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Das Spiel mit dem Feuer
Biden verschärft die Konfrontation mit China
vonWir stecken in einer Thukydides-Falle, den unvermeidlichen Spannungen zwischen auf- und absteigenden Mächten, die in der Geschichte oft zu katastrophalen Kriegen geführt haben. Der als neuer Kalter Krieg bezeichnete Konflikt weist beunruhigende Parallelen zu den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg auf: Spannungen zwischen auf- und absteigenden Mächten, komplexe Bündnisstrukturen, ausgeprägte Nationalismen, territoriale Streitigkeiten, Wettrüsten mit neuen Technologien, internationale wirtschaftliche Integration und Wettbewerb, Autokratien und unberechenbare Akteure. Wie bei den Schüssen in Sarajewo 1914 könnte ein Zwischenfall, ein Unfall oder eine Fehlkalkulation zu einem Großmachtkonflikt und möglicherweise Atomkrieg eskalieren.
Die Streitkräfte der USA und Chinas, verstärkt durch ihre Verbündeten, stehen sich Auge in Auge in militärischen Konfrontationen um Taiwan, die Hegemonie im Südchinesischen/Westphilippinischen Meer und in geringerem Maße um die Senkaku/Diaoyu-Inseln im Ostchinesischen Meer gegenüber. Die Beziehungen zwischen den USA und China sind so schlecht wie noch nie seit der Erneuerung ihrer Beziehungen in den frühen 1970er Jahren. Trump, Biden und ihre Mandarine haben, geblendet von Selbstgerechtigkeit, einen giftigen nationalen Konsens geschmiedet: China stelle eine existenzielle Bedrohung für Freiheit und Demokratie auf der ganzen Welt dar. Deshalb müssten die USA es militärisch, diplomatisch, technologisch, wirtschaftlich und anderweitig aggressiv verteidigen.
In der Überzeugung, dass „China die größte langfristige Herausforderung für die USA darstellt", hat der Kongress den Haushalt des Pentagons gerade massiv auf 740 Milliarden Dollar aufgestockt. Dies beinhaltet die Anschaffung von mehr Kriegsschiffen, Kampfflugzeugen, Raumfahrt- und High-Tech-Waffen, angeblich um mit Pekings militärischer Modernisierung „Schritt zu halten" und ihr voraus zu sein. Die Ausgaben für die „Pacific Deterrence Initiative", mit der die militärische Eindämmung Chinas verstärkt werden soll, wurden um 300 % erhöht. Das Haushaltsgesetz enthielt auch eine „Stellungnahme des Kongresses zu den Verteidigungsbeziehungen zu Taiwan", mit der die Beschränkungen für die militärischen Beziehungen der USA zu Taiwan praktisch aufgehoben wurden. Trotz der Erklärung der Ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats, dass ein Atomkrieg nicht gewonnen werden kann und niemals geführt werden darf, bereitet sich Washington weiterhin auf einen Atomkrieg vor, da es befürchtet, dass die Verabschiedung einer nuklearen No-First-Use-Doktrin im Rahmen der Nuclear Posture Review eine Einladung an Peking zu einer Invasion Taiwans sein würde.
Hintergründe
Der Nobelpreisträger William Faulkner schrieb: „Die Vergangenheit ist nicht tot. Sie ist nicht einmal vergangen". Die Wurzeln der heutigen amerikanisch-chinesischen Krise liegen in der Manifest Destiny-Ideologie, die die Eroberung und Konsolidierung des nordamerikanischen Imperiums, die koloniale Expansion und die Entwicklung der US-Marine vorantrieb. Inspiriert von Admiral Mahans geopolitischen Erkenntnissen über den Einfluss der Seemacht, bauten die USA in den 1890er Jahren eine imperiale Marine auf. Mit der großen Depression in jenem Jahrzehnt wuchs die Nachfrage nach Zugang zu ausländischen Märkten, um Fabriken rund um die Uhr am Laufen zu halten, Arbeiter*innen zu beschäftigen und den sozialen Frieden zu sichern. Die US-Führung suchte daher Zugang zum „heiligen Gral des Kapitalismus": dem chinesischen Markt. Da die USA Bekohlungsanlagen für dampfgetriebene Handels- und Kriegsschiffe benötigten, um China zu erreichen, eroberten sie 1898 die Philippinen, Guam und Samoa und annektierten Hawaii. Im Wettbewerb mit den europäischen Kolonialmächten verschaffte sich Washington mit seiner Politik der „Offenen Tür" im Jahr 1900 Zugang zu den chinesischen Territorial-„Konzessionen".
