Bundestag: Erste Lesung zum Parlamentsbeteiligungsgesetz

von Martin Singe

Ende März 2004 fand im Bundestag die 1. Lesung zum Parlamentsbeteiligungsgesetz statt. Es geht um die Frage, wie das Parlament an der Entsendung der Bundeswehr in weltweite Kampfeinsätze beteiligt wird. Wesentliches Ziel der Gesetzgebung ist die Vereinfachung der Zustimmungsmodalitäten. Die Regierung soll mehr Macht erhalten, das Parlament soll so niedrigschwellig, wie verfassungsmäßig gerade noch nötig, beteiligt werden.

Minister Struck hatte bereits im Oktober 2003 bei einem virtuellen Kriegsmanöver in den USA (Manöverkosten 7 Mio. US$) gelernt, dass die Entscheidungsabläufe für Bundeswehreinsätze für internationale Anforderungen zu langsam sind: Die von den USA 2002 geforderte NATO Response Force (NRF), die 2006 mit 21.000 Mann voll einsatzbereit sein soll, soll innerhalb weniger Tage am Einsatzort sein können. Deshalb forderte Struck nach seiner Rückkehr die Bildung eines Parlamentsausschusses für solche Entscheidungen. Struck wurde natürlich zurückgepfiffen, da ein solcher Ausschuss zu plump verfassungswidrig wäre. Im out-of-area-Beschluss hatte das Bundesverfassungsgericht 1994 gefordert, dass die Bundeswehr ein Parlamentsheer bleiben müsse. Die Entsendemodalitäten könne der Gesetzgeber jedoch eigenständig festlegen. Dies geschieht nun 10 Jahre später. Die wichtigsten Punkte des neuen Gesetzes betreffen die Beschleunigung der Entsendung. Grundsätzlich genügen einfache Mehrheitsentscheidungen - vor dem 94er-Beschluss galt es als Gemeingut, dass mindestens 2/3-Mehrheiten nötig seien. Planungs- und Vorbereitungsmaßnahmen gelten lt. Gesetzentwurf nicht mehr als zustimmungsbedürftige Entsendung. Der Bundestag soll Entsendeanträgen der Regierung nur zustimmen oder diese ablehnen, aber nicht abändern können. Einsätze "von geringer Bedeutung" (sehr unpräzise!) bedürfen nur eines vereinfachten Zustimmungsverfahrens. Die Regierung verkündet den Beschluss zum Einsatz, der rechtskräftig ist, falls nicht innerhalb von 7 Tagen mindestens 5% der Parlamentarier widersprechen. In den Verteidigungspolitischen Richtlinien wurde übrigens ausdrücklich darauf hingewiesen, wie schnell kleine, unbedeutende Einsätze in große Militäraktionen übergehen können und dass in diesem Bereich nichts vorab berechenbar ist! Vor allem kann die Bundesregierung lt. Gesetzentwurf bei "Gefahr im Verzug" selbstständig über Kriegseinsätze entscheiden. Dies wird dann bei schnellen Einsätzen der NRF oder der EU-Eingreiftruppe wahrscheinlich oft der Fall sein. Der Bundestag wird dann nach Kriegsbeginn informiert und hat lediglich noch ein Rückholrecht. Der Gebrauch davon würde natürlich einen herben Affront bzw. den Misstrauensantrag gegen die eigene Regierung bedeuten: Dass die als Parteisoldaten geübten Parlamentarier den Mut zur Truppenrückholung in solchen Fällen aufbringen könnten, ist wohl mehr als unwahrscheinlich. Selbst Soldaten - natürlich die kritischen des Darmstädter Signals - haben Einspruch gegen den Gesetzentwurf erhoben. Auch sie sehen die Gefahren unzulässiger Einschränkung der Parlamentsbefugnis, die Gefahr der Aushöhlung des parlamentarischen Vorbehalts hinsichtlich der Einsätze "von geringer Bedeutung" und die Nicht-Anwendbarkeit der Rückholklausel, da sie praktisch einen Regierungssturz bedeuten würde (lt. Pressemitteilung des DS vom 15.3.04).

Die Widrigkeiten dieses Gesetzentwurfes müssen auch in breiteren Kreisen der Friedensbewegung erst noch bekannt gemacht werden. Veranstaltungen, Podiumsdiskussionen etc. dazu sollten in nächster Zeit organisiert werden, vielleicht auch zusammen mit Soldaten!

Ausgabe

Rubrik

Hintergrund
Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".