Diskussion um Ramstein-Aktion

von Redaktion FriedensForum

Im letzten FriedensForum dokumentierten wir einen Brief des Trierer Bündnisses gegen Krieg an die Trägerorganisationen und den Initiativkreis des Protestmarsches nach Ramstein. Im folgenden dokumentieren wir den Antwortbrief der IPPNW.

Liebe FreundInnen des Trierer Bündnisses gegen Krieg,

Ihr setzt mit dem Brief vom 30.3. eine seit Beginn des Jahres von Euch geführte Diskussions- und Vorwurfslinie fort. Statt die Ramstein Aktionen am 20.3. als gemeinsamen Erfolg zu sehen, kartet ihr nach. Das bedauern wir. In unserer Antwort konzentrieren wir uns auf wesentliche Punkte: Die Themenwahl, den Vorwurf mangelnder Partizipation und die RednerInnenauswahl.

Das Thema der Bedrohung durch Atomwaffen war bewusst als inhaltlicher Schwerpunkt zum Jahrestag des Irakkrieges gesetzt. Das war seit Ende September 2003 bekannt. Horst-Eberhard Richter hat das Vorhaben auf der Strategiekonferenz der Kooperation für den Frieden am 27.9.2003 vorgestellt. Diese Schwerpunktsetzung fand Anfang des Jahres eine aktuelle Bestätigung. Mohammed al-Baradei (Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde / IAEA) befürchtete in einem Interview, dass ein Atomkrieg näher rückt. "Noch nie war die Gefahr sogroß wie heute", erklärte der oberste Waffenkontrolleur der UNO.

Der Aufruf hatte eine nationale und internationale Zielsetzung und stellte nie die Möglichkeit weiterer spezifischer Aufrufe in Frage. Wir haben es daher auch begrüßt, dass es neben dem von der IPPNW initiierten Aufruf einen regionalen Aufruf gab, der in Eurer Verantwortung lag und die Themen umfasste, die Euch wichtig waren. Horst Eberhard Richter warb für die Aktion in Veranstaltungen in Kaiserlautern und Trier und stellte sich der Diskussion.

Unseres Erachtens hat sich die spezifische und klar umrissene Themenwahl ausgezahlt.

Und natürlich wurde das Atomwaffenthema in den Gesamtkontext der aktuellen Themen eingebunden: Irak, US-amerikanischeErpressungspolitik etc. Der Aufruf wurde von einer großen Zahl prominenter Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft und Politik getragen, national wie international und war die Basis für die mit 3000 TeilnehmerInnen größte Kundgebung an diesem Tag in Deutschland. Berücksichtigt man das schlechte Wetter, die für viele sehr weite Anfahrt, die Konkurrenz von über 100 Veranstaltungen bundesweit, so ist es ein sehr zufriedenstellendes Ergebnis. Unsere Veranstaltung fand eine breite regionale, nationale und auch internationale Erwähnung in den Medien - bis zur Life-Übertragung der Ramstein-Kundgebung von Phönix. Wann hat eine Demonstration vor einem Atomwaffenstandort in den letzten Jahren eine derartige öffentliche Resonanz ausgelöst?

Der Vorwurf der mangelnden Transparenz bei der RednerInnenauswahl usw. ist nicht nachvollziehbar. Zumal ihr zu jeder Sitzung des Vorbereitungs- bzw. später des Trägerkreises geladen wart. Das ihr es nur vermochtet, an einer von insgesamt acht Sitzungen teilzunehmen, könnt ihr nicht dem Trägerkreis anlasten. Das ihr Euch bei dieser Sitzung nicht in allen Punkten durchsetzen konntet, damit müsst ihr leben.

Um Eure Positionen dennoch zum Tragen zu bringen,hat es mehrere Vorschläge gegeben, die dann auch z.B. im Rahmen des Faltblattes der Kooperation für den Frieden realisiert wurden. Aus unserer Sicht bleibt festzuhalten: Nach zum Teil kontroverser Diskussion sind alle Entscheidungen, den Aufruf und die RednerInnenliste betreffend, einvernehmlich nach demokratischen Prinzipien erfolgt.

Eine andere grundsätzliche und beständig wiederkehrende Auseinandersetzung wird sich auch durch diesen Nachklapp nicht klären lassen: Sollte es auf den Podien nur RednerInnnen geben, die Positionen vortragen, die der eigenen 100prozentig entsprechen, oder versucht man in Vorbereitung und Durchführung eine gesellschaftliche Verbreiterung zu erreichen, was zwangsläufig auch zu diskussions- und kritikwürdigen Beiträgen führen kann. Diese Frage lässt sich jeweils nur in der politischen Auseinandersetzung klären. Für Ramstein wurde sie geklärt - gegen Eure Position, was jetzt zu Eurem Schreiben geführt hat. Es sollte Euch nicht verwundern, dass wir mit den Beiträgen von Franz Alt und Oskar Lafontaine inhaltlich einverstanden waren und uns diese Sicht von vielen Seiten bestätigt wurde. Die im Rahmen der Vorbereitung geäußerten Befürchtungen, insbesondere die Rede von Oskar Lafontaine würde zu lauten Missfallenskundgebungen führen, erwiesen sich als unzutreffend.

Ihr hattet eine gute Plattform bei der Auftaktkundgebung - was Euch aber auch nicht befriedigt hat. Ramstein hat es geschafft, "visuell" und in der nationalen (und internationalen!) Nachrichtenlage diesen Tag zu belegen. Für uns als Veranstalter ein gutes Ergebnis, das mit der Teilnahme von Peter Ustinov sicher noch besser geworden wäre (der aber auch nicht Eure Themen vorgetragen hätte).

So klingt leider vieles in Eurem Brief nach "Nölen" und respektiert nicht die Realitäten, die die Organisation einer solchen Aktion mit sich bringt. Schade.

Dennoch mit Dank und freundlichen Grüßen, Frank Uhe, IPPNW,24. Mai 2004

Kontakt: Körtestr. 10, 10967 Berlin, Telefon: 030 698 07410, Fax: 030 693 8166

Kooperation

Ausführlich geantwortet haben auch die SprecherInnen der "Kooperation für den Frieden"

Wie die IPPNW betonen Reiner Braun, Kathrin Vogler und Reinhard J. Voß, dass die Erinnerung an das weitgehend verdrängte Atomwaffenthema ein großes Verdienst der Ramstein-Aktion war und räumen ein: "Leider konnten auch wir uns in dieser Angelegenheit, in der das politisch Spannende die Herstellung der Verbindung verschiedener Ebenen von Militarismus und Kriegspolitik gewesen wäre, nicht in vollem Umfang durchsetzen."

Dennoch seien bei den Kundgebungen alle Themen umfangreich angesprochen worden: Für uns war das Kundgebungs-Konzept, bestehend aus einer Kundgebung in Ramstein und einer in Landshut, eine politisch-inhaltliche Einheit, auf der alle Thematiken der Demonstration angesprochen werden sollten und unserer Meinung auch wurden. Auch und gerade die Irak- Kriegspolitik und die Militarisierung Europas. Eine Aufteilung der Beiträge der "Auftaktkundgebung" in Anti-Kriegspolitik und der "Schlusskundgebung" in Atomwaffen ist willkürlich und entspricht nicht den Beiträgen der Rednerinnen und Redner. Dieses lässt sich unschwer an den vorliegenden Manuskripten und an den Moderationstexten nachweisen. Auch bei den beiden von euch namentlich kritisierten Rednern kamen beide Aspekte vor.

Und: Rednerinnen und Redner sollen auchimmer die Breite des Protests widerspiegeln und damit auch die Breite der unterstützenden Spektren. Dass dem einen die mehr "bürgerliche", der anderen die "autonome", und dem dritten die "sozialistische" Flanke des Spektrums manchmal aufstößt, ist doch gerade spannend und lebensbejahend. Ein Schwimmen im eigenen Saft lehnen wir aus dem Selbstverständnis der Kooperation heraus ab.
 

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