Büchel

Amtsgericht Cochem verurteilt widerständige Alte

von Ariane Dettloff
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Zu fünft saßen sie am 12.12.2018 im Amtsgericht in Cochem an der Mosel auf der Anklagebank: Die Journalistin Ariane Dettloff, 74, aus Köln, die Ärztin Brigitte Janus, 67, aus Nürnberg, der Diakon Herbert Römpp, 78, aus Hilpoltstein, die pensionierte Grundschullehrerin Susanne Großmann, 67, aus Erlangen und der Arzt i.R. Ernst Ludwig Iskenius, 66, aus Rostock. Weil sie im Juli die Startbahn der Atombomben-Flugzeuge in Büchel betreten hatten, um deren Übungsbetrieb zu stören, wurden sie wegen „Hausfriedensbruchs“ verurteilt: in vier Fällen zu 30 und in einem Fall („Wiederholungstäter“) zu 60 Tagessätzen.

Sie beriefen sich auf einen „rechtfertigenden Notstand“ und klagten ihrerseits die Bundesregierung wegen ihrer widerrechtlichen „Nuklearen Teilhabe“ an, die sowohl gegen das Völkerrecht als auch das deutsche Grundgesetz als auch den NVV (Nichtverbreitungs)-Vertrag verstößt. Amtsrichter Michel befand: „Wir alle wären froh, wenn es keine Atomwaffen gäbe“ – allerdings gebe es Grenzen des Protests da, wo Gesetze verletzt würden. Die zivil Ungehorsamen legten umgehend Berufung ein.

Sie vertraten das Netzwerk Friedenssteuer und IPPNW (Internationale Ärzte gegen den Atomkrieg), die DFG-VK sowie Pax Christi und die Quäker. Durch sie waren gleich vier Organisationen am extralegalen Go-In beteiligt, die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden sind: die IPPNW und drei Mitglieder von ICAN (die Kampagne „Büchel ist überall – atomwaffenfrei jetzt“, DFG-VK und die Quäker – Religiöse Gesellschaft der Freunde).

Sämtliche Beweisanträge der Beklagten wischten Richter und Staatsanwalt als unerheblich vom Tisch. Sämtliche Beweisanträge der Beklagten wischten Richter und Staatsanwalt als unerheblich vom Tisch. Den Einlassungen dagegen folgte Amtsrichter Michel aufmerksam und befand, sie seien „gut ausgedrückt“.
Auf dem Fliegerhorst in Büchel/Eifel sind 20 US-Atombomben stationiert, die im Ernstfall unter dem Oberfehl von US-Präsident Trump mit deutschen Piloten ins Zielgebiet geflogen werden sollen. Dazu erklärte Ariane Dettloff: "Der hier in Büchel in der Eifel täglich von deutschen Soldaten mit US-Bomben geübte Atomkrieg ist ein Verbrechen an der Menschheit - sich dagegen aufzulehnen sollte Bürgerpflicht sein. Meiner Auffassung nach ist unsere Regelübertretung als Aktion Zivilen Ungehorsams zur versuchten Abwendung eines vielfach größeren Unrechts angemessen.“

Susanne Großmann gab zu Protokoll: „Wenn mehr Menschen von der Anwesenheit von Atomwaffen in Deutschland wissen und die Gefahren eines möglichen Einsatzes erkennen, steigt meine Hoffnung, dass diese zunehmend geächtet und schließlich abgerüstet werden. Das Wissen um die Atomwaffen und die Übungen zu deren Einsatz lassen mir keine Ruhe. Ich kann es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, tatenlos diesen Gefahren ins Auge zu blicken.“

Brigitte Janus erinnerte an die Verfassungsbeschwerde der Partei Die Grünen 1983. Das Gericht hatte diese als unbegründet abgelehnt, denn seit dem NATO-Beitritt der Bundesrepublik Deutschland von 1955 besitze der US-Präsident die Hoheitsrechte zum Atomeinsatz von deutschem Boden aus. Vor allem wegen der Unberechenbarkeit des heutigen Präsidenten Donald Trump, so führte Janus aus, werde einem dabei angst und bang. Dieser hatte getwittert: „Bei Nuklearem geht es einfach um die Macht. Die Zerstörung ist mir sehr wichtig. (…) In dieser Sache müssen wir einfach unberechenbar sein. Nuklearwaffen sind da die letzte Möglichkeit. Wenn das Militär ins Spiel kommt, dann wird nicht diskutiert: Erst will ich Action und dann wird geredet.“

Pershing 2 und Cruise Missiles sind infolge des INF-Vertrags, den Ronald Reagan und Michail Gorbatschow 1987 unterzeichneten, abgezogen worden. Doch Trump will diesen Vertrag nun aufkündigen. „Nicht umsonst haben die Atomwissenschaftler ihre symbolische Doomsday-Uhr auf zwei Minuten vor der atomaren Katastrophe gestellt. Nicht nur Büchel selbst, nicht nur Deutschland, nicht nur Europa, nein unser ganzer Planet ist in Gefahr, atomar ausradiert zu werden“, führte Ernst Ludwig Iskenius aus.

Und Herbert Römpp erklärte, es sei ihm unverständlich, „wie der Versuch zur Behinderung von Übungsflügen für einen Einsatz von Atombomben staatliche Sanktionen rechtfertigt, nicht jedoch die Bereithaltung dieser Massenvernichtungswaffen“.

Amtsrichter Michel aber konterte, Gesetz sei Gesetz und daher ohne Wenn und Aber zu befolgen.

Mit der Medienresonanz war die Go-In-Gruppe der Büchel Neun nicht unzufrieden: zwei Fernseh-Teams, ein Radio-Sender und lokale Print-Presse hatten sich eingefunden. Auch die ZuschauerInnenplätze im Großen Saal des Amtsgerichts waren gut gefüllt.

Doch das Ziel, der Abzug der Atomwaffen aus Büchel, ist leider immer noch weit entfernt. Daher hat die Gruppe entschieden, ihren Widerstand fortzusetzen. Für ihre nächste Aktion wünscht sie sich weitere MitstreiterInnen.

Kontakt über Katja Tempel, email: katja [dot] tempel [at] jpberlin [dot] de. Spenden für die Prozesskosten sind willkommen: Konto: Uwe Scholten für Aktion Büchel 2018, IBAN DE64 5235 0005 0000 7696 87, Sparkasse Waldeck-Frankenberg, HELADEF1KOR

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Ariane Dettloff ist Mitglied bei "Pax an" in Köln.