Atomwaffen

BürgerInnen wollen Atomwaffenverbot

von Valentine Burkart
https://www.icanw.de/neuigkeiten/bevoelkerung-fuer-beitritt-zu-atomwaffenverbot-unterzeichnung-ab-dem-20-september-2017/

Seit dem 20. September, wenige Tage vor der Bundestagswahl, liegt der Vertrag zum Verbot von Kernwaffen bei den Vereinten Nationen in New York zur Unterzeichnung aus. Nach Meinung von 71% der deutschen BürgerInnen sollte die neue Bundesregierung ihre bisherige Blockadehaltung aufgeben und dem Abkommen beitreten. Über die atomare Frage im Wahlkampf.

Der 20. September 2017 markiert für Friedensorganisationen weltweit ein historisches Ereignis. Von diesem Tag an liegt der Vertrag zum Verbot von Kernwaffen bei den Vereinten Nationen zur Unterzeichnung aus. Seine Verabschiedung im Juli ist, nach fast 20 Jahren Stillstand der multilateralen Gespräche zur Atomwaffenfrage, keine Selbstverständlichkeit. In Zeiten drohender nuklearer Eskalation wurde der Vertrag in Abwesenheit der Atomwaffenstaaten über mehrere Monate vorbereitet und verhandelt. Er wurde mit 122 Ja-Stimmen beschlossen und tritt nach der Ratifizierung durch 50 Staaten in Kraft.

Der Vertrag wird von ExpertInnen als Rebellion gegen ein undemokratisches internationales System verstanden, in dem Staaten ihre Machtposition auf atomare Abschreckung stützen. Die Herstellung, der Einsatz, sowie der Besitz und die Stationierung von Atomwaffen werden durch den Vertrag ebenso völkerrechtlich geächtet und verboten wie die bloße Androhung ihres Einsatzes. Diese Maßnahmen stehen im Einklang mit dem Nichtverbreitungsvertrag (NVV) und dem bereits bestehenden humanitären Völkerrecht. Obwohl die nukleare Abschreckungsstrategie bis heute zentraler Bestandteil des Problems ist, wollen die Atomwaffenstaaten und die Mitglieder der Nato, darunter auch Deutschland, an ihr festhalten.

Währenddessen eskaliert der Konflikt zwischen den USA und Nordkorea weiter. Die jüngsten Provokationen drohen die Welt an den nuklearen Abgrund zu treiben.

Das Unvorstellbare, der Einsatz von atomaren Sprengkörpern, rückt plötzlich in bedrohliche Nähe. Dass den Deutschen „unvorstellbar“ nicht länger ausreicht, zeigt ihre Forderung nach einem völkerrechtlichen Verbot, damit der Einsatz „unmöglich“ wird. Das geht aus einer Anfang September veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov hervor. Im Auftrag der deutschen Sektion der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) wurde die repräsentative Umfrage erstellt. Das Ergebnis: 71 Prozent der WählerInnen sind für den Beitritt Deutschlands zu dem internationalen Abkommen zum Verbot von Kernwaffen. Damit stellen sich die Deutschen ganz klar gegen die Haltung der bisherigen Bundesregierung.

Sobald der Vertrag in Kraft tritt, verstößt Deutschland durch die Lagerung von US-amerikanischen Atomwaffen in Büchel gegen geltendes Völkerrecht. Martin Schulz’ Äußerung, im Falle seiner Wahl zum Kanzler den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland voranzutreiben, hatte die BürgerInnen wieder für das Thema sensibilisiert. Viele Parteien, darunter die Grünen, Linken, SPD und FDP, teilten dieses Wahlversprechen, sich für ein Ende der Stationierung der Atomwaffen stark zu machen. Bereits im Jahr 2010 haben sich ihre Fraktionen (und auch die Union) im Bundestag für den Abzug der US-Atomwaffen ausgesprochen und die Bundesregierung aufgefordert, sich in der Nato und bei den USA dafür einzusetzen. Dennoch lagern bis heute rund 20 Atomwaffen in Büchel, die in naher Zukunft modernisiert werden sollen.

Dem Verbotsvertrag beitreten wollen jedoch nur wenige Parteien. Ginge es nach den BürgerInnen, müsste die neue Bundesregierung ihre Blockadehaltung zum Atomwaffenverbot aufgeben und den Vertrag ratifizieren. Unter den AnhängerInnen aller Parteien lässt sich in der Umfrage diese deutliche Meinung feststellen: 76 Prozent der Unions-WählerInnen sind für den Beitritt, bei der SPD sogar 83 Prozent. Bei den Linken sind es 79, bei den Grünen 85 Prozent. Auch die FDP-WählerInnen zeigen in der Umfrage eine ähnliche Tendenz. Die TeilnehmerInnen wurden vorab über die Abwesenheit Deutschlands bei den Verhandlungen informiert, ebenso über die enthaltenen Regelungen und die Zahl der Staaten, die den Vertrag verabschiedet haben. Somit wenden sich die WählerInnen bewusst gegen die Haltung der Bundesregierung.

Der starke Widerstand der Atomwaffenstaaten verdeutlicht, dass sie um die Auswirkungen des Vertrags wissen. Das Beispiel der Niederlanden, die als einziger NATO-Staat an den Verhandlungen teilgenommen, aber gegen den Vertrag gestimmt haben, zeigt jedoch eindrücklich, dass ein demokratisches Parlament, wenn es den Willen des Volkes vertritt, die Regierung dazu bringen kann, sich dieser wichtigen Frage - entgegen dem Druck anderer Staaten - zu stellen. 

Bisher hatte sich die Bundesrepublik noch nie multilateralen Gesprächen zur Rüstungskontrolle verweigert. Es bleibt zu hoffen, dass die neuen Bundestagsabgeordneten dem Willen der BürgerInnen nachkommen und dafür sorgen, dass Deutschland dem Atomwaffenverbots-Vertrag beitritt.

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Hintergrund
Valentine Burkart ist Praktikantin bei der IPPNW und engagiert sich bei der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN). Sie studiert Politikwissenschaften in Brüssel.