Berufsverbote: Lasst Euch nicht einschüchtern!

von Elke Steven

Berufsverbote sind einer demokratischen Gesellschaft nicht angemessen. Sie stellen einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Menschenrecht auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit dar. So urteilte 1995 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte über die Entlassung einer Lehrerin trotz untadeliger Amtsführung.

Ein solches Demokratieverständnis ist dem Verwaltungsgericht Karlsruhe leider noch immer fremd. Mit Urteil vom 13. März 2006 bestätigte es die undemokratische und menschenrechtswidrige Berufsverbotspraxis des Landes Baden-Württemberg.

Seit Dezember 2003 wird der Realschullehrer Michael Csaszköczy aufgrund seines politischen Engagements vom Lehramt ausgeschlossen. Vorgeworfen wird. ihm seine Mitgliedschaft in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AI HD), nicht irgendein persönliches Fehlverhalten im Schuldienst oder außerhalb. Dagegen hatte er geklagt und unterlag in erster Instanz.

Das schriftliche Urteil stellt ein Armutszeugnis in Sachen Demokratie, Menschenrechte und Meinungsfreiheit dar.

  • Es basiert auf einer vor demokratischen Interpretation der „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums". Daraus wird die „umfassende Treuepflicht des Beamten" abgeleitet. Ein solches Verständnis des Berufsbeamtentums steht in einer absolutistischen Tradition, nach der die Beamten außerhalb der Geltung des Grundgesetzes stünden. In einer liberalen Demokratie ist jedoch auch das Beamtenrecht den Grundrechten der Verfassung nachgeordnet. Überdies haben alle Deutschen gemäß Art. 33 Abs. 2 GG gleiche Zugangsrechte zu öffentlichen Ämtern.
  • Der Geheimdienst wird zum unsichtbaren Herrn über die Zukunftsperspektive eines Menschen und damit der politischen Kultur in diesem Land. Das Gericht bestätigt, dass - quasi auf den ersten Blick - die „politisch linksorientierte autonome Szene" und die AI HD „positive und verfassungsgemäße Motive und Ziele" haben. Die ,,Wahrheit" bringt allein die geheimdienstliche Schnüffelei an den Tag, die selbst von Grund auf undemokratisch ist. Denn dem Verfassungsschutz zeigt sich, dass „in Wahrheit ein gewaltbereiter Antifaschismus mit System überwindender Stoßrichtung gepflegt wird". Schon erstaunlich, was ein kleiner lokaler Verein so alles vermögen soll. Das Gericht fragt nicht, was denn der Verfassungsschutz schnüffelnd, sammelnd und datenspeichernd bei legalen Vereinen und ihren Mitgliedern zu suchen hat. Es fragt auch nicht nach annähernd konkreten Belegen für die geheimdienstlichen „Erkenntnisse". Schon gar nicht geht es der Frage nach, wie denn ein Bürger seine „Unschuld" gegen solche geheimen Ermittlungen nachweisen soll.

Meinungsfreiheit ist zwar grundrechtlich geschützt, sie gilt gemäß diesem Gericht jedoch nicht für (angehende) Beamte und deren „Gesinnung". So kommt es zu dem Schluss, dass die Ausführungen der politischen Gruppen, in denen sich der Kläger engagiert - nicht seine eigenen - ,,die Grenzen einer legitimen Kritik unseres Staates und seiner Verfassung" ,,weit überschreiten". Bei jemandem, der engagiert ,,gegen Rechts und für friedliche Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht" streitet, lässt sich „eine tiefgreifend negative Einstellung gegenüber unserem Staat und seiner Verfassungsordnung nicht" ausschließen. Eine „formal korrekte Haltung seiner Beamten gegenüber dem Staat“ braucht einem Oberschulamt nach Meinung des Gerichts mit Recht nicht auszureichen. Folglich muss also die geheimdienstlich ermittelte Gesinnung in Hexenprozessen überprüft werden.

Auch das Land Hessen lehnte im Herbst 2005 die Einstellung von Michael Csaszköczy ab, obwohl Schulleitung und staatliches Schulamt sich für eine Einstellung entschieden hatten.

Joachim Jacobi, Staatssekretär im Hessischen Kultusministerium, kommentierte das baden-württembergische Urteil:·„Wer das Grundgesetz nicht achtet, hat in der Schule nichts verloren". Was aber ist mit Staatssekretären, Kultusministerinnen und Richtern, die das Grundgesetz nicht ausreichend kennen?

Der Weg durch die Instanzen ist zwar mühsam, kostenträchtig und lebenszeitraubend, aber Rechtsmittel gegen dieses Urteil sind unbedingt notwendig. Für unsere Demokratie gleichfalls notwendig ist es, sich in der eigenen politischen Arbeit nicht einschüchtern zu lassen!

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Elke Steven ist Soziologin und Referentin beim Komitee für Grundrechte und Demokratie in Köln.