Ein Netzwerk stellt sich vor

Das FORUM MENSCHENRECHTE

von Beate Ziegler

Das FORUM MENSCHENRECHTE ist ein Netzwerk von 51 (Stand Juli 2013) deutschen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die sich für einen verbesserten, umfassenden Menschenrechtschutz einsetzen - weltweit, in bestimmten Weltregionen, Ländern und in der Bundesrepublik Deutschland. Das Forum wurde 1994 im Anschluss an die Wiener Weltmenschenrechtskonferenz von 1993 gegründet.

Die gemeinsame Arbeit dient vor allem folgenden Zielen:

  • die Menschenrechtspolitik der Bundesregierung und des Deutschen Bundestags auf nationaler und internationaler Ebene kritisch zu begleiten,
  • gemeinsame Vorhaben zur Verbesserung des Menschenrechtsschutzes weltweit durchzuführen,
  • Bewusstsein zu Fragen der Menschenrechte in der deutschen Öffentlichkeit zu bilden, dabei auch auf mögliche Menschenrechtsverletzungen in Deutschland hinzuweisen und auf ihre Lösung hinzuarbeiten,
  • Informationen unter den Mitgliedsorganisationen zu menschenrechtsrelevanten Themen auszutauschen, und
  • lokale, regionale und nationaler NGOs bei den internationalen Aspekten ihrer Arbeit zu unterstützen und die internationale Vernetzung von NGOs zu fördern.

 

Wie wir arbeiten
Innerhalb des Forums sind verschiedene Arbeitsgruppen dafür verantwortlich, gemeinsame Stellungnahmen und Materialien zu erarbeiten, Aktionen, öffentliche Veranstaltungen und Expertengespräche vorzubereiten. Das FORUM MENSCHENRECHTE arbeitet eng mit NGOs und Netzwerken auf europäischer und internationaler Ebene zusammen.

Koordiniert wird die Arbeit durch einen bis zu acht-köpfigen Koordinierungskreis, der alle zwei Jahre von den Mitgliedsorganisationen des Forums gewählt wird und dessen Zusammensetzung repräsentativ ist für die politische Bandbreite der Forumsmitglieder.

Anhand von vier Beispielen möchten wir unsere Arbeitsgruppen und deren Schwerpunkte darstellen.

AG Antirassismus
Die Wiener Weltmenschenrechtskonferenz beschrieb 1993 in ihrer Abschlusserklärung die Bekämpfung von Rassismus als „vorrangige menschenrechtliche Aufgabe“. Menschenrechtsgremien der Vereinten Nationen und des Europarats haben wiederholt bemängelt, dass eine umfassende Strategie gegen Rassismus in Deutschland fehlt. Von Regierungsstellen und breiten Teilen der Gesellschaft wird Rassismus gemeinhin mit Rechtsextremismus gleichgesetzt. Es besteht eine Vermeidungshaltung, Rassismus als solchen zu benennen. Die gesamtgesellschaftliche Dimension und deren Verankerung in den Institutionen werden damit stark unterschätzt. Die Serie rassistischer Morde an neun Männern türkischer und griechischer Herkunft, die erst durch eine Selbstenttarnung der TäterInnen aufgeklärt wurden, hat schmerzlich deutlich gemacht, wie sehr rassistische Stereotype auch bei Ermittlungsbehörden vorhanden sind.

Die Arbeitsgruppe widmet sich der Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung hinsichtlich rassistischer Diskriminierung in Deutschland und ihrer Opfer sowie hinsichtlich eines zeitgemäßen Rassismus-Begriffes, indem sie die internationalen Impulse aufgreift. Ihre Schwerpunkte sind die kritische Begleitung und Kommentierung der Umsetzung nationaler Instrumente und internationaler Verpflichtungen Deutschlands.

 

AG Außen / Menschenrechtsrat
Der Menschenrechtsrat (MRR) der Vereinten Nationen (VN) ist das wichtigste internationale Gremium zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte. Er trat im Jahr 2006 erstmals zusammen und löste die bisher zuständige Menschenrechtskommission (MRK) der VN ab. Der aus 47 VertreterInnen der Mitgliedsstaaten zusammengesetzte Rat tagt mindestens dreimal jährlich in Genf und befasst sich mit Menschenrechtsverletzungen in einzelnen Mitgliedstaaten der VN sowie mit Fragen der Weiterentwicklung von Menschenrechtsstandards und deren Implementierung. Bestandteil der Arbeit des Rates ist eine regelmäßige Auswertung der Menschenrechtssituation in den Mitgliedsstaaten durch die UPR (Universal Periodic Review). Die Arbeitsgruppe plant und koordiniert alle Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Rat.

 

AG Entwicklung / Wirtschaft
Menschenrechte sind untrennbar mit dem Ziel einer gerechten und nachhaltigen Entwicklung verbunden und unabdingbar für ein menschenwürdiges Leben, auch und gerade im Zeitalter der Globalisierung. Sowohl bürgerlich-politische als auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte (wsk-Rechte) begründen Ansprüche aller Menschen auf eine selbstbestimmte Lebensgestaltung, frei von Unterdrückung, Grausamkeit, Erniedrigung, Ausbeutung und sozialer Not - und legen den Staaten und der internationalen Gemeinschaft die Verpflichtung auf, die Gesamtheit der Menschenrechte zu achten, zu schützen und zu gewährleisten. Diese Verpflichtungen gilt es beharrlich einzufordern.

Obwohl die Hauptverantwortung für die Achtung, den Schutz und die Erfüllung aller Menschenrechte bei den Staaten liegt, kommt zugleich auch nicht-staatlichen Akteuren eine menschenrechtliche Verantwortung zu. Die fortschreitende wirtschaftliche Globalisierung hat den wirtschaftlichen und politischen Einfluss und Gestaltungsspielraum von Unternehmen, insbesondere von Transnationalen Konzernen, erheblich erweitert. Da unternehmerisches Handeln direkt oder indirekt - im Positiven wie im Negativen - die bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte von Milliarden von Menschen beeinflusst, dürfen sich Unternehmen nicht ihrer - völkerrechtlich noch unzureichend verankerten - menschenrechtlichen Verantwortung entziehen.

Die AG pflegt den inhaltlichen Austausch mit dem Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und den Durchführungsorganisationen der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit, u.a. über das Sektorvorhaben „Menschenrechte umsetzen in der Entwicklungszusammenarbeit".

Die AG fordert eine stärkere Einbindung der Menschenrechte bei der Umsetzung der Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) und beteiligt sich an der Diskussion zur Post-2015-Agenda zur Umsetzung der MDGs.

Die AG setzt sich seit Jahren für ein internationales Beschwerdeverfahren zum VN-Sozialpakt ein. Nachdem ein entsprechendes Zusatzprotokoll im Dezember 2008 verabschiedet wurde und seit September 2009 zur Zeichnung ausliegt, drängt die AG darauf, dass auch Deutschland das Zusatzprotokoll ratifiziert. Es erlaubt Menschen, deren wsk-Rechte verletzt werden, sich vor einem VN-Ausschuss zu beschweren (wenn nationale Rechtsmittel ausgeschöpft sind oder nicht zur Verfügung stehen).   

Die AG beteiligt sich an der nationalen und internationalen Diskussion um die menschenrechtliche Verantwortung von Unternehmen. Sie setzt sich für verbindliche Regeln sowie für die effektive Anwendung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen ein.

 

AG Kinderrechte
Kinderrechte als Menschenrechte. sind im VN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes, kurz Kinderrechtskonvention, völkerrechtlich verankert. 193 Staaten haben diesen Menschenrechtsvertrag ratifiziert, der von den Vereinten Nationen 1989 verabschiedet wurde. Jeweils mehr als 100 Staaten sind den beiden Fakultativprotokollen zur Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten sowie zu Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie beigetreten. Das dritte Fakultativprotokoll zum Individualbeschwerderecht zur Kinderrechtskonvention wurde Ende 2012 von Deutschland ratifiziert. Das Besondere an der Kinderrechtskonvention ist, dass sie umfassend die persönlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte enthält und dass Kinder, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ausdrücklich als Träger von Rechten definiert werden. Trotz der rekordverdächtigen Zustimmung der Staaten und der Verpflichtung, die sie für die Realisierung der Kinderrechte eingegangen sind, ist die Konvention weit von ihrer Umsetzung entfernt.

Die Arbeitsgruppe Kinderrechte beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Umsetzung der Kinderrechtskonvention und entwickelt Forderungen an die deutsche Politik. Übergeordnetes Ziel ist es, auf die Erfüllung der völkerrechtlichen Verpflichtungen zu drängen, die sich aus dem Übereinkommen ergeben.

 

Weitere Arbeitsgruppen im Forum Menschenrechte sind die

  • AG Frauenrechte mit den Schwerpunkten Stärkung der Frauenrechte, Bewusstseinsbildung und Durchsetzung von internationalen Menschenrechtsstandards, z.B. der Standards, die in der UN-Frauenrechtskonvention festgehalten wurden und völkerrechtlich verbindlich sind, aber auch der Standards, die im Bereich des soft law zu finden sind (z.B. Erklärung über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen der UN-Generalversammlung). Um die Durchsetzung dieser Standards zu erreichen, beteiligt sich die AG z.B.an der Erstellung von Schattenberichten.
  • AG Innen mit den Schwerpunkten Schutz der Menschenrechte von Flüchtlingen und Ausländer/innen, Umsetzung der Genfer Flüchtlingskonvention, Anerkennung geschlechtsspezifischer Verfolgung als Asylgrund und vollständige Anwendung der UN-Kinderrechtskonvention.
  • AG Menschenrechtsbildung mit den Schwerpunkten Umsetzung des Weltprogramms der Vereinten Nationen für Menschenrechtsbildung in der Bundesrepublik Deutschland durch Formulierung und Lobbyierung von Menschenrechtsbildungskonzepten für die Bildungsplanung und Handlungsempfehlungen für die Bildungspolitik, Verbindung der Menschenrechtsbildung unter anderem zu pädagogischen Konzepten des interkulturellen Lernens, der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit und der Rassismus- und Gewaltprävention.
  • AG Religionsfreiheit. Diese jüngste Arbeitsgruppe des Forums (2012 gegründet) befasst sich als erstes mit dem Staats-Kirchen-Verhältnis in Deutschland.

Geplant ist die Einrichtung einer Arbeitsgruppe, die zum Thema Zivile Krisenprävention arbeitet.

Da es zwischen den Schwerpunkten der Arbeitsgruppen immer wieder Überschneidungen gibt, wird die Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit zwischen den Arbeitsgruppen und im Plenum abgestimmt, wie zuletzt z.B. bei der Formulierung unserer Forderungen zur Bundestagswahl 2013 (zu finden unter www.forum-menschenrechte.de).

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