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Die Konversion militärischer Liegenschaften als zivilgesellschaftlicher Prozeß
vonUnter Konversion versteht man allgemein, wenn es sich denn um 'Militärisches' und nicht um Kirchenwechsel handelt, meistens die Umstellung einer Produktion von Kriegsgerät auf zivile Güter - G3 zu Zapfhähnen. Darum geht es hier aber nicht. Durch den Abzug der alliierten Truppen aus der Bundesrepublik sowie der Verringerung der Standorte der Bundeswehr werden ehemals militärisch genutzte Liegenschaften von derzeit ca. 247.000 Hektar frei. Dies entspricht knapp der Fläche des Saarlandes oder ca. der Fläche, die beim derzeitigen Tempo in sieben Jahren für Siedlungs- und Verkehrsfläche verbraucht werden wird.
Warum ist die freiwerdende Fläche so wichtig? Die Nutzung von diesen ehemals militärisch genutzten Flächen entscheiden direkt über die Lebenswelt der BewohnerInnen, die in der Nähe dieser Flächen leben oder sie sinnvoll für sich nutzen könnten, wenn sie denn zur Verfügung stünden. Es ist halt ein Unterschied, ob auf einem aufgegebenen Truppenübungsplatz ein Naturschutzgebiet, eine Sondermüllverbrennungsanlage oder ein Freizeitpark entsteht.
Wie viele Flächen werden wo frei? Ist der Abzug von Soldaten und Freigabe von Flächen für die betroffenen Kommunen eher als Chance oder als Belastung zu werten? Wer entscheidet über die enorme Größenordnung der freiwerdenden Flächen und ihre zukünftige Nutzung? Welche Möglichkeiten und Grenzen gibt es für eine zivile Nutzung der freiwerdenden Flächen? Dies sind die Fragen, die ich im folgenden Artikel beantworten will. Es soll aufgezeigt werden wie groß die Bedeutung der freiwerdenden Flächen ist und wo Möglichkeiten und Risiken der Konversion ehemals militärisch genutzter Flächen liegen.
Die östlichen Bundesländer gewinnen die meisten Flächen
Von den ca. 243.000 ha die freigezogen werden, liegen 225.000 ha in den östlichen Bundesländern und "nur" 18.000 ha in den westlichen (vgl. zur Verteilung auch Karte "Flächenpotential freiwerdender militärischer Liegenschaften"). Die genauere Verteilung ergibt sich aus der Tabelle "Übersicht frei werdender militärischer Liegenschaften in der Bundesrepublik".
Ist der Abzug Chance oder Belastung?
Die Frage, ob im konkreten Fall einer Gemeinde der Abzug als positiv oder
negativ bewertet wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die wesentlichen sind hierbei:
- bisherige Abhängigkeit der Gemeinde vorn Militär
- Größe, Lage und Zustand der freiwerdenden Liegenschaften
- Angebot- und Nachfrageverhältnisse auf dem Flächenmarkt
Während Kommunen in strukturschwachen Gebieten häufig über die in Zukunft fehlenden Einnahmen aus Konsumausgaben der Soldaten klagen, zeigen sich die Städte und Gemeinden in wirtschaftlichen Wachstumsgebieten erfreut über den Zuwachs an disponibler Fläche, die die Engpässe auf dem Gewerbe- und Siedlungsflächenmarkt dämpfen kann.
Der Prozeß von der Freigabe bis zur ziviler Wiedernutzung
Wer entscheidet über Freigabe? In der Abbildung "Schematische Übersicht über die Verfahrensschritte bei der Freigabe bisher militärisch genutzter Liegenschaften" wird deutlich, daß als Eigentümerin jeweils entweder das BMVg oder das Bundesministerium der Finanzen (BMF) fungieren. Nach der Beendigung der militärischen Nutzung, über das allein die Militärs (BMVg oder Alliierte) entscheiden, fallen die Liegenschaften in das allgemeine Bundesvermögen. Gleichzeitig fallen die Flächen aus der Hoheit der militärischen Fachplanungen in die allgemeine Raumplanung, die in den Händen der Kommunen liegt. Dies sagt jedoch noch nichts über die weitere Nutzung der Flächen aus.
