Leserbrief

Betrifft: Perspektiven der Friedensbewegung

von Richard Steinhauser

Ist es so schwierig, die Ursache des Krieges zu finden? Wir brauchen keine strategische, sondern eine geistige Neu-Ausrüstung. Diese nennt Christine Schweitzer in Punkt 9 in “Abschaffung von Krieg und all seiner Ursachen“ (Friedensforum 3/2015, S. 20): Die Einstellung gegenüber Gewalt verändern – das ist das Herzstück von Friedensbildung, Friedenskonsolidierung und Konflikttransformation.

Frieden beginnt in den Köpfen der Menschen – deshalb muss auch der Frieden in den Köpfen der Menschen beginnen. In der Mehrheit der Köpfe, vor allem denen der sog. geistigen Elite in allen Lebensbereichen, herrscht das Denken: 'Kriege hat es immer gegeben' und das dualistische Denken, zum Frieden gehört der Krieg. Tag und Nacht ist ein Naturgesetz, Frieden und Krieg ist kein Naturgesetz! Von Heraklit (500 v. Chr.) stammt der Satz: „Der Krieg ist der Vater aller Dinge“, der als philosophische Rechtfertigung noch heute gilt. Dieser Satz wurde falsch übersetzt. Er muss heißen: „Der Konflikt ist der Vater aller Dinge“. Damit hatte er vollkommen recht. Menschliches Zusammenleben, ob privat oder gesellschaftlich-politisch, vollzieht sich in Konflikten. Im privaten Leben wird stets versucht, dies gewaltfrei durch den Dialog zu lösen. Im gesellschaftspolitischen Leben unter Staaten haben wir dies noch nicht erreicht. Warum?

Gewaltdenken, militärisches Denken ist die Ausgeburt der Ideologie des Militarismus. Dieses Denken hat sich zu den ABC-Waffen pervertiert; wir können uns selbst zerstören. Ist das der Sinn der Menschheitsgeschichte?

Was die Friedensbewegung viel zu wenig bedenkt: Wir leben in der Welt des real und global existierenden Militarismus und Kapitalismus. Der Militarismus ist ein Gewaltsystem und der Kapitalismus ein Schmarotzersystem. Die ganze Menschheit steckt im Teufelskreis der Gewalt und Ungerechtigkeit. Diese Ideologien, von Menschen erdacht zur Ausübung von Herrschaft und Gewalt, sind das Weltproblem Nr. 1. Sie müssen immer zusammen gesehen werden. „Die Probleme, die es in der Welt gibt, können nicht mit den gleichen Denkweisen gelöst werden, die sie erzeugt haben“. (A. Einstein)

Um leben zu können, braucht der Mensch keinen anderen Menschen zu töten, nicht einmal ein Tier. Warum führt er Kriege? Es gibt keine Rechtfertigung für den Militarismus. Um leben zu können, braucht der Mensch kein Millionär zu sein. Was tut er? Er erfindet ein Geldsystem, in dem man Multimillionär, ja sogar Multimilliardär werden kann. Es gibt keine Rechtfertigung für den Kapitalismus. Militarismus und Kapitalismus sind Lebenslügen. Sie sind das institutionalisierte Böse in der Welt. Wie sollen in den Strukturen des Bösen Frieden und Gerechtigkeit gedeihen? Unmöglich!

Zur Gewalt gibt es nur eine Alternative, die Gewaltfreiheit. Mit der Gewalt kann kein Kompromiss geschlossen werden. Die Gewaltfreiheit ist eine fundamentale Wahrheit. Zu ihr müssen wir uns vorbehaltlos bekennen. Das ist die erste Voraussetzung, um all die Probleme, die der Mensch selbst verursacht hat, gewaltfrei zu lösen. Nur so kommen wir aus dem Teufelskreis der Gewalt heraus. Den Kapitalismus überwinden wir nur, wenn wir danach trachten, dem Geld seine wesensgemäße, dienende Funktion zu geben. Dazu benötigen wir den gewaltfreien Dialog. Erst dann kommen wir aus dem Teufelskreis der Ungerechtigkeit heraus.

Den Ideologien des Militarismus und Kapitalismus fehlt jedes ganzheitliche Denken. Dieses gewinnen wir, wenn wir über uns selbst nachdenken. „Erkenne Dich selbst!“, gebot uns Sokrates (400 v. Chr.) Jeder Mensch ist ein einmaliges Wesen. Doch alle Menschen sind den gleichen Naturgesetzen unterworfen. Jeder Mensch ist ein historisches, soziales und personales Wesen. Jeder Mensch trägt Verantwortung gegenüber der Geschichte, der Gesellschaft und sich selbst. Der religiöse Mensch sieht sich als transzendentales Wesen in der Verantwortung vor Gott. Wer darüber nachdenkt, wird erkennen, dass wir alle Menschen sind, gleich welcher Rasse, Religion, Nation und Weltanschauung wir angehören. Jeder Mensch hat die gleiche Lebensaufgabe:Ich habe mein Leben auf unserer Erde so zu gestalten, dass noch weitere Generationen auf ihr leben können.

Unser grundlegendes Naturgesetz lautet: Alle Menschen waren Kinder und hatten Eltern. Wer kann die Liebe zwischen Mann und Frau, Eltern und Kindern rational erklären? Ein Schöpfer hat sie uns eingepflanzt. Die Liebe ist der Ursprung menschlichen Zusammenlebens. Gewalt endet, wo Liebe beginnt! Liebe ist das Herzstück von Friedensbildung, Friedenskonsolidierung und Konflikttransformation. Das ist die geistige Neu-Ausrüstung.

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