Syrien und die Friedensbewegung

Der militärischen Gewalt zivile Lösungen entgegensetzen

von Philipp IngenleufElise Kopper

Ob der Einsatz von Uranwaffen in Syrien, die neue, völlig rücksichtslose „Anti-IS-Strategie“ der USA oder Medienberichte, die die entscheidende Rolle deutscher Tornado-Aufklärungsbilder für den Tod von ZivilistInnen aufdecken: Was wir in den Nachrichten über den Syrienkonflikt und unsere eigene, deutsche Beteiligung daran lesen, macht uns wütend – und gleichzeitig ratlos. Wie sollen wir als Friedenbewegung mit all dem umgehen? Welche Antworten können wir geben? Und welche Möglichkeiten haben wir, unseren eigenen, kleinen Beitrag zu leisten, damit Frieden in Syrien und der Region wieder möglich wird? 

Seit der Deutsche Bundestag das Bundeswehrmandat für Syrien im November 2016 zum ersten Mal verlängert hat, scheint es in großen Teilen der Politik und vielen Medien kaum noch Debatten über Sinn und Unsinn dieses Einsatzes zu geben. Er wird als normaler Bestandteil der deutschen Politik wahrgenommen, als notwendiges Element des Kampfs gegen den Terror, als selbstverständliche Unterstützung unserer Verbündeten innerhalb der NATO. Ob der Einsatz tatsächlich dazu beiträgt, den Terrorismus des sogenannten Islamischen Staats in Syrien zu stoppen, wofür genau Deutschlands   Verbündete die Informationen nutzen, die die Bundeswehr ihnen liefert – all das scheint nur noch Nebensache zu sein. Im März 2017 wurde zum ersten Mal das bestätigt, wovor viele lange gewarnt hatten: Die Aufklärungsbilder der deutschen Tornados, die vom türkischen Incirlik aus in den „Anti-Terror-Kampf“ Richtung Syrien starten, tragen mittelbar (vielleicht sogar unmittelbar) zum Tod von ZivilistInnen bei. Und mit jedem getöteten Zivilisten, mit jeder getöteten Zivilistin, verschafft sich der Terrorismus neue Legitimation. Doch die deutsche Politik zieht daraus bislang (Stand Ende März 2017) keine Konsequenzen: Der Bundeswehreinsatz geht unverändert weiter. Die Kampagne „MACHT FRIEDEN.“ will das nicht schweigend hinnehmen und hält dieser Politik ihre Forderungen dagegen: Unter dem Titel „Nicht den Krieg befeuern, sondern den Frieden fördern!“ haben wir Ende März ein ausführliches Forderungspapier veröffentlicht. Darin formulieren wir unsere Kritik am Bundeswehreinsatz in Syrien, machen konkrete Vorschläge für nicht-militärische Lösungsansätze in Syrien und fordern die Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf, die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik in eine zivile Friedenspolitik umzugestalten.

In dem Papier schreiben wir: „Wir sind uns bewusst, dass wir als deutsche BürgerInnen und Friedensbewegung nur begrenzten Einfluss auf die Politik der syrischen, der US-amerikanischen oder der russischen Regierung haben. Aber die Politik des Deutschen Bundestages können und wollen wir als WählerInnen beeinflussen.“ Dies ist besonders relevant im Wahljahr 2017. Denn jetzt sind die PolitikerInnen besonders sensibel für die Meinung ihrer WählerInnen. Deshalb wollen wir die kommenden Monate nutzen, um in der Politik Diskussionen anzuregen und Druck aufzubauen.

Aktivitäten der Kampagne: Unterschriftenaktion und Aktionskonferenz im Mai
Ende des Jahres wird der Bundestag über die zweite Verlängerung des Syrienmandats abstimmen. Und fast zeitgleich werden die Verhandlungen um den Bundeshaushalt 2018 geführt werden. Das ist für uns die Chance, zwei unserer zentralen Forderungen ins neu gewählte Parlament zu bringen: Das NEIN zum Bundeswehreinsatz in Syrien und das JA zur Mittelerhöhung für Humanitäre Hilfe und Zivile Konfliktbearbeitung. Dafür haben wir – ganz traditionell – pünktlich zu den Ostermärschen eine Unterschriftenaktion gestartet. Bis zum 1. November 2017 wollen wir online und offline so viele Unterschriften wie möglich sammeln und diese dem Bundestag kurz vor der Mandatsabstimmung überreichen.

Außerdem veranstalten wir gemeinsam mit der Kooperation für den Frieden am Samstag, dem 13. Mai 2017, eine Aktionskonferenz mit dem Titel „Zivile Lösungen für Syrien – was können wir als Friedensbewegung tun?“ in Köln. Das Programm führt kompakt an einem Tag von den Hintergründen des Syrienkonfliktes über die Entwicklung einer „friedenslogischen“ deutschen Syrienpolitik bis hin zu ganz konkreten Handlungsmöglichkeiten für uns als Friedensbewegung. Unter anderem wird es einen Workshop zu Graswurzellobbyarbeit mit Abgeordneten im Wahlkreis und ein Argumentationstraining zu Ziviler Konfliktbearbeitung für den Dialog auf der Straße geben. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen; mehr Infos gibt es auf unserer Website. 

Und auch wenn all diese Kampagnenaktivitäten nur ein winziger Beitrag zum Frieden in Syrien und in der Region sein können: Vielleicht helfen sie uns doch, unsere eigene Ohnmacht, unsere Rat- und Hilflosigkeit zu überwinden und unsere Wut in Engagement für den Frieden umzuwandeln: Lasst uns bei unserer eigenen Politik hier in Deutschland anfangen.

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Geschäftsführer und Kampagnenkoordinator beim Netzwerk Friedenskooperative sowie Co-Sprecher der Kooperation für den Frieden.
Mitglied des Vorstands im Bund für Soziale Verteidigung e.V., Geschäftsführerin beim Frauennetzwerk für Frieden e.V. und Referentin für Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit bei erlassjahr.de - Entwicklung braucht Entschuldung e.V.