21. Internationale Münchner Friedenskonferenz

Die Zivilgesellschaft und die vermeintliche „Zeitenwende“

von Maria R. Feckl
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Die Int. Münchner Friedenskonferenz ging aus den Straßenprotesten, den AntiSiko - Demos gegen die Münchner Sicherheitskonferenz hervor. Ein wesentliches Ziel der Friedenskonferenz ist es, Denkprozesse anzustoßen. Sie will Menschen ermutigen und mit Hintergrundwissen befähigen, sich ins politische Geschehen einzumischen.

Die Auftaktveranstaltung der 21. Münchner Friedenskonferenz (17. – 19. Februar 2023) fand mit 300 Teilnehmer*innen im gut gefüllten Saal des Alten Rathauses statt. Es war ein Experiment, soziale Gerechtigkeits-, Klima- und Friedensbewegung auf dem Podium miteinander ins Gespräch zu bringen. Angesichts der Herausforderung einer massiven Militarisierung und Aufrüstung nicht nur in der Bundesrepublik wünschen wir uns alle einen Schulterschluss in den zivilgesellschaftlichen Bewegungen. Clemens Ronnefeldt wies in seinem Eröffnungsreferat auf die Einflussmöglichkeiten und die Kraft der Zivilgesellschaft hin. Als ein Beispiel nannte er den Atomwaffenverbotsvertrag.

Auf dem Podium diskutierten Ernst Hörmann, Letzte Generation, Mustafa Ericyas, Migrationsbeirat, Sabine Gruber, ver.di, Clemens Ronnefeldt, Int. Versöhnungsbund und Dr. Lars Pohlmeier, IPPNW. In ihren Eröffnungsstatements wiesen die Referent*innen auf die Folgen der Aufrüstung und des Krieges hin. Bereits jetzt fehlen Gelder für dringende Aufgaben in den Bereichen Soziales und Integration, Klimaschutz und Artenvielfalt, Gesundheit und Pflege. Dr. Pohlmeier fragte in die Runde: „Soll mein Sohn jetzt Kampfjetpilot werden statt Arzt?“

Sabine Gruber, ver.di, rief dazu auf, die Strukturen in der Zivilgesellschaft wie auch in den Betrieben zu nutzen, um die Menschen wieder in Begegnung zu bringen und die Diskussionskultur zu verbessern.

Es wurden gemeinsame Ziele identifiziert. Ernst Hörmann, Letzte Generation, sagte: „Auch müssen wir unsere Rüstungsausgaben radikal senken, da diese die Klimakatastrophe befeuern und die Herausforderungen durch die existenziellen Krisen eine Konzentration aller unserer Kräfte erfordern.“

Die Podiumsdiskussion war ein erster Schritt, die verschiedenen sozialen Bewegungen in Begegnung zu bringen, auch wenn es teilweise schien, dass den Teilnehmenden die gemeinsame Sprache fehlte. Gemeinsam verabschiedeten sie den Appell „Münchner*innen für den Frieden“.

Workshop: Wehrhaft ohne Waffen? Wie kann das gehen?
Der Workshops „Wehrhaft ohne Waffen? Wie kann das gehen?“ stoß mit 70 Teilnehmenden auf sehr große Resonanz. Nele Anslinger, Koordinatorin der Kampagne „Wehrhaft ohne Waffen“ des Bund für Soziale Verteidigung e.V. und Jochen Neumann von der Kurve Wustrow stellten das Konzept der Sozialen Verteidigung vor und diskutierten, welche Form der Verteidigung – ob militärisch oder sozial – sich besser eignet für das, was wir verteidigen, erhalten und verändern wollen.

Kriegsinteressen und Kriegsnarrative: Afghanistan, Ukraine
Der Samstagabend - nach der AntiSiko Demo - in der Hochschule für Philosophie und mit 200 Besucher*innen sehr gut besucht, schlug den Bogen vom Krieg in Afghanistan zum Krieg in der Ukraine. Eine Klammer stellte die Funktion von Bildern in der Kriegsberichterstattung dar. Prof. Dr. Claudia Paganini, Professorin für Medienethik, eröffnete den Abend mit ihrem Vortrag „Die Macht der Bilder. Kriegsberichterstattung aus der Perspektive der Medienethik“. Sie sagte: "Gewalt liegt nicht einfach vor, sie wird in Medien abgebildet, gedeutet, problematisiert oder aber befördert."

Dr. Fahim Amir, Philosoph und Buchautor, wies in seinem bewegenden Vortrag „Roaring 20ies – Afghanische Träume und ihr Gegenteil“ auf die großen Linien dieses 20-jährigen Krieges hin. Er beschrieb die Doppelmoral, die Drohnenpolitik und die radioaktive Verseuchung nach dem Einsatz von uranbeschichteten Sprengköpfen und deren Folgen für die Menschen und das Land. Er selbst fasste seinen Vortrag mit den Worten zusammen: „Wehe der Held*innen des Westens, denn die Gunst ist launisch. Doch Länder sind schnell zerstört und Seelen für immer vernarbt. Mit den Trümmern müssen dann andere leben lernen.“

Mit dem Hinweis, dass bereits 2001 mit dem „War on Terror“ von George Bush jr. nach dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September eine Zeitenwende ausgerufen wurde, schlug Andreas Zumach den Bogen vom Krieg in Afghanistan zum Krieg in der Ukraine. Der Begriff „Zeitenwende“ ist ein „ideologischer Kampfbegriff“. Das Ziel des Krieges in Afghanistan wurde nicht erreicht. Dies sollte uns eine Warnung sein, jetzt wieder eine Zeitenwende auszurufen und den Krieg den Menschen als alternativlos zu verkaufen, zu behaupten, wir hätten keine Alternative als die totale Konfrontation mit Russland.

Er erteilte dem Titel seines Vortrages „Ukrainekrieg – lag/liegt die Friedensbewegung falsch? Gehören Pazifismus und ‚Frieden schaffen ohne Waffen‘ auf den Müllhaufen der Geschichte?“ ein klares ‚Nein‘. Die einzige pazifistische Regierung weltweit gebe es bisher in Costa Rica, das kein eigenes Militär unterhält. Pazifismus und Abrüstung seien notwendiger denn je. Andreas Zumach rief den Zuhörer*innen zu „Lasst Euch nicht entmutigen!“ und formulierte den Satz neu: „Ukrainekrieg: Frieden schaffen ohne Atomwaffen - wie kann das gelingen?"

Hinweis: Die Video-Aufzeichnungen sind unter friedenskonferenz.info abrufbar.

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Maria R. Feckl ist seit 2022 Organisatorin der Int. Münchner Friedenskonferenz. Sie studiert im Masterstudiengang Peace and Conflict Studies an der Universität Innsbruck.