kreisdirektors an die Schule des Kreises, ihm alle fremdenfeindlichen Vorkomm­nisse zu melden. Daraufhin schrieb der Sprecher des Flüchtlingsrates in seinem Leserbrief: "Ich habe eine Meldung zu machen: Die mit Abstand fremden­feindlichste Tat im Kreis Neuss, die in Schulen zu beobachten war, ist die durch eine deutsche Behörde korrekt verordnete Vertreibung eines mehrfach behinderten Romakindes aus der Ge­samtschule Meerbusch."

Der Pädagoge verlangte in seinem Le­serbrief, daß "gegen die Verantwortli­chen" an dieser Abschiebung entschie­den vorgegangen werde.

Der Kreis Neuss, die Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht aber gingen ent­schieden gegen Stoffels vor. Nach An­sicht des Gerichts hatte der Sprecher des Flüchtlingsrates mit seinem Leserbrief die Ausländerbehörde des Kreises ver­ächtlich gemacht und in der öffentlichen Meinung herabgewürdigt.

Spenden gegen die Kriminalisierung

Wir sehen in dem Vorgehen gegen Stof­fels einen eindeutigen Kriminalisie­rungsversuch der Flüchtlingshilfebewe­gung. Einem Lehrer, der darauf hinge­wiesen hatte, daß Fremdenfeindlichkeit auch von Behörden ausgehen kann, wird der Prozess gemacht. Wir halten dieses Vorgehen nicht für richtig und fordern einen Freispruch für Stoffels. Sollte es aber auch in der nächsten Instanz zu ei­ner Verurteilung von Stoffels kommen, so rufen wir jetzt schon zu Geldspenden auf. Wir werden diesen Betrag Herrn Stoffels überreichen. Sollte mehr als er­fordert gespendet worden sein oder we­gen eines Freispruchs in der nächsten Instanz die Spende nicht mehr erforder­lich sein, so werden wir das eingegan­gene Geld dem Flüchtlingsrat Neuss überreichen. Dieser wird das Geld an Orhan in Mazedonien weiterleiten.

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