Zunächst bleiben die Flächen im Bundeseigentum und die Bundesfinanzverwaltung prüft, ob eine Bundesanschlußnutzung erwünscht wird. Ist dies nicht der Fall, haben nacheinander zuerst das Land und dann die Kommune ein Vorkaufsrecht für die Flächen, wobei ihnen der Bund für gewisse Nutzungen Verbilligungen gegenüber dem 'Verkehrsert' einräumt.
Die Verbilligungen sind nicht billig genug
Die Kommunen sind so gut wie einhellig der Ansicht, daß die angebotenen 'Verbilligungen' nicht ausreichen und sehen sich in vielen Fällen außerstande, die angebotenen Flächen zu erwerben, selbst wenn sie sie für ihre Stadtentwicklung für bedeutsam halten. Es gibt in fast jedem Einzelfall einen Wertermittlungstreit zwischen den Kommunen und dem zuständigen Bundesvermögensamt (BVA), einer administrativen Untereinheit der OFD. So streiten sich z.B. die Stadt Frankfurt und das zuständige BVA um den Preis verschiedener Kasernengelände. Die Stadt ist bereit 25 DM pro Quadratmeter zu zahlen, während das BVA 1.000 DM verlangt. Diese enorme Spanne ist sicher nicht typisch. Deutlich wird aber ein fehlendes Wertermittlungsverfahren, das z.B. zwischen dem BMF und den Spitzenverbänden der Städte und Gemeinden ausgehandelt werden könnte, um dann in Einzelfällen vor Ort angewandt zu werden. Hier könnte man den Streit auf eine gründliche Auseinandersetzung reduzieren, statt ihn ständig wieder neu vor Ort auszutragen.
Die Nutzung der Flächen und die 'Planungshoheit' der Kommune
In der Bundesrepublik sind die Kommunen die Träger der Flächenplanung. Sie nehmen über Flächennutzungs- und Bebauungspläne Einfluß auf die städtebauliche Entwicklung der Gemeinde. Wenn es also zu wenig Flächen für Wohnungsbau gibt, oder keine Grünflächen mehr in der Stadt, liegt die Schuld beim Rat der Stadt. Sobald die militärische Nutzung beendet ist, und die Flächen aus der Zuständigkeit einer Fachplanung des Bundes herausfallen, können die Kommunen über Flächennutzungs- und Bebauungspläne gemäß Baugesetzbuch (BauGB) Einfluß auf die Nutzung der Flächen nehmen. Bei diesen Planungen gibt es auch eine gesetzlich verankerte 'Beteiligung der Bürger' (§3 BauGB), die jedoch nur den wenigsten bekannt ist und von noch wenigeren genutzt wird. Man kann durch dieses gesetzlich verankerte Recht auf Beteiligung einiges erreichen, auch wenn es nur zwingend vorschreibt, daß sich die Verwaltung mit den Einwänden der Bürgerinnen auseinandersetzen muß.
Nun gilt in der Bundesrepublik jedoch neben der Planungshoheit der Kommune (abgeleitet von Art. 28,2 GG) auch das Eigentumsrecht (Art. 14,1 GG). Dies sorgt dafür, daß ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen den Interessen des Eigentümers (im Falle der Konversionsflächen der Bund) und der Kommune entstehen kann, da die Kommune berechtigt ist Rahmenbedingungen für die Nutzung der Fläche festzulegen, aber in der Regel den Eigentümer nicht zwingen kann, genau das auf der Fläche zu realisieren, was die Kommune für eine städtebauliche Entwicklung für das geeignetste hält. Um hier sicher zu gehen, muß die Kommune die Fläche selbst erwerben um die gewünschte Nutzung zu realisieren oder mit Auflagen in privatrechtlichen Verträgen zur weiteren Nutzung wieder zu veräußern.
Im konkreten Fall ist der Bund grundsätzlich daran interessiert, für die zu veräußernden Flächen eine hohe Rendite zu erzielen, während die Kommunen evtl. Nutzungen für die betroffenen Flächen vorsehen, die diese hohe Rendite für einen interessierten Käufer (sei es die Kommune selbst oder ein interessierter privater Investor) nicht erwirtschaften können (z.B. Naherholungsfläche, Schulen, ...). Für gewisse Nutzungen ist der Bund den Kommunen über die Verbilligungsrichtlinien entgegen gekommen, diese reichen aber wie gesagt den Kommunen in den meisten Fällen nicht aus.