Heute ist der Wettbewerb zwischen den USA, Großbritannien und Japan um die Vorherrschaft im asiatisch-pazifischen Raum Anfang des 20. Jahrhunderts weitgehend vergessen. Anders als in Europa, wo es darum ging, die nationalsozialistische und faschistische Gewaltherrschaft zu besiegen, war der Zweite Weltkrieg in Asien und im Pazifik ein Krieg zwischen konkurrierenden Imperien. Japan verlor. Das britische Imperium brach zusammen. Und der Pazifik wurde zu einem amerikanischen Meer. Die Hegemonie der USA im asiatisch-pazifischen Raum blieb bis zum Aufstieg Chinas mit seiner Reform- und Öffnungsrevolution weitgehend unangefochten.
Chinas wirtschaftlicher Wandel diente als Grundlage für seine aggressive Diplomatie und sein zunehmend fortschrittliches Militär. Es spielte keine Rolle bei der Aushandlung dessen, was die Regierung Biden als „regelbasierte Ordnung" bezeichnet. Es überrascht nicht, dass Pekings Führung, um den Interessen ihrer Eliten und der Wahrnehmung der nationalen Interessen Chinas zu dienen, versucht hat, Regeln, die sie als ungerecht empfindet und von denen die G-7 profitiert, zu revidieren, wenn nicht gar aufzuheben. Chinas zunehmende Integration der asiatischen und pazifischen Volkswirtschaften, seine „Belt and Road"-Initiative, sein aggressives Vorgehen im Südchinesischen/Westphilippinischen Meer und seine Fähigkeiten zur Raumverteidigung aus der Luft und im Cyberspace stellen Washingtons Dominanz in der wirtschaftlich wichtigsten Region der Welt zunehmend in Frage.
Trump und Biden
Mit seiner Nationalen Verteidigungsstrategie 2018 hat Trump die von Obama eingeschlagene Asien-Pazifik-Orientierung noch einmal bekräftigt. Die Strategie reduzierte das militärische Engagement der USA und der NATO im Nahen Osten und stellte die Planung für einen möglichen Großmachtkrieg in den Vordergrund. Biden hat inzwischen seine vorläufigen strategischen Leitlinien herausgegeben, die eine Erweiterung von Trumps Leitlinien darstellen. China bleibt ein „strategischer Konkurrent". Die Vorbereitungen auf einen möglichen Krieg gegen China (in geringerem Maße auch gegen Russland) haben für das Pentagon und die gesamte Regierung weiterhin Priorität. Kurt Campbell, der federführende Autor der Obama-Pivot-Strategie, ist im Nationalen Sicherheitsrat für die Planung der US-Politik im indopazifischen Raum zuständig und leitete die Verhandlungen über das amerikanisch-australisch-britische Nuklearbündnis AUKUS. Erwähnenswert ist auch die Verletzung des Atomwaffensperrvertrags durch die Allianz und die Ermutigung militaristischer Kräfte in Japan, Südkorea und anderen US-Verbündeten, gleichen Zugang zu diesen US-Atomwaffensystemen zu fordern.
Angefangen mit der Entsendung einer Flugzeugträgerflotte ins Südchinesische Meer innerhalb weniger Tage nach Bidens Amtsantritt hat sich die Regierung an provokativen Militäroperationen beteiligt. Die arrogante Haltung der Regierung gegenüber China wurde im Vorfeld des Mini-Gipfels zwischen den USA und China im März 2021 in Anchorage durch die Konfrontation vorweggenommen. Und bei der offiziellen Verabschiedung der NATO-Doktrin „NATO 2030“ im Juni wurde die Eindämmung Chinas zu einer der beiden Prioritäten des Bündnisses.
Eine Änderung ist Bidens Absicht, die militärische Macht der USA durch Allianzen zu verstärken. Die Premierminister Japans und Südkoreas waren die ersten ausländischen Staatsoberhäupter, die Biden nach Washington einlud. Blinken und Austin trafen sich mit ihren QUAD-Verbündeten, bevor sie in Anchorage ihren chinesischen Amtskollegen gegenüberstanden. Und es wurde ein QUAD-Gipfel einberufen. Biden bekräftigte das "eiserne" Bekenntnis der USA zu ihrem Bündnis mit Südkorea, ihre militärische Unterstützung für Japans Ansprüche auf die Senkaku/Diaoyu-Inseln und die militärische Verteidigung der philippinischen Meeresinteressen.
