Renaissance der Friedensbewegung?

Bush in Berlin

von Heinz Kappei
Initiativen
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Im Hochsicherheitstrakt - geschützt von 11.000 Polizisten - war der mächtigste Mann der Welt bei seinem Besuch in Berlin am 22./23. Mai faktisch bewegungslos. Demgegenüber demonstrierten zehntausende friedliche Menschen an drei Tagen gegen seine verheerende Kriegs-, Außen- und Umweltpolitik und hielten den Bezirk Mitte besetzt.

Die spannenden Tage in Berlin sind vorbei. Drei Tage hielt Berlin den Atem an. Die kreativen und friedlichen Proteste machten den von Teilen der Medien und Politikern herbeigeredeten Krawallen (Genau!) und der beabsichtigten Kriminalisierung der Friedens- und Globalisierungskritikerbewegung einen großen Strich durch die Rechnung.

Wie kam es dazu?
Schon Mitte März, als der Besuch des Präsidenten bekannt wurde, gab es sofort ein erstes Aktionstreffen, auf dem sich in Anspielung auf Bushs "Achse-des-Bösen" die "Achse-des-Friedens" gründete. Da der auf einem nachfolgenden bundesweiten Treffen verabschiedete Aufruf "Stoppen Sie ihre Kriege, Herr Präsident" die ökonomischen Gründe der aktuellen Kriegspolitik aussparte, formulierten wir eine eigene Berliner Erklärung. Als Bonmot für Kanzler Schröder endeten wir mit: "Der Frieden ist der Ernstfall" (Alt-Bundespräsident Gustav Heinemann).

Ein breites Bündnis bis tief in die Gewerkschaften, Kirchen und auch beide Regierungsparteien sollte aufgebaut werden. Ziel war es, die unilateristische Außenpolitik der USA in ihrem angeblichen,Kampf gegen den internationalen Terrorismus`, den bevorstehenden Krieg gegen den Irak sowie den uneingeschränkten "Schwachsinn" der rot-grünen Bundesregierung zum Mittelpunkt unserer Kritik zu machen. Die Ostermärsche und der 1. Mai sollten als breite Aktivierungs-Phase genutzt werden.

Durch ein borniertes Gruppen-Interesse kam es hinsichtlich der noch nicht verarbeiteten Dissonanzen der letzten bundesweiten Aktion am 13. Oktober zu kräftigen Kontroversen und führte dazu, das IPPNW und PAX Christi sich auf einen Beobachterstatus zurückzogen und somit ein bundesweites Rumpf-Koordinierungsgremium übrig blieb. Pfingst-Camps von Jugend-Organisationen wurden dazu benutzt, um die bundesweite Demo auf einen Werktag (Dienstag, 21. Mai) zu legen.

Das mögliche gesellschaftliche Spektrum (siehe eine Spiegel-Umfrage von Mitte Mai) wurde somit stark eingeschränkt und verantwortungslos verschenkt.

Um so überraschender war es dann, dass sowohl die PDS als auch Bündnis 90/Die Grünen eigene Auftaktkundgebungen veranstalteten. Ein interfraktioneller Aufruf aus dem Bundestag - sogar mit einigen SPD-MdBs - mobiliserte zusätzlich.

Warum keine Gewalt?
Bei den Vorgesprächen mit der Polizei wurde schon schnell deutlich, dass trotz des überdimensionierten Polizei-Aufgebotes das Deeskalationskonzept des rot-roten Senates - gerade am 1. Mai ausprobiert - weiter gefahren werden sollte. In jeder Presse-Erklärung und anderen öffentlichen Äußerungen betonten wir den friedlichen Charakter unserer Demonstrationen. Dies führte dazu, dass unser Anliegen als "Achse-des-Friedens" auch inhaltlich in den Medien - zum Teil ausführlich - behandelt wurde. Eine bundesweite Groß-Demo mit ca. 70.000 Menschen am Vorabend des Besuches mit den Hauptrednern Jean Ziegler und Generalsuperintendent Wischnath aus Cottbus sowie den Liedermachern Konstantin Wecker und David Robic, eine weitere Demo mit 25.000 Menschen am 1. Tag des Besuches, ein inter-konfessionelles Gebet vor dem Berliner Dom, eine 24-stündige Mahnwache der "Frauen in Schwarz" sowie dezentrale, zivile Aktionen wie die Besetzung des S-Bahnhofes Alexanderplatzes und eine Spaß-Demo mit dem Titel "Cowboys für den Frieden" rundeten die Veranstaltungen ab. Einzig 200 "durchgeknallte Autonome" mussten für FOCUS, BILD und BZ eine US-amerikanische Flagge abbrennen.

