Unterhaltungsmedien

Computerspiele und Militarisierung

von Jenny Becker

Die Computerspielbranche hat international inzwischen den gleichen Umsatz wie die Filmindustrie. (1) Das interaktive Element in Unterhaltungsmedien ist für die Hauptzielgruppen (junge Leute bis 40 Jahre, weiblich und männlich) so normal wie das so genannte Web 2.0, das „mitmach-web“. Kino ist zunehmend out, Filme werden gestreamt und das Gros der Computerspielprodukte wird online gespielt und abonniert.

Auch Spielfilme nutzen daher zunehmend Games-Elemente, um die Gamer als Filmzielgruppe mitzubedienen: etwa das Aufprallen von Faust/Baseballschläger/Gewehrkugel in Zeitlupe mit entsprechendem Einschlag und Auswirkung – langsamem Fliegen von Speichel/Blut/Gehirnmasse durchs Bild; oder auch die Darstellung in Zeitlupe besonders ästhetischer Bewegungsabläufe in Kampfszenen aus besonderer 3D-Perspektive und mit entsprechenden Sound-Effekten.

Insider sehen das Ende des Mediums Film zugunsten der Videogames nahen.

Die Filmindustrie wird schon immer als Propaganda-Kanal von Nationen genutzt und entsprechend vor allem von Verteidigungsministerien oder Militär, wenn auch intransparent, finanziell unterstützt. (2) Jeder kennt entsprechende Produkte aus den USA, wo der Held – ein einsamer, glorreicher Soldat/Söldner/Geheimagent sich unerschütterlich für seine Nation mit wahlweise Russen/Chinesen/irgendwelchen Nahost-Bewohnern oder „Jugos“ (Serben, Albanern, Kosovaren etc.) bekämpft. Es geht stets um die Verteidigung nationaler Sicherheitsinteressen.

Selbstverständlich wird das gut funktionierende Konzept zur Stärkung nationaler Einheitsgefühle durch Aufrechterhaltung gemeinsamer Feindbilder auf die Videogamebranche übertragen.

Ebenso wie neueste Militärentwicklungen oder -einkäufe in Hollywood-Blockbustern abgefeiert werden, gibt es diese militärischen sogenannten Product-Placements natürlich auch in Videogames. Und auch Narrative, die ein altgedientes Mittel in Medien generell zur Beeinflussung der KonsumentInnen darstellen (3), werden entsprechend eingesetzt.

Gewaltdarstellung
Die Kritik in Deutschland in punkto Videogames bezieht sich primär auf die Darstellung von Gewalt, da die Gamer die Gewalt nicht nur anschauen (wie in einem Film), sondern virtuell selber ausführen (allen voran im First-Person-Shooter oder auch Ego-Shooter), und hier ein Abstumpfen oder eine Etablierung von Normalität gegenüber gewalttätigen Handlungen befürchtet wird.  (4)

Die Darstellung von Gewalt ist nach Ansicht der Autorin nicht unterhaltsam, weder in Horror- oder Kriegsfilmen noch in Krimis und sollte kritisch wahrgenommen werden. Auch eine Gewalt-Ästhetik nach Tarantino, die inzwischen vielfach als Kunst und filmerische kulturelle Qualität aufgewertet wird, ist in ihren Augen kaum zumutbar, jedenfalls nicht im eigentlichen Sinne wertvoll. Somit sollte jede/r sich kritisch fragen, warum sie oder er Gewalt per se gerne anschaut, und das insbesondere mit Schutzbefohlenen diskutieren. Gewalt ist der Schlüssel zu kriegerischer Konflikt“lösung“. Nur wenn Gewalt als Mittel zum Zweck kritisch hinterfragt wird, können wir zu einer Stärkung gesellschaftlicher ziviler Bemühungen um Konfliktbearbeitung und Gerechtigkeit, um Solidarität mit Anderen und wirtschaftlichen Ausgleich mit entsprechender Verteilung von Gütern kommen. Entsprechend abzulehnen sind Formen von Gewalt wie unregulierte Wirtschaftsmacht, Politik für die Interessen Einzelner oder unterlassene Hilfeleistung für Menschen, die aus unzumutbaren Situationen wie Krieg und Hunger fliehen.

Im Videogame generell wie auch in unserer gesellschaftlichen Spielkultur geht es fast ausschließlich ums Gewinnen oder Verlieren und nicht um den Ausgleich zwischen allen Mitspielenden. Somit hat unsere Gesellschaft die Spiele, die sie verdient, und die wiederum auf die Gesellschaft einwirken. Hier wäre ein Neudenken und Neubewerten der Spielekultur generell vonnöten und eine Schaffung von Transparenz hinsichtlich der Subtexte in Spielen generell. (5)

Kooperation mit dem Militär
Doch zurück zur Analyse von militärischen Videogames. Neben der Bemühung von gewalttätigen Narrativen und Darstellungen von militärischen Produkten gibt es auch Kooperationen in die andere Richtung, wie etwa die Nutzung einer sogenannten 3 D-Engine (das ist der einem Spiel zugrunde liegende Spielmechanismus in Form von Code, Programm und Programmiersprache) durch die Bundeswehr. Diese verwendet die CryEngine einer Frankfurter Entwicklerfirma für das Drohnen-Pilotentraining. (6) Michael Schulze von Glaßer beleuchtet die vielfältigen Kooperationen zwischen Videogamebranche und Militärs sowohl in seinem empfehlenswerten Aufsatz auf der Webseite der Informationsstelle Militarisierung von 2010 „Militärspiele: Verbindungen zwischen dem Militär und der Videospiele-Industrie“ als auch aktueller in seinem Buch „Das virtuelle Schlachtfeld“ von 2014. Die Publikationen sind sehr informativ, umfassend aufgearbeitet und mit zahlreichen Beispielen illustriert, die hier nicht noch einmal wiedergegeben werden müssen.

Alternativen
Letztlich interessant bleibt noch der Hinweis auf Versuche der Videogamebranche selber, Kriegsspiele kritisch, also mit anderen Subtexten versehen, zu produzieren: So gibt es Vorstöße vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) zur Integration des humanitären Völkerrechts in Kriegsspiele. Das Töten von ZivilistInnen soll bestraft, der neutrale Status von ÄrztInnen und HelferInnen muss beachtet werden. Einige EntwicklerInnen haben sich die Nothilfe-Experten ins Haus geholt und haben Richtlinien in die Story und die Spielregeln integriert. Da es nicht auf Kosten des Spiels oder des Spielvergnügens ging, waren die Erfahrungen dieser Zusammenarbeit, wenn diese auch bisher noch überschaubar ist, eher positiv. (7) Der deutsche Shooter „Spec Ops – The Line“ von Yager Developments aus Berlin wurde nach Vorlage von Coppolas „Apocalypse Now“ produziert.  Man ging noch weiter und forderte den Spieler auf, sich und sein Tun angesichts des sinnlosen Tötens selber zu hinterfragen. Das funktioniert zwar, aber nicht im wirtschaftlichen Sinne – das Spiel bleibt ein Ladenhüter – es wird keine Fortsetzung geben. (8)

Empfehlung zum Selbststudium:
Für Einsteiger: Schulze von Glaßer, Michael: Das virtuelle Schlachtfeld (Köln 2014, Neue kleine Bibliothek 199, Papyrossa Verlagsgesellschaft).

Für Fortgeschrittene: WASD Magazin Ausgabe 2: „Select System: Games und Politik“. Erhältlich hier: https://wasd-magazin.de

„Games ’n Politics“ – Video-Blog desselben Autors über politische Inhalte in Videospielen: https://www.youtube.com/user/gamesandpolitics

Die Diskussion „Kriegsspiel oder Antikriegsspiel?“ Auf dem Blog GamersGlobal http://www.gamersglobal.de/forum/62833/kriegsspiel-oder-antikriegsspiel

 

Anmerkungen
1 Schulze von Glaßer, Michael: Militärspiele: Verbindungen zwischen dem Militär und der Videospiele-Industrie. In: Informationsstelle Militarisierung 2010, http://www.imi-online.de/2010/12/09/militaerspiele/, mit weiteren Nachweisen.

2 Ebd. Siehe auch seinen Artikel in diesem Heft.

3 Barth, Thomas: Militarisierung durch Think Tanks – Ein Interview mit Thomas Bauer. In: Heise Online 2014, http://www.heise.de/tp/artikel/43/43596/1.html

4 Reger, Otto: Hinterlässt das Spielen Spuren? In: Journalistenakademie 2007, http://www.journalistenakademie.de/dossierbeitrag.php?b=1049, mit weiteren Nachweisen.

5 Talk der Autorin auf der diesjährigen re:publica in Berlin https://re-publica.de/session/subtexte-videogames-talk-workshop

6 Mickan, Thomas: Rezension: Das virtuelle Schlachtfeld – Computerspiele, Machtkonstellationen und das Militär. In: Informationsstelle Militarisierung 2014, http://www.imi-online.de/2014/06/05/rezension-das-virtuelle-schlachtfeld...

7 Dürr, Benjamin: Kriegsspiele: Virtuelle Strafen für virtuelle Kriegsverbrechen. In: Die Zeit vom 11. Oktober 2013, http://www.zeit.de/digital/games/2013-10/rotes-kreuz-kriegsspiele-games-...

8 Rittmann, Tim: Spec Ops: The Line – Töten soll keinen Spaß machen: In: Die Zeit vom 29. Juni 2012, http://www.zeit.de/digital/games/2012-06/spec-ops-the-line;

Peschke, André: Keine Käufer für kluge Spiele - Keine Chance für Spec Ops: The Line 2. In: GameStar 2014, http://www.gamestar.de/spiele/spec-ops-the-line/artikel/kein_geld_fuer_k...

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