Interview mit Pawel Naumov vom Sowjetischen Friedenskomitee

"Die Idee paßt in die Zeit"

Die Redaktion des "Rundbriefs" nutzte ein Vorbereitungstreffen des Koordinierungsausschusses mit Vertretern des Sowjetischen Friedenskomitees (SFK) zu einem Gespräch mit dessen Vizepräsidenten Pawel Naumov über die sowjetischen Ziele mit der gemeinsamen Friedenswoche. Das Gespräch führten Christine Schweitzer und Gregor Witt.

rb: Welche Erwartungen verbindet das SFK mit der bundesdeutsch-sowjetischen Friedenswoche im Mai?
Naumov: Im Januar d.J. hat der KA die Idee an uns herangetragen. Wir haben sofort ja gesagt. Wir fanden die Idee sehr konstruktiv, weil sie zu den heutigen weltpolitischen Momenten sehr gut paßt nicht nur mit Blick auf die Beziehungen zwischen unseren beiden Staaten und ihrer Bewegungen. Das Hauptproblem ist jetzt, wie wir den Friedensprozeß, und d.h. den Prozeß der Abrüstung fördern können. Wenn die Friedenswoche hilft, Gespräche von Mensch zu Mensch zu fördern, ist das gut. Dadurch sammeln wir Informationen, die wir nutzen können, um die Regierungen mehr über die Wünsche und Überlegungen der Bevölkerungen zu informieren.

rb: Die Beziehungen auf Regierungsebene laufen doch recht gut, warum also so eine Woche?
Naumov: Einer der neuen Züge der Situation ist, daß die öffentliche Meinung in der ganzen Welt in den Prozeß der Friedenssicherung eingreifen muß. Nicht gegen den Willen der Regierung, sondern mit dem Willen der Regierung. Was unsere Regierung anbetrifft, so muß ich sagen, daß sie die Rolle und Bedeutung der öffentlichen Meinung hoch einschätzt. Wir stören z.B. die Begegnung von Generalsekretär Gorbatschow und Bundeskanzler Kohl nicht, wenn wir mit unseren Mittel klar sagen, was das Volk dazu denkt. Und wenn die Regierungen das beachten, ist es nur gut für die Sicherung des Friedens.

rb: Wie wichtig ist die Friedenswoche für das SFK?
Naumov: Die über 165 örtlichen Friedenskomitees in der Sowjetunion ha¬ben z.T. schon direkte Kontakte zu örtlichen Gruppen anderer Länder - auch in der Bundesrepublik. Der Meinungsaustausch ist viel breiter geworden. Während wir uns in den vergangenen zwei Jahren sehr auf die Beziehungen mit den USA konzentriert haben, weil bis dahin praktisch keine Kontakte dorthin bestanden, wird das die Zusammenarbeit mit der westeuropäischen Friedensbewegung jetzt wieder sehr aktuell.

rb: Wie wird die Friedenswoche in der Sowjetunion dargestellt?
Naumov: Die örtlichen Friedenskomitees haben bereits erste Informationen erhalten und werden weiter über unsere Kontakte informiert. Wenn die Delegationen zusammengestellt worden sind, werden wir die Komitees und andere Organisationen informieren. Darüber hinaus haben wir gute Beziehungen zu unseren Medien, die wir ebenfalls nutzen werden.

rb: Der Besuch von M. Gorbatschow wird unmittelbar nach der Friedenswoche stattfinden. Wird sich das auf die Woche auswirken?
Naumov: Die Ausgangsüberlegung für die Friedenwoche war, 50 Jahre nach Beginn des 2. Weltkrieges Lehren aus der Geschichte zu ziehen. Nachdem jetzt der Besuch von M. Gorbatschow vereinbart worden ist, steht unsere Aktivität natürlich in unmittelbarem Zusammenhang damit. Mein Land hat in der letzten Zeit einige sehr wichtige neue Initiativen ergriffen für Waffen- und Truppenreduzierungen in Mitteleuropa (DDR, Polen, CSSR, Ungarn). Es macht Vorschläge für das Verbot und die Vernichtung chemischer Waffen, wofür sogar ein spezielles Werk gebaut worden ist, das demnächst der internationalen Öffentlichkeit vorgestellt werden soll. Auf unsere Vorschläge gibt es aber eine ungenügende aktive Reaktion des Westens. Wenn dieser Besuch eine Beschleunigung des Prozesses bedeuten würde, wäre dies das wichtigste Resultat.

rb: Stimmt das SFK mit der Regierungspolitik in jeder Hinsicht überein?
Naumov: Seit 1985 wird die offizielle Politik in der Öffentlichkeit nicht mehr einfach bejaht, sondern auch nach den Schwächen dieser Politik gesucht. Zum Beispiel ist das einseitige Atomtestmoratorium auf Vorschlag des SFK entstanden. Wir haben in unseren Materialien gezeigt: die internationale Friedensbewegung hat diese Idee. Unser Druck war sehr stark. Letzten Endes hat unsere Regierung dann den Beschluß gefaßt. Leider war es dann aber so, daß trotz des fast zwei Jahre dauernden Moratoriums die andere Seite weiter getestet hat. Ein anderes Beispiel ist das Thema Afghanistan. Unsere Öffentlichkeit und das SFK insbesondere haben seit vielen Jahren in dieser Frage ganz klare Positionen eingenommen. In vielen Versammlungen und Gesprächen, in der Presse usw. wurde und wird die Frage gestellt:
War es nötig, daß wir der afghanischen Revolution gleich mit militärischen Kräften geholfen haben? Denn die Folgen waren negativ. Das bedeutet, daß wir als sowjetische Friedensbewegung nicht nur kleine Fragen erörtern, sondern  grundsätzliche Fragen der Politik.

rb: Welche Haltung nimmt das SFK in der Diskussion über die Rolle des Militärs, geringere Soldatenzahlen und Kriegsdienstverweigerung ein?
Naumov: Für Uns ist das eine komplizierte Frage. Ich habe vor einigen Tagen im Fernsehen eine Diskussion mit dem ersten Stellvertreter des Verteidigungsministers gehört. Er hat zu dieser Frage folgendes gesagt: Wir haben ausgerechnet, was es bedeuten würde wenn wir aus unserer Armee eine Berufsarmee machen würden. Die Verteidigung würde siebenmal teurer werden. Unsere ökonomische Situation erlaubt es uns in den nächsten Jahren nicht, das zu machen. Aber zur Frage Kriegsdienstverweigerung: Wir haben schon teilweise Lösungen. Junge Leute, die z.B. aus asiatischen Gebieten kommen und nach  den religiösen Vorstellungen ihrer Eltern keine Waffe in die Hand neh¬men dürfen, leisten ihre Pflicht meistens im Baudienst. Das ist teilweise noch unbefriedigend. Aber darüber wird zukünftig auch grundsätzlich diskutiert werden. Das neue Denken in Fragen der Sicherheit läßt das zu. Es ist vor allem eine Frage der Zeit, bis eine befriedigende Lösung gefunden werden kann.

rb: Herr Naumow, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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