Eine Woche vor Ostern rufen wir mit unserem Aufruf "Kriege stoppen - Frieden und Abrüstung jetzt! " in mehreren Zeitungen zur Teilnahme an den Ostermärschen 2025 auf. Hilf auch du mit bei der Mobiliserung!
Die Friedensbewegung schweigt nicht, aber...
von
1. Positionsfindungen
Es muß festgestellt werden, daß es der Friedensbewegung nicht gelungen ist, zu einer gemeinsamen Position zum Krieg in Ex- Jugoslawien zu finden. Zum einen gibt es da diejenigen, die keine Lösung des Konfliktes jenseits eines verstärkten militärischen Engagements der UNO oder Westens in Ex-Jugoslawien sehen. Im Gegensatz zum Golfkrieg, wo ein breiter Konsens gegen die Militärintervention bestand, ist die Verunsicherung im Falle Bosniens sehr groß. Viele sehen keinen anderen Ausweg mehr, als mit Gewalt die bosnische Bevölkerung in Sarajevo, Tuzla und den Enklaven vor Vertreibung oder Tod zu schützen. Ein Angriff auf serbische Militärstellungen - hier wird oft sehr auf die angebliche Präzision moderner Waffen gesetzt - scheint als das kleinere Übel. Dies ist im Übrigen auch die Position eigentlich aller Antikriegs-und Friedensgruppen im ehemaligen Jugoslawien. Außerdem setzten sich viele (als zusätzliche Maßnahme oder alternativ) für die Aufhebung des Waffenembargos ein. Dazu gehören besonders große Teile der Friedensbewegung in den USA und in England.
Ein zweiter Kreis vor allem aus pazifistischen Gruppen hat es schon seit längerem aufgegeben, dem Druck nachzugeben, kurzfristige Lösungen benennen zu müssen. Gute Beispiele sind z.B. die Pressemitteilungen von Organisationen wie Pax Christi und dem Komitee für Grundrechte und Demokratie (1). Sie benennen humanitäre Hilfe, die Unterstützung der Zivilgesellschaft in den Ländern Ex- Jugoslawiens (Medien, Friedens-und Menschenrechtsgruppen usw.) und eine andere Flüchtlingspolitik als Hauptansatzpunkte von Friedensarbeit. Bewusst oder unbewusst verweigern sie sich dabei der Beantwortung der Frage nach dem "was nun"?, denn ihre Vorschläge sind alle langfristiger Natur und kaum geeignet, die jetzt in Gorazde und Sarajevo Bedrohten zu schützen.
In Deutschland hat sich in den letzten Wochen das Interesse vor allem auf die Frage der deutschen Beteiligung an den Krisenreaktionskräften gerichtet. Sie wird von großen Teilen der Friedensbewegung abgelehnt, entweder aus grundsätzlicher Kritik an der Interventionspolitik heraus oder weil an die Rolle Deutschlands in Jugoslawien während des zweiten Weltkriegs erinnert wird. Bei einer vom Netzwerk Friedenskooperative organisierten Kundgebung in Lechfeld/Franken angesichts des Starts der Tornados nach Italien erklärten VertreterInnen verschiedener Organisationen (u.a. AGDF, BBU, DFG-VK, Graswurzelrevolution und Komitee für Grundrechte und Demokratie), daß sie gegen militärische Intervention von außen seien und vor weiterer militärischer Eskalation warnten und eine Beteiligung deutscher Tornados die Erinnerung an die Gräueltaten der Wehrmacht wachrufen würde. Außerdem zählen sie eine Reihe alternativer Forderungen, von der Abschaffung der Visumspflicht für Flüchtlinge bis hin zur Stärkung der "Zivilgesellschaft" in den Ländern Ex-Jugoslawiens auf.
Es gibt allerdings auch einige Erklärungen oder Artikel, die versuchen, politische Alternativvorschläge einzubauen, die der Frage nach kurzfristigen Schritten genüge tun sollen. Dabei ist sicherlich allen bewusst, daß diese Erklärungen mehr mit Blick auf die innenpolitische Debatte geschrieben wurden als mit Hoffnung darauf, daß sie eine realpolitische Umsetzung finden. Damit erfüllen sie aber eine wichtige Funktion, nämlich einen Weg jenseits von Nichtstun oder Bejahung militärischer Intervention aufzuzeigen.
Beispiele hierfür wären folgende:
1. Der Genfer Journalist Andreas Zumach hat vor wenigen Monaten vorgeschlagen, daß die Europäische Union allen jugoslawischen Nachfolgestaaten die Mitgliedschaft in der EU anbieten und dies an bestimmte Bedingungen (Rückkehr aller Flüchtlinge und gerichtliche Verfolgung aller Kriegsverbrechen) knüpfen solle. EU-Mitgliedschaft sei für alle Länder so attraktiv, daß sie gewiss zu großen Zugeständnissen bereit seien, um sie zu erlangen. Und außerdem würden die Grenzen zwischen den verfeindeten Ländern unwichtig werden, wenn sie in die größere Gemeinschaft eingegliedert würden.