Ein großes Problem für finanzschwache Kommunen stellen insbesondere die mangelnden Informationen über das Freiwerden ehemals militärisch genutzter Liegenschaften dar. Nicht nur, daß das BMVg ständig seine Planungen verändert, es ist auch bis heute nicht in der Lage, eine Liste aller freiwerdender Liegenschaften der Bundeswehr und NVA inkl. wichtiger Informationen wie Größe, Lage und insbesondere Zustand der Liegenschaft zu erstellen. Die Kommune oder ein interessierte privater Investor müssen sich die für sie wichtigen Informationen mühsam einzeln zusammensuchen. Dies stellt insbesondere für finanzschwache Kommunen, die es sich nicht leisten können 'auf Vorrat' verschiedene Planungen durchzuführen, von denen sie dann nach Bedarf eine auswählen, zu großen Schwierigkeiten.
Möglichkeiten und Grenzen der zivilen Wiedernutzung
Die Lage der Fläche - in der Bundesrepublik und in der Stadt:
Darauf, daß Regionen mit 'Wachstumsruck' keine sonderlichen Schwierigkeiten haben, freiwerdende Flächen wieder zu nutzen, sei es mit Gewerbe, Büros oder Wohnebauung, habe ich schon hingewiesen. Darauf, daß die BürgerInnen über die Beteiligung gemäß Baugesetzbuch Einfluß auf die Art der Nutzung nehmen können, auch. In vornehmlich ländlichen Gebieten, in denen die Investoren nicht Schlange stehen, kann die Umnutzung von Flächen ein erhebliches Problem darstellen. Findet man keine rentable Nutzung, verursacht die Fläche Kosten
(Verwaltung, Sanierung, evtl. Sicherung bei Gefahrenquellen wie Munitionsrückständen) ohne Einnahmen zu erwirtschaften. Hat die Fläche dann noch einen Nutzen, wie z.B. ein Naherholungsgebiet, kann das für die betreffenden Gemeinde ja sehr sinnvoll sein, auch wenn 'es sich nicht rechnet'. Ohne sinnvolle Nutzung jedoch werden diese Flächen zum Problem.
Nicht nur die Lage in der Republik, sondern auch die Lage der Fläche in der Stadt ist für die mögliche Nutzung von entscheidender Bedeutung. So liegen von der. z.Zt. bekannten freiwerdenden Fläche nur ca. 13% im Innenbereich der Städte, wobei die westlichen Länder hier mit einem Anteil von 34% deutlich besser gestellt sind als die östlichen mit ca. 12%. Flächen in der Stadt lassen sich, außer für störendes Gewerbe, das niemand gerne nimmt, offensichtlich viel leichter verwerten als Flächen im Außenbereich, die in vielen Fällen nicht einmal ausreichend erschlossen sind.
Zustand der Liegenschaften - Bund zahlt nicht für Sanierung der Altlasten
Sehr viele der freiwerdenden Flächen sind als altlastenverdächtig einzustufen. Auf Übungsplätzen sind Munitionsrückstände und Öle sowie Treibstoffe zu vermuten, auf Flugplätzen - ebenfalls letztgenannte. In Lagern sind alle nur erdenklichen Rückstände vorzufinden und selbst auf Kasernengeländen finden sich vereinzelt starke Verunreinigungen, die vor einer Wiedernutzung beseitigt werden müßten.
Nun scheint ja auf den ersten Blick ganz einfach, daß derjenige, der den Boden verseucht hat, ihn auch wieder sauber machen muß. Also das Militär. Der Bund ist neben den Verschmutzungen, die durch die Bundeswehr verursacht worden sind, auch für diejenigen der NVA verantwortlich, da er Rechtsnachfolger der DDR geworden ist. Mit der Westgruppe der sowjetischen . Streitkräfte (WG'I) ist eine Vereinbarung getroffen worden, daß der Bund die Flächen einschließlich der Verantwortung für deren Zustand übernimmt. Die Flächen, die von den West-Alliierten benutzt wurden, sind von der Bundesvermögensverwaltung vor der Rücknahme, zu überprüfen und etwaige Schäden den Vertragspartnern in Rechnung zu stellen.
