Frankreich

Auf der Suche nach "EG-kompatiblem" Asylrecht

von Pierre Villon
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Frankreich will die Zahl der Einwande­rer drastisch begrenzen. Sowohl die Zuwanderung als auch die Einbürgerung sollen wesentlich erschwert werden. Und die Pariser Politik hält sich dabei an und beruft sich auf die entsprechen­den Passagen des Schengener Abkom­mens. Offiziell machen die Ausländer rund 6,3 Prozent der gesamten Bevölke­rung aus. Wahrscheinlich von einer Quasi-Stabilisierung seit 1982 sprach im Juli 1991 "la lettre de Matignon", das offizielle Verlautbarungsblatt des Pre­mierministers. Im selben Jahr wurden 149.325 Ausländer eingebürgert (1975: 90.297), davon 17.399 bei der Geburt. 13.343 als Minderjährige, 23.500 durch Heirat, 23.177 durch Naturalisierung, 12.558 als Kinder Naturalisierter, 13.386 als uneheliche Kinder ausländi­scher Mütter und 22.827 als Kinder französisch-ausländischer Ehepaare. Allein diese Aufzählung macht die viel­fältigen Wege deutlich, über die man französischer Staatsbürger werden kann. Franzose ist, wer französisch spricht, doch ganz so einfach wird es künftig nicht mehr sein.

Komplizierte Rechtslage

Jeder, der wegen seines Einsatzes für die Freiheit verfolgt wird, genießt in den Gebieten der Republik Asylrecht. So steht es in der Präambel der französi­schen Verfassung. Das jedoch ist der Knackpunkt, der nicht mehr "kompa­tibel" zur drohenden Praxis in den Staaten der EG ist. Ergo ließ Pre­mierminister Edouard Balladur den Staatsrat befragen: Ist man mit einem einfachen Gesetz in der Lage, Begehren auf Asyl im Namen des Abkommens von Schengen abzulehnen? Auf diese Fragestellung konnte das Gremium keine andere Antwort als "Nein" geben: Allein eine Verfassungsänderung könnte Frankreich von seiner Verpflichtung entbinden. Der weitere Weg ist faktisch vorgegeben: Der sozialistische Staats­präsident muß überzeugt werden, zur Abstimmung muß Francois Mitterand Nationalversammlung und Kongreß zu­sammenrufen. Um die Veränderung durchzubringen, braucht Balladur eine Dreiviertel-Mehrheit.

Höhere Hürden für Einbürgerung

An den Grenzen des Landes wird nach den Vorstellungen von Innenminister Charles Pasqua künftig strenger gefil­tert. Polizei und Behörden des Innenmi­nisteriums nehmen sich des Asylbewer­bers an, bevor er beim Flüchtlingsamt, dem Außenministerium unterstellt, einen Antrag stellen kann. Auf diese Weise soll herausgefunden werden, ob der Antrag tatsächlich begründet ist. Entfallen Fluchtgründe, oder werden wieder Beziehungen "nach Hause" ge­knüpft, soll die Aufenthaltserlaubnis widerrufen werden können. Auch der Weg der Einbürgerung erhält mehr und höhere Hürden. Das betrifft vor allem die traditionell stark vertretenen Bürger aus den ehemaligen afrikanischen Kolo­nien. Familienzusammenführung soll künftig heißen, daß nur noch eine ein­zige Ehefrau samt Kindern nachgeholt werden darf. Läßt sich der Mann schei­den oder verstößt er seine Frau, muß de­ren Nachfolgerin zwei Jahre warten. Auch Kinder werden betroffen sein. Nach den bislang gültigen Bestimmun­gen bekamen sie durch Geburt oder durch die in Frankreich verbrachte Ju­gend automatisch die Staatsbürger­schaft. In Zukunft muß der Interessierte im Alter zwischen 16 und 21 Jahren einen Antrag stellen. Ausländische Stu­denten können ihr Visum nicht mehr in eine Daueraufenthaltsgenehmigung um­wandeln. Innenminister Pasqua hatte be­reits im Juli eine "Null-Einwande­rung" als Ziel ins Auge gefasst, wohl wissend, daß diese vor allem aus öko­nomischen Gründen nicht zu verwirkli­chen ist. Das kann sich in Zukunft rä­chen.

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