Europäische Union

Aktive und passive Rüstungsexportförderung

von Sabine Lösing
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In Sachen Militärpolitik legt die Europäische Union seit einiger Zeit eine fieberhafte Geschäftigkeit an den Tag. Gemäß der im Juni 2016 verabschiedeten EU-Globalstrategie will sie „militärische Spitzenfähigkeiten“ aufbauen, dabei sei eine „wettbewerbsfähige“ Rüstungsindustrie „von wesentlicher Bedeutung für die strategische Autonomie Europas“. Dahinter steckt die weitverbreitete Auffassung, nur wer auch über eine hauseigene rüstungsindustrielle Basis verfüge, könne glaubhaft einen Platz am Tisch der führenden Großmächte für sich reklamieren. Da aber die einheimische Auftragslage zu dünn ist, um eine dementsprechende Unternehmenslandschaft durchfüttern zu können, suchen Europas MachtpolitikerInnen notgedrungen ihr Heil im Export.

Sie bedienen sich hierfür sowohl indirekter als auch direkter Mittel zur Rüstungsexportförderung: So sorgen die EU-Staaten durch bloße Arbeitsverweigerung dafür, dass die europäischen Rüstungsexportrichtlinien weiter löchrig wie ein Fischernetz bleiben. Seit 2008 sind die im „Verhaltenskodex über Waffenexporte“ festgelegten acht Kriterien – eigentlich – rechtsverbindlich. Ihnen zufolge soll eine Rüstungsexportlizenz entweder grundsätzlich abgelehnt (Kriterien 1-4) oder eine Verweigerung zumindest erwogen werden (Kriterien 5-8). Demnach müssen Empfängerländer u.a. die Menschenrechte sowie das humanitäre Völkerrecht respektieren (Kriterium 2) und es dürfen keine Exporte in Krisengebiete erfolgen (Kriterium 4).

Eigentlich würden diese Kriterien große Teile der Rüstungsexporte unmöglich machen. Das Ganze hat nur einen großen Haken: Es bleibt den Staaten überlassen, die Kriterien nach ihrem Gutdünken auszulegen – und sie tun dies in aller Regel mit Blick auf ihrer ureigensten Exportinteressen. Eine Überprüfung, ob der Verhaltenskodex eingehalten wird, geschweige denn Sanktionsmöglichkeiten, falls dies nicht der Fall sein sollte, existieren nicht. Nicht einmalverlässliche Daten übermitteln die Einzelstaaten an die für die Erfassung zuständige „Working Party on Conventional Arms Export” (COARM). Deutschland etwa gibt nur Auskunft über erteilte Lizenzen, nicht über reale Ausfuhren, und Frankreich änderte seine Berichtspraxis 2014 so radikal, dass eine Vergleichbarkeit der Daten in dem ohnehin immer notorisch verspäteten COARM-Bericht überhaupt nicht mehr gewährleistet ist. Zusammengefasst führt dies alles dazu, dass die EU-Staaten weitgehend unbehindert von irgendwelchen EU-Exportbeschränkungen Waffen in alle Winkel der Welt ausführen können.

Daneben betreibt die Europäische Union eine zunehmend aktive Exportförderung. Einmal wird die Erforschung und Entwicklung von Rüstungsprojekten in Kürze ganz massiv über den „Europäischen Verteidigungsfonds“ (EVF) subventioniert werden. Ab 2019 soll der EVF in abgespeckter Form an den Start gehen, im nächsten Haushalt 2021 bis 2027 sollen dann bis zu 48,6 Mrd. Euro daraus zur Verfügung stehen. Durch diese Subvention soll der Stückpreis gesenkt und damit die Wettbewerbs- und Exportfähigkeit „verbessert“ werden. Denn die Gelder sollen ausschließlich an länderübergreifende Rüstungsprojekte ausgeschüttet werden. Nur wenn sich die EU-Staaten auf gemeinsame Rüstungsprojekte einigen, werden sie auf dem globalen Markt überleben können, so die dahinterstehende Überlegung – und der EVF soll diese Kooperation versüßen, damit nicht jeder Staat künftig weiter sein eigenes rüstungsindustriepolitisches Süppchen kocht. „Die Zukunft heißt auch für die deutsche Rüstungsindustrie Europa“, brachte Wolfgang Ischinger, Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, diese „Logik“ auf den Punkt: „Die europäische Rüstungsindustrie wird nur gedeihen, wenn wir sie zusammenfügen. Nur so entfliehen wir einer Lage, in der auf dem indischen oder chinesischen Markt die Franzosen gegen die Deutschen und die Schweden um Aufträge kämpfen. Am Schluss siegt womöglich der amerikanische Konkurrent.“

Die großen EU-Rüstungsprojekte, die wahrscheinlich dann über den EVF maßgeblich mitfinanziert werden sollen, sind bereits auf den Weg gebracht – und zwar als deutsch-französische Vorhaben, in die sich erst später andere Länder einklinken können: Eurodrohne, Kampfflugzeug und Kampfpanzer. Als Problem gelten dabei allerdings die als zu scharf empfundenen nationalen Rüstungsexportrichtlinien in Deutschland, doch auch hier hat man eine Lösung parat. Man will das Schmidt-Debré-Abkommen aus dem Jahr 1972 aus der Mottenkiste hohlen und für alle anvisierten Großprojekte anwenden. Darin hieß es: „Keine der beiden Regierungen wird die andere hindern, Rüstungsgüter aus gemeinsamer Entwicklung oder Fertigung auszuführen.“

So sieht sich die Europäische Union bestens gerüstet, um ihre Konzerne in den Kampf um die globalen Exportmärkte zu schicken. Natürlich sind hier massive industrielle Interessen im Spiel, die wahren Triebfedern dahinter dürften aber tatsächlich die machtpolitischen Hintergründe sein, die sich aus dem Streben nach einer autonomen Rüstungsbasis und den damit zusammenhängenden Großmachtambitionen der Europäischen Union speisen.

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Sabine Lösing ist außen- und sicherheitspolitische Sprecherin der LINKEN im Europaparlament und Vorsitzende DIE LINKE Niedersachsen.