Selbst parlamentarisch bewegte sich während der Rede von Mr. Bush etwas. Karsten Hübner (PDS) und Christian Ströbele (Grüne) blieben der angeblich historischen Rede von Bush gleich ganz fern. 3 PDS-Abgeordnete hielten ein Transparent mit "Stop your wars, Mr. Bush und Mr. Schröder" hoch, was ihnen aber gleich wieder entrissen wurde. Um so peinlicher war es dann, dass der PDS-Franktionsvorsitzende Claus sich dann später bei Bush dafür entschuldigte und seine Partei nachfolgend in eine kleine Krise gestürzt hat.

Sonderproblem PDS
Schon nach Ostern wurde in der Vorbereitungsgruppe beschlossen, dass wegen des laufenden Bundestags-Wahlkampfes keine Parteien-Redner auf der Abschlusskundgebung auftreten sollten. Die PDS versuchte wochenlang diesen Konsens aufzubrechen. Denn wir gingen davon aus, wenn nur ein PDS-Redner reden würde, hätten wir den Spagat nach gesellschaftlicher Breite uns ersparen können und das Ganze wäre als PDS-Veranstaltung diffamiert worden. Anscheinend gibt es in der PDS noch immer keine Debatte über das Verhältnis von Partei und gesellschaftlicher Bewegung.

Wenn sie nicht reden dürfen, fühlen sie sich beleidigt und ausgegrenzt, obwohl sie jede Möglichkeit der Mitarbeit in der Friedensbewegung haben und dies in Berlin auch ausdrücklich erwünscht wird. Dies schließt aber jede Dominanz aus.

Fazit
Trotz der überraschend hohen Teilnehmerzahl an den Demos und einer guten Pressearbeit ist es in der Irak-Frage nicht gelungen, nachzuweisen, dass der Irak kaum Massenvernichtungswaffen (was Bush und Schröder behaupten) hat. Ehemalige UN-Beauftragte wie Hans von Sponeck und Jutta Bürghardt haben an dieser Stelle als Experten gefehlt. Trotz aller Bemühungen gelang es nicht, einen promineten US-amerikanischen Redner zu gewinne, um dem Totschlag-Argument "Anti-Amerikanismus" zu begegnen. Eine weitere inhaltliche Schwäche war es, den 11.9. in beiden Aufrufen fast zu vergessen und ausschließlich die Kriegsführung und die dahinter liegenden ökonomischen Interessen zu benennen. Die neue Bush-Doktrin der Verletzung aller Regeln des Völkerrechts hin zu einem neuen republikanischen Fundamentalismus wurde kaum herausgearbeitet.

Zwar ist in Teilmomenten unsere Botschaft in der Begrüßungs-Rede von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse in Fragen der Armut in der Welt und einer Neuorientierung der Entwicklungshilfe aufgenommen worden, doch blieb die rot-grüne Bundesregierung in ihrer hilflosen Position der uneingeschränkten Unterordnung gegenüber der Bush-Administration. Der Koordinator der deutsch-amerikanischen Beziehungen, Karsten D. Voigt, wurde an die Medienfront geschickt und blieb beinhart bei seiner unbeweglichen Position der Kriegsbeteiligung.

Das Ziel, mit den Aktionen rund um den Bush-Besuch den laufenden Bundestags-Wahlkampf in den Fragen der Kriegs- und Außenpolitik der Schröder/Fischer-Regierung zu politisieren, ist trotz des breiten Protestes nicht aufgegangen.

Immerhin besteht von seiten der Friedensbewegung die Möglichkeit, den 1. Jahrestag des 11.9. - 10 Tage vor der BT-Wahl sehr, sehr groß in ihrem Terminkalender aufzunehmen.

Wir wissen es ja: Im Kanzleramt wird darum gezittert, das die USA erst am 22.9. um 18.01 Uhr mit dem großen Schlag gegen den Irak beginnen werden.

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Heinz D. Kappei (Bericht über Berlin) ist aktiv in der Berliner Initiative „Legt den Leo an die Kette“