Also ist der Bund der Hauptansprechpartner für die Sanierung von Altlasten auf ehemals militärisch genutzten Liegenschaften. Der Bund wird jedoch "nach seinen Bekundungen direkte Sanierungen nur zur Gefahrenabwehr (unmittelbare Gefahr für Menschen oder den Wasserhaushalt) vornehmen. ( ... ) Im Übrigen sieht sich der Bund generell zu einer Dekontaminierung nicht verpflichtet, weil dies seine Finanzkraft übersteigen würde." Dies stellt eine Abwälzung der nach dem Verursacherprinzip vom Bund zu tragenden Kosten auf die Länder, Gemeinden und zukünftige Generationen dar.
Auch die häufig vertretene These, daß Sanierungen abhängig von der geplanten Folgenutzung durchzuführen seien, ist m.E. nicht haltbar. Niemand kann heute vorhersagen, ob diese geplante Nutzung, die evtl. gegenüber Altlasten relativ unempfindlich ist, nicht morgen in eine andere überführt wird, für die diese Einschätzung nicht gilt. Sicherlich ist es verständlich, daß sowohl der Bund, als auch die Länder und auch die Kommunen gewillt sind, angesichts leerer Kassen nicht unnötig Geld in die Sanierung von Flächen zu stecken, die danach vielleicht versiegelt werden und z.B. einer Spedition als Lagerfläche dienen, und es ist auch nachvollziehbar, daß die vorhandenen Gelder zur Sanierung zuerst in den Regionen eingesetzt werden, wo der Bedarf an unbelasteten Flächen am größten ist: Von der prinzipiellen Verantwortung des Verursachers bzw. seines Rechtsnachfolgers für eine vollständige Beseitigung der angerichteten Schäden kann m.E. jedoch nicht abgerückt werden, ohne zukünftigen Generationen böse Überraschungen zu hinterlassen.
Fazit
- Die Konversion ehemals militärischer Liegenschaften in der Bundesrepublik hat für die Gestaltung der Lebenswelt der Menschen, die hier leben, allein schon aufgrund der Größenordnung eine entscheidende Bedeutung:
- Die Entscheidung über Weiternutzung oder Freigabe ist von den Militärs weitgehend hinter verschlossenen Türen getroffen worden. Sicherlich mußte der Verteidigungsausschuß des Bundestages z.B. dem Truppenübungsplatzkonzept der Bundeswehr zustimmen, eine öffentliche Diskussion über Größenordnung und Ort der Freigaben wurden jedoch weder vom BMVg noch vom Parlament aktiv angeregt.
- Über die Kontamination der freiwerdenden Liegenschaften mit Altlasten liegen nur in den seltensten Fällen systematische Untersuchungen vor. Der Bund weigert sich, die Flächen weitergehend als zur Gefahrenabwehr zu sanieren und verschiebt damit das Problem auf die Länder, die Kommunen und zukünftige Generationen.
- Bis auf die zu begrüßenden aber offensichtlich zu geringen Verbilligungen für Kommunen beim Kauf von Liegenschaften für ausgewählte Nutzungen und das den Ländern und Kommunen eingeräumte Vorkaufsrecht, hat der Bund keine Konzepte entwickelt, um die Verwertung der Flächen in Größenordnung des Saarlandes inhaltlich zu beeinflussen. So kann man zu dem Schluß kommen, daß sich die Haltung der Bundesregierung zur Konversion mit dem Satz beschreiben läßt: "Abrüstung vollzieht sich im Rahmen einer neoliberalen Anpassungsstrategie nach marktwirtschaftlichen Entwicklungsgesetzen und darf nicht durch Eingriffe des Staates beeinflußt werden."
- Die Kommunen gewinnen zwar durch die Beendigung der militärischen Nutzung augenblicklich wieder die Planungshoheit über die betroffenen Flächen, können aber trotzdem häufig nicht durchschlagend auf die Nutzung Einfluß nehmen, u.a. weil der geforderte Kaufpreis für sie zu hoch ist und/oder sie mit einer 'Planung auf Vorrat' aufgrund unsicherer und wechselnder Informationen von Seiten des Bundes finanziell und personell überfordert sind,
- Bürgerlnnen können über die Beteiligung laut Baugesetzbuch ihren Kommunen auf die Füße treten und somit versuchen, diesen riesigen Strukturwandel von militärischer zu ziviler Nutzung zumindest zu beeinflussen, falls sie nicht davon überzeugt sind, daß die "marktwirtschaftlichen Entwicklungsgesetze“ schon alles zu ihrem besten richten werden.