Eine Woche vor Ostern rufen wir mit unserem Aufruf "Kriege stoppen - Frieden und Abrüstung jetzt! " in mehreren Zeitungen zur Teilnahme an den Ostermärschen 2025 auf. Hilf auch du mit bei der Mobiliserung!
60 Jahre danach - aus der Geschichte gelernt?
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Am 30. Januar 1993 fanden in vielen Orten größere oder kleinere Aktionen und Veranstaltungen zum Gedenken an die Machtübernahme der Nationalsozialisten vor 60 Jahren statt. Daß eine der wichtigsten davon auch eine der kleineren blieb, mag auf den ersten Blick enttäuschend wirken. Abseits dieser moralischen Wertung lohnt sich aber die politische Analyse.
Mit Maria Wachter und Fritz Hollstein haben zwei Verfolgte des Faschismus die Initiative ergriffen, am 30. Januar 1993 unter dem Motto zu demonstrieren "60 Jahre danach - Aus der Geschichte lernen: Rassismus, Terror und Militarismus stoppen!" In Düsseldorf, weil dort im Industrieclub das Bündnis zwischen NSDAP und Teilen des Großkapitals geschmiedet wurde, das maßgeblich dazu beitrug, den 30. Januar 1933 überhaupt erst möglich zu machen.
Der Aufruf zu dieser Demonstration fiel bereits aus dem Rahmen des derzeit in der Bewegung gegen Rassismus Üblichen: Anstelle moralischer Betroffenheit über rassistische Aggression wurde eine historische und politische Analyse vorgelegt, die den Bogen von der "Volk ohne Raum"-These der Nazis zum angeblich "vollen Boot" Deutschland und zum Streben nach weltweiten Einsatzoptionen für die Bundeswehr spannte. Unterstützung fand der Aufruf vor allem in gewerkschaftlichen Kreisen, bei linkssozialistischen und kommunistischen Gruppierungen und im autonomen Spektrum, vereinzelt - aber noch viel zu wenig - auch bei Jugendorganisationen und Friedensgruppen. Wer nun aber bei den TeilnehmerInnen eine ähnliche Zusammensetzung erwartete, mußte verwundert feststellen, daß zwischen der Unterschrift unter einen Aufruf und der Teilnahme an einer Demonstration doch ein erheblicher Unterschied sein muß: Die Fünftausend, die dann tatsächlich durch die Düsseldorfer City zogen, waren vorwiegend Jugendliche und Ältere, wie zum Beispiel eine starke Gruppe der Grauen Panther und ein noch stärkerer Block der Rode Jeugd aus Belgien.
Für die geringe Beteiligung insgesamt gibt es viele verschiedene Gründe. Ein Grund ist sicher die Tatsache, daß am selben Tag andere Veranstalter die Düsseldorfer Bevölkerung zu einer Lichterkette luden - ein Aufruf, unterstützt von Prominenz und Medien, dem zehnmal so viele folgten. Doch habe ich den Eindruck, daß man daraus nicht schließen darf, diese Fünfzigtausend wären andernfalls zu "unserer" Demonstration gekommen. Es gibt nur wenige Überschneidungen zwischen der "Lichterketten-Szene" und der "Demonstrations-Szene", denn die Zusammenhänge zwischen staatlich verordnetem Rassismus, etwa in Form der Asylrechtsdemontage, und gewalttätigem Rassismus "von unten", werden nun einmal von der übergroßen Mehrheit im Land so noch nicht erkannt. Ebenso fehlt, auch in weiten Teilen der Friedensbewegung, eine Einschätzung dessen, welche Bedeutung rassistische und nationalistische Motive etwa für die Neudefinition der Außen- und Verteidigungspolitik haben.
Daraus zu schließen, daß wir die "richtigen" Aktionen dann halt nur mit Wenigen machen und die Lichterketten-Szene sich selbst und damit möglicherweise der Instrumentalisierung durch diejenigen überlassen, die nur zu gern von der eigenen rassistischen und gewalttätigen politischen Praxis ablenken wollen, wäre falsch.
Für das eigene Selbstverständnis mag eine Abgrenzung zu bewusst unpolitischen (und damit auch entpolitisierenden) Aktionen sinnvoll und notwendig sein. Für die Wirksamkeit eines politisch verstandenen Antifaschismus und Antimilitarismus ist diese Abgrenzung aber kontraproduktiv, weil sie auf die Einbeziehung derjenigen verzichtet, denen die Zusammenhänge noch nicht so deutlich sind. Um der Rechtswende der Republik in wesentlichen Bereichen wirkungsvoll entgegenzutreten, brauchen wir aber noch mehr politisch denkende und handelnde Menschen, und die werden wir dort abholen müssen, wo sie derzeit stehen. Wenn das die Lichterketten sind, dann heißt das, daß wir auch dorthin gehen müssen, mit unseren Forderungen zum Erhalt des Asylrechts, zur Verteidigung anderer Grund- und Menschenrechte.
In Zukunft wird es darauf ankommen, die so verschiedenen Ansätze zu verbinden, damit aus Betroffenheit Wut und aus Ohnmacht Gegenmacht wird.
Die Demonstration in Düsseldorf war ein erster Schritt zur Formierung außerparlamentarischen Widerstands gegen Grundrechtsdemontage und Großmachtgelüste und damit, trotz der relativ geringen Teilnahme, wichtig. Weitere Schritte werden folgen.