Die Uhr steht weiter auf 90 Sekunden bis Mitternacht

Doomsday Clock 2024

von Christine Schweitzer
Im Blickpunkt
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Als einen „Moment historischer Gefahr“ bezeichnete das Bulletin of Atomic Scientists (1) seine diesjährige Entscheidung, die „Doomsday Clock“, die „Weltuntergangsuhr“, weiter auf 90 Sekunden vor Mitternacht zu belassen. 2023 erreichte sie diese Rekordmarke, die sie selbst im sog. Kalten Krieg nie erreichte, vor allem aufgrund der Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen durch Russland. Wir dokumentieren die eindringliche Erklärung des Bulletins hier in Auszügen.

Die Autor*innen erläutern die „vielen Dimensionen der nuklearen Bedrohung“, wie sie es nennen. Zur Gefahr, dass Russland im Krieg gegen die Ukraine Atomwaffen einsetzt, wird erwähnt, dass Putin im Februar den Vertrag zur Reduzierung strategischer Atomwaffen (New Start) „aussetzte“, ankündigte, taktische Atomwaffen in Belarus stationieren zu wollen und seine Ratifizierung des Umfassenden Teststoppverbotsvertrags rückgängig machte. Ebenso bedrohlich ist die Steigerung der Ausgaben für Atomwaffen der drei größten Atommächte (China, Russland und USA), was zu einem atomaren Rüstungswettlauf führen könnte. Weiterhin wird erwähnt die Urananreicherung im Iran und der Ausbau der nuklearen Fähigkeiten von Nordkorea, Pakistan und Indien. Der Gaza-Krieg habe das Potenzial, zu einem größeren Konflikt in der gesamten Region des Nahen und Mittleren Ostens zu führen.

Weitere Bedrohungen: Klimawandel, Genmanipulation und Künstliche Intelligenz
Mit dem Satz: „Die Welt betrat im Jahr 2023 Neuland, als sie das heißeste Jahr aller Zeiten erlebte und die globalen Treibhausgasemissionen weiter anstiegen“, leiten die Autor*innen den Abschnitt zum Klimawandel ