Frieden mit friedlichen Mitteln:

Das Nonviolenz Peaceforce Projekt

von Mareike Junge
Initiativen
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Im Oktober 1998 gestattete der damalige jugoslawische Präsident Milosevic die Stationierung 2000 unbewaffneter internationaler Beobachter der OSZE im Kosovo. Diese Zustimmung bot eine nie dagewesene Möglichkeit, die Wirkung einer ausnahmslos zivilen Einsatztruppe in einer "heißen" Konfliktsitiuation zu prüfen. Wie wir wissen, wurde die ´Kosovo Verifizierungsmission` (KVM) Mitte März 1999 aus Kosovo zurückgezogen und durch Nato Bombardements gegen Jugoslawien ersetzt.

Dennoch sollten die Erfolge der KVM nicht unterschätzt werden. Dort, wo KVM-Beobachter eingesetzt wurden, reduzierten sich Berichte von Angriffen und Einschüchterungen beträchtlich und an Orten, wo die KVM eine längerfristige Präsenz einrichtete, kehrten sogar Flüchtlinge an ihre Wohnorte zurück, die sie zuvor aus Angst vor Gewalt verlassen hatten.

Es gibt diverse Gründe warum die KVM letztendlich scheiterte, doch einer dieser Gründe war die Tatsache, dass sie nie die angestrebte Zahl an Einsatzkräften erreichte. Es ist debattierbar, ob 2000 Beobachter ausgereicht hätten, um das folgende Blutbad zu verhindern, doch selbst fünf Monate nach dem ersten KVM-Einsatz suchte die OSZE noch immer nach geeignetem Personal. (Dies war auch deshalb schwierig, da eine OSZE-Mission seitens der USA boykottiert wurde. d.Red.) Zum Zeitpunkt des Abbruchs der Mission umfasste sie 1350 Kräfte, von denen allerdings nur 65 tatsächlich als Beobachter im Feld tätig waren.

Die detaillierte Untersuchung von UNO-Einsätzen, die im August 2000 im Brahimi-Report veröffentlicht wurde, wies auf ähnliche Probleme hin, mit denen andere UNO-Missionen, zum Beispiel in Ost-Timor zu kämpfen hatten. Obwohl mehr als 20 internationale Organisationen daran beteiligt waren, ca. 700 Wahlbeobachter nach Ost-Timor zu entsenden, reichte diese Zahl nicht aus, um den Ausbruch von Gewalt zu verhindern, der der Bekanntgabe des Wahlergebnisses umittelbar folgte. Erst der Einsatz einer 4000-Mann starken militärischen Truppe konnte den Gewaltausbrüchen ein Ende setzten. Dennoch wurde kaum ein Schuss gefeuert, als die pro-indonesische Miliz schnell das Feld räumte. Dies wirft die Frage auf, ob eine ebenso umfangreiche Truppe ziviler Beobachter diese Aufgabe mit ähnlichem, oder sogar größerem Erfolg hätte ausführen können.
 

In der Geschichte hat es immer wieder Versuche gegeben, dem Militär eine ebenbürtige gewaltfreie Alternative zur Seite zu stellen. Einige dieser Projekte sind nichts als Visionen geblieben, andere sind zu wichtigen Elementen der langfristigen Friedensarbeit geworden. Doch keine dieser Gruppen hat das Mandat oder die Kapazitäten, um in kürzester Zeit hunderte von einsatzbereiten Kräften zu mobilisieren und sie als Beobachter oder Begleiter in Krisengebiete zu entsenden.

Die amerikanische Organisation Peaceworkers arbeitet seit einigen Jahren daran, den Gedanken einer internationalen gewaltfreien Friedenstruppe voranzutreiben. Seit dem ´Hague Appeal for Peace` im Mai 1999 ist aus den ursprünglichen Empfehlungen für eine solche ´Friedensarmee` ein schnell voranschreitendes und hoffnungsvolles Projekt geworden, das weltweit von religiösen Gruppen, Friedensorganisationen, Akademikern, Menschenrechtsaktivisten, Regierungsvertretern und militärischem Personal unterstützt wird.

In den nächsten Tagen wird eine umfangreiche Studie zum Abschluss kommen, die die Möglichkeiten und Bedingungen für den Aufbau einer solchen Friedenstruppe untersuchen und Empfehlungen zu ihrer Struktur, Leitung und Einsatz erarbeitet hat. Durch Interviews mit Friedens- und Entwicklungsdiensten, humanitären Organisationen, der OSZE, UNO, Akademikern und anderen Experten, durch Literaturrecherchen und ausgedehnten Projektreisen in 14 verschiedene Konfliktregionen wurden die potentiellen Einsatzbereiche einer Nonviolent Peaceforce analysiert, ´best practises` im Bereich Personal, Logistik und Organisationsstruktur ausgewertet und curricula existierender Trainingskurse für Friedensfachkräfte untersucht.

Im Juli traf der Lenkungsaussschuss der Nonviolent Peaceforce in den USA zusammen, um die Ergebnisse auszuwerten und Entscheidungen zu Struktur, Leitung und Einsatz der ´Nonviolent Peaceforce` zu treffen. Als Ziel dieser Organisation ist definiert worden, eine "umfassend angelegte, internationale, zivilgesellschaftliche Organisation zu bilden, die, sowie möglich, in Partnerschaft mit lokalen Gruppen zusammenarbeitet, um in großem Rahmen gewaltfreie Schutzdienste in Konfliktgegenden zu leisten und einen Pool von ausgebildeten Fachkräften verschiedener Kulturen mit Kompetenzen in verschiedenen Arten der Friedensarbeit aufzubauen". Als potentielle Einsatzbereiche wurden Begleitung (accompaniment), internationale Präsenz (international presence), Beobachtung (monitoring), sowie schützende Interpositionierung (protective interpositioning) definiert, die nur auf ausdrückliche Einladung lokaler Gruppen erfolgen können.

Als nächster Schritt soll ein Ausbildungsprogramm entwickelt, sowie ein Einsatzfeld für ein Pilotprojekt gewählt werden, um im Frühjahr 2003 die erste Gruppe der Nonviolent Peaceforce entsenden zu können. Dies ist sicherlich ein sehr ehrgeiziges Ziel, doch scheint es nicht unmöglich, wenn man sich die bisherige Arbeit und unermüdliche Motivation des Arbeitsteams betrachtet. Private und öffentliche Geldgeber haben beeindruckende finanzielle Unterstützung gezeigt, verschiedene Organisationen in Konfliktgegenden haben bereits Einsatzaufträge eingereicht und zahlreiche Freiwillige verschiedener Altersgruppen und Nationen haben ihr Interesse bekundet, in das Pool der Nonviolent Peaceforce aufgenommen zu werden.

Es ist ein weiter Weg zum Ziel, doch Mel Duncan, einer der Direktoren der Nonviolent Peaceforce schloss vor kurzem eine Rede mit den zuversichtlichen Worten: "Lasst uns also voranschreiten, ungeheuerlich hoffend und methodisch arbeitend."

Kopien der Studie sind in elektronischem Format erhältich. Wenden Sie sich an Christine Schweitzer unter xschweitz [at] aol [dot] com.

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Mareike Junge arbeitet für Peaceworkers UK in London. Peaceworkers UK versucht, einen britischen zivilen Friedensdienst aufzubauen und vertritt gleichzeitig Nonviolent Peaceforce in Europa.