2. Der Völkerrechtler und Pazifist Curtis Francis Doebbler meldete sich Anfang Juni mit einem Beitrag zu Wort, in dem er sich für eine Kapitulation der bosnischen Regierung ausspricht. Er argumentiert, daß Krieg schließlich eine der schwersten Menschenrechtsverletzungen sei. Das, was gewonnen oder verloren werde wäre nur noch die Hülle eines Landes. Außerdem könnten Führer wie Radovan Karadzic und Slobodan Milosevic kein Volk ohne die Ablenkung durch einen Krieg regieren - ein Kriegsende werde damit über kurz oder lang auch zu ihrem Sturz führen.
3. Stefan Gose, Mitglied der Redaktion der "antimilitarismus information" aus Berlin schlägt in einem Beitrag zur ami 5/95 vor, UNPROFOR solle aus Bosnien abziehen und durch rein zivile Hilfsdienste ersetzt werden. Seine Argumentation ist, daß der UNPROFOR-Einsatz in Bosnien gescheitert sei - ihr bleibe nur noch die Alternative zwischen Kampfeinsatz oder Abzug, da sie ihre Rolle als neutraler Dritter schon längst eingebüßt habe. Zivile Organisationen sollten die humanitäre Hilfe übernehmen und die internationale Gemeinschaft sich auf die strikte Einhaltung des Embargos (gegen Bosnien allein?) konzentrieren, wozu auch die finanzielle Unterstützung aller bosnischen Nachbarstaaten gehört.
4. Eine Erklärung des Bundes für Soziale Verteidigung forderte als ersten Schritt die Rücknahme der Stationierung der "Krisenreaktionskräfte" und der Drohung mit weiteren Luftangriffen und eine Rückkehr zum klassischen Peacekeeping aus; die Verhandlungen mit Milosevic zur Anerkennung Bosniens und Kroatiens sollten vorangetrieben werden; der sog. Friedensplans der Bosnien- Kontaktgruppe dahingehend abgeändert werden, daß keine Seite einen Teil der zum Stichtag "heute" kontrollierten Gebiete zurückgeben müsse; Garantien für den serbischen Korridor zur Krajina sollten in Tausch für Garantien für die eingeschlossenen ostbosnischen Städte und für Sarajevo durch die bosnischen Serben gegeben werden, abgesichert durch Versprechen wirtschaftlicher und sozialer Hilfe; und ein ausführlicher Stufenplan zur Wiederherstellung friedlicher Verhältnisse wurde skizziert. International flankiert werden sollten diese Maßnahmen durch Initiativen, die dem Aufbau von Demokratie und Medienvielfalt dienen.
2. Aktivitäten
Unabhängig von diesen Problemen in der Positionsfindung gibt es eine große Zahl von Aktivitäten gegen den Krieg aus Reihen der Friedensbewegung. Humanitäre Hilfe, Unterstützung von Gruppen und Organisationen in den Ländern Ex-Jugoslawiens, alternative Medienarbeit, Freiwilligendienste, Flüchtlingsarbeit usw. werden neben den klassischen Fachorganisationen wie Caritas, Ärzte ohne Grenzen, UNHCR etc. vor allem durch Gruppen geleistet, die der Friedensbewegung angehören oder nahestehen. Sie sollen hier nicht im Einzelnen aufgezählt werden - as Friedensforum hat hierüber immer wieder berichtet - sind aber das Hauptargument der Friedensbewegungen den Vorwurf, zum Krieg in Ex-Jugoslawien zu schweigen.
3. Die Politik hat versagt, nicht der Pazifismus
In diesem Krieg sind mehrfach verhängnisvolle Fehler von Seiten der internationalen Gemeinschaft gemacht worden. Nicht die Friedensbewegungen sind schuld daran, daß es zur jetzigen hoffnungslosen Lage gekommen ist. Im Gegenteil: Sie waren die einzigen, die immer wieder warnend, aber vergeblich ihre Stimme erhoben. Wäre es zu der gewaltsamen Teilung Jugoslawiens gekommen, wenn die internationale Gemeinschaft schon 1989/90 diplomatisch eingegriffen und Unterstützung bei einer friedlichen Neuordnung des Landes angeboten hätte? Hätte der Krieg in Bosnien vielleicht vermieden werden können, wenn das Land nicht übereilt und gegen den Willen eines Drittels seiner Bevölkerung Anfang April 1992 als unabhängiger Staat anerkannt worden wäre? Warum hat nie jemand auch nur versucht, angesichts der Spannungen zwischen drei Bevölkerungsgruppen, die völlig gemischt zusammenlebten, an andere Lösungen als ethnisch einheitliche Regionen ("Kantone" hieß es zuerst 1992) zu denken? Wurden Vertreibungen ("ethnische Säuberungen") vielleicht deshalb so leicht hingenommen, weil auch die mächtigen westlichen Staaten nach dem Modell ein Volk-ein Staat organisiert sind? Und wie sieht es mit dem UN-Einsatz in Bosnien aus? Längst wird allgemein zugegeben, daß UNPROFOR mit ihrem Zwittermandat zwischen Peacekeeping und Friedenserzwingung (peace enforcement), das selbst von Boutros Boutros-Ghali kürzlich in einem Papier kritisiert wurde, gescheitert ist.