Das EUCOM

von Wolfgang Sternstein

EUCOM steht als Kürzel für US-EUropean COMmand. Der Einsatzbereich des EUCOM umfasst 92 Nationen in Europa, Eurasien und den größten Teil Afrikas. Geografisch betrachtet, handelt es sich um eine riesige Fläche von mehr als 21 Millionen Quadratmeilen und 16 Zeitzonen, die von der Barentsee im Norden bis zu den Gewässern südlich der Antarktis und von Grönland bis zur russischen Pazifikküste reicht. In diesem Bereich leben etwa 1,4 Milliarden Menschen, die 23% der Weltbevölkerung stellen.[i]

Die Bundesrepublik Deutschland ist bekanntlich die große Drehscheibe für amerikanische Militäreinsätze in der halben Welt. Den Mittelpunkt dieser Drehscheibe bildet das EUCOM, das 2008 eine Art „Zellteilung“ in das AFRICOM und das Rest-EUCOM erfuhr. Beide sind  in den Vorstädten Stuttgarts angesiedelt. Es handelt sich um „Unified Commands“, d. h. in ihnen sind alle Gattungen der US-Streitkräfte zusammengefasst. Von insgesamt 6 Unified Commands sind allein diese beiden dauerhaft außerhalb den USA angesiedelt. Zusammen umspannen sie den ganzen Globus und halten die Welt militärisch fest im Griff.

In der deutschen Öffentlichkeit ist die Auffassung weit verbreitet, es handele sich beim EUCOM und beim AFRICOM um NATO-Einrichtungen. Das trifft aber nicht zu. Es handelt sich vielmehr um rein amerikanische Militäreinrichtungen, die ausschließlich dem Kommando des Pentagon und des Weißen Hauses unterstehen. Das schließt nicht aus, dass sie gelegentlich auch im Rahmen des Nato-Bündnisses operieren, wie z. B. im Krieg gegen Restjugoslawien 1999. Doch das ist eher die Ausnahme als die Regel. In Vergangenheit und Gegenwart war und ist das EUCOM in zahlreichen militärischen Konflikten aktiv. Dazu gehören insbesondere die Kriege gegen den Irak, der israelisch-palästinensische Konflikt, die Libanonkriege (die gesamte Militärhilfe für Israel wird über das EUCOM abgewickelt), der Krieg in Georgien und der Globale Krieg gegen den Terror.

Diese Aktivitäten werfen völkerrechtliche, verfassungsrechtliche und menschenrechtliche Fragen auf. Kurz und knapp: Indem die BRD ihr Territorium, ihren Luftraum und ihre Infrastruktur zur Verfügung stellt, wird sie zwangsläufig zum Komplizen der von den USA begangenen völkerrechtswidrigen, verfassungswidrigen und menschenrechtsverletzenden Militäroperationen. Sie ist völkerrechtlich, politisch und moralisch für sie mitverantwortlich. So gilt nach Art. 3 der UN-Aggressionsresolution als Angriffshandlung, wenn ein Staat es zulässt, „dass sein Hoheitsgebiet, das er einem anderen Staat zur Verfügung gestellt hat, von diesem dazu benutzt wird, Angriffshandlungen gegen einen dritten Staat zu begehen“. Wenn diese Resolution auch nicht allgemein anerkannt ist, so ist sie doch in hohem Maße plausibel.

Protest und Widerstand
Am EUCOM ist seit den frühen achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine Menge gelaufen: Es gab Andachten am Haupttor, Flugblattverteilungen, Protestversammlungen, Mahnwachen, eine Menschenkette ums EUCOM mit etwa 6.000 TeilnehmerInnen am 29.3.2003, diverse Blockaden der Zufahrtsstraße zum EUCOM und insgesamt neun Entzäunungsaktionen. Gerichtsverfahren, Geld- und Haftstrafen waren die Folge.

Seit dem 11. September 2001 ist das EUCOM ein hochsensibler Punkt. Es besteht angeblich und vielleicht auch tatsächlich eine erhöhte Terrorgefahr. Am 9.8.2005 spazierten jedoch drei Friedensaktivisten im Laufe der 9. Entzäunungsaktion seelenruhig mit einem Transparent durch das EUCOM-Gelände, ohne aufgehalten zu werden. Eine einzelner Terrorist oder eine Gruppe von Terroristen hätten ohne Schwierigkeiten zum Hautquartier vordringen und dort ein Blutbad anrichten können. Seither sind die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt worden. Das EUCOM und das AFRICOM wurden zu Festungen ausgebaut. Das EUCOM nutzte die Gelegenheit, unter dem Vorwand, die Sicherheit zu erhöhen, sich die lästigen Demonstranten vom Hals zu schaffen. Seither besteht am EUCOM und AFRICOM ein weit reichendes Versammlungsverbot.

Stuttgarter Friedensgruppen meldeten für den Hiroshima-Tag (6.8.2008) eine Mahnwache am EUCOM an. Sie wurde vom Amt für öffentliche Ordnung mit entsprechenden Auflagen versehen. Sie sahen sich daraufhin gezwungen, ihr Recht auf freie Versammlung vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart einzuklagen. Das Verwaltungsgericht gab ihnen Recht, indem es die Versammlung im Bereich der Einfahrt zum EUCOM und eine Flugblattverteilung zuließ. Das hinderte das Amt für öffentliche Ordnung und die Polizei jedoch nicht daran, den Beschluss des Verwaltungsgerichts nach Kräften zu sabotieren (siehe FF 5/2008, S. 12). Wir werden folglich auch in Zukunft um jeden Zentimeter Boden unserer Grundrechte kämpfen müssen. Denn merke: Bürgerrechte, die man nicht in Anspruch nimmt und, wenn es nicht anders geht, auch einklagt, gehen verloren.

 

 

Anmerkungen[i] Diese Angaben sind  dem 44-seitigen Statement des Oberkommandierenden des EUCOM, General Bantz Craddock, vor dem Armed Service Komitee des Kongresses am 15. März 2007, einer überaus wertvollen und glaubwürdigen Quelle, entnommen.

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Schwerpunkt
Dr. Wolfgang Sternstein ist Friedens- und Konfliktforscher mit dem Schwerpunkt Theorie und Praxis der gewaltfreien Aktion. Er kam als Wissenschaftler nach Wyhl, schloss sich aber schon bald der Widerstandsbewegung gegen das Atomkraftwerk an. In seiner Autobiografie „Mein Weg zwischen Gewalt und Gewaltfreiheit“ berichtet er ausführlich über den „Kampf um Wyhl“.