Taiwan
Taiwan ist der gefährlichste Krisenherd im Indo-Pazifik. Keine der beiden Seiten will einen Krieg, aber Unfälle und Fehlkalkulationen kommen vor. Im Gegensatz zu früheren US-One-China-Verpflichtungen, die den Status quo bewahrt haben, lautet der neue Konsens in Washington, dass Taiwan vollständig in die US-Sphäre integriert werden müsse.
Die Unterstützung der liberalen Demokratie Taiwans durch die USA ist eine der Hauptursachen für die Spannungen mit dem autoritären China, aber auch geostrategische Ambitionen stehen im Mittelpunkt der Spannungen auf der Insel. Wie Kuba, das 90 Meilen von Florida entfernt ist, liegt Taiwan 100 Meilen vom chinesischen Festland entfernt. Die Insel gilt daher als Ort chinesischer militärischer wie auch politischer Verwundbarkeit. Taiwan ist außerdem die weltweit führende Quelle für hochentwickelte Halbleiter, von denen die Volkswirtschaften der USA, Chinas und Japans abhängen. Dies macht die Insel zu einer begehrten strategischen Beute.
China hat seine rote Linie zu Taiwan bekräftigt. Obwohl China eine friedliche Wiedervereinigung mit seiner, wie es sagt, „abtrünnigen Provinz" (die 1661 erobert wurde) bevorzugt, hat es erklärt, dass es militärisch reagieren wird, wenn Taipeh irreversible Schritte in Richtung de jure Unabhängigkeit unternimmt. Die chinesische Führung ist sich darüber im Klaren, dass im Gegensatz zu Hongkong die Herzen und Köpfe der Einwohner*innen Taiwans zuerst gewonnen werden müssen, wenn ein längerer und möglicher Widerstand vermieden werden soll, höchstwahrscheinlich durch eine vertiefte wirtschaftliche Integration.
Biden und Blinken spielen mit dem Feuer. Zum ersten Mal seit der Erneuerung der amerikanisch-chinesischen Beziehungen im Jahr 1979 wurde Taiwans amtierender Botschafter in den USA zur Amtseinführung des Präsidenten im Januar eingeladen. Trotz der Tatsache, dass Taiwan militärisch nicht verteidigt werden kann, haben Blinken und Austin Washingtons „felsenfestes" Engagement für die nationalistische Regierung des Landes gepriesen. Und ein Gesetz, das demnächst vom Kongress verabschiedet werden soll, wird das diplomatische Ansehen Taiwans in den USA erhöhen - ein grober Verstoß gegen die Ein-China-Politik. All dies, obwohl Umfragen zeigen, dass eine Erhöhung der US-Verpflichtungen zur Verteidigung Taiwans die taiwanesische Unterstützung für die Unabhängigkeit gefährlich anheizt und Chinas rote Linie bedroht.
Biden hat wiederholt Kriegsschiffe in die Meerenge von Taiwan entsandt. Eine „inoffizielle" Delegation ehemaliger Spitzenbeamt*innen wurde zu einem Treffen mit hochrangigen taiwanesischen Politikerinnen entsandt. Die Richtlinien, die US-Diplomat*innen daran hindern, ihre taiwanesischen Kolleg*innen zu treffen, werden derzeit überarbeitet, um solche Treffen zu fördern. Und die Gespräche über die Einrichtung einer ständigen US-Marinepräsenz in der Nähe von Taiwan gehen voran.
China ist nicht unschuldig. Abgesehen von seinen Menschenrechtsverletzungen hat sein Militär Biden begrüßt, indem es wiederholt Kampfflugzeuge in Taiwans Luftraum und Kriegsschiffe in taiwanesische Gewässer schickte. Es mischte sich in Taiwans Bemühungen ein, Covid-Impfstoffe zu erhalten. Und Generalsekretär Xi betonte anlässlich des 100. Jahrestages der Kommunistischen Partei Chinas die Bedeutung einer „friedlichen Wiedervereinigung" mit Taiwan.
Geopolitisches Zentrum des Kampfes um die Weltmacht
Die Situation im Südchinesischen/Westphilippinischen Meer ist nicht besser, da das Pentagon anerkennt, dass Chinas wichtigste Militärdoktrin die „strategische Verteidigung" ist. Umgeben von Hunderten von US-Militärstützpunkten und der 7. Flotte der US-Marine und unter Missachtung der legitimen Gebietsansprüche anderer Nationen und des Völkerrechts hat China seinen Verteidigungsradius im Südchinesischen Meer ausgeweitet und beansprucht die Souveränität über 80 Prozent des Südchinesischen Meeres sowie den Bau von Militärstützpunkten auf umstrittenen Inseln.
Die riesigen Erdölvorkommen im Südchinesischen Meer machen es zur viertgrößten Erdölreserve der Welt. Der Meeresboden birgt große Mengen an Erdgas und anderen Mineralien. Von noch größerer strategischer Bedeutung ist, dass das Meer an Seewegen liegt, über die 40 Prozent des Welthandels abgewickelt werden, einschließlich der fossilen Brennstoffe, die die Wirtschaft Chinas, Japans und Südkoreas antreiben. Wie die Straße von Hormuz im Persischen Golf im 20. Jahrhundert ist das Meer die Hauptschlagader der dynamischsten Volkswirtschaften der Welt. Würden die Straße von Malakka oder andere Seewege blockiert, würde die Wirtschaft der Region zusammenbrechen. Das Meer ist somit zum geostrategischen Zentrum des Kampfes um die Weltmacht geworden.
Die Präsidenten Obama, Trump und Biden haben den Widerstand gegen Chinas Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer gefördert und häufige und provokative Vorstöße in die Nähe von Chinas umstrittenen Inselstützpunkten unternommen, die der „Freiheit der Schifffahrtswege" dienen. Die Chinesen empfinden dies als „maximalen Druck", dem sie entschlossen widerstehen.
Im Einklang mit ihrer Bündnisstrategie wird die 7. Flotte von britischen, französischen, deutschen, niederländischen und japanischen Kriegsschiffen unterstützt. Auch China führt provokative Marineübungen durch, wobei die offensivste die Entsendung von mehr als 200 Schiffen ist, um den Zugang zum Pfingstriff in der ausschließlichen Wirtschaftszone der Philippinen zu blockieren.
Wie bei den provokativen Militäroperationen um Taiwan könnte ein Zwischenfall, ein Unfall oder eine Fehlkalkulation im Südchinesischen Meer einen verheerenden Krieg auslösen.
Alternativen der gemeinsamen Sicherheit
Ein Kalter Krieg mit China oder, schlimmer noch, ein heißer und möglicherweise nuklearer Krieg, stellen existenzielle Bedrohungen dar. Anstatt dass die USA, Japan, die NATO und China potenziell tödliche Spannungen anheizen, erfordert das Überleben der Menschheit - einschließlich der Eindämmung des Klimawandels - die Überwindung von Partikularinteressen und die Suche nach diplomatischen Lösungen für strittige Fragen.
Wie wir aus dem Bericht der Palme-Kommission von 1982 über die gemeinsame Sicherheit gelernt haben, der das Paradigma lieferte, das zum INF-Vertrag führte und den Kalten Krieg beendete, bevor die Berliner Mauer fiel, kann Sicherheit nicht durch ein spiralförmiges Wettrüsten erreicht werden. Sie kann nur durch die Schaffung von gegenseitigem Vertrauen und eine für beide Seiten vorteilhafte Diplomatie erreicht werden. Gemeinsame Sicherheit ist kein Frieden, aber sie kann einen katastrophalen Krieg verhindern und den Weg für nukleare Abrüstung, Zusammenarbeit bei Klimakrisen und Kooperation bei künftigen Pandemien ebnen.
Forderungen der Friedensbewegung
- Die Verabschiedung einer "No First Use"-Nuklearkriegsdoktrin durch die USA, die der chinesischen Doktrin entspricht, erneute militärische Konsultationen zwischen den USA und China und eine Vertiefung des strategischen Sicherheitsdialogs.
- Beendigung aller provokativen militärischen Machtdemonstrationen.
- Einhaltung der Ein-China-Formel und Förderung der chinesisch-taiwanesischen Verhandlungen.
- Einbindung des ASEAN-Regionalforums zur Erneuerung der multilateralen Verhandlungen zwischen den USA, China und der ASEAN, die zu einem verbindlichen südostasiatischen Verhaltenskodex für das Südchinesische/Westphilippinische Meer und zur gemeinsamen Erschließung der Bodenschätze des Meeres führen sollen.
- Rüstungskontrollvereinbarungen im Einklang mit dem Ziel, eine atomwaffenfreie Welt zu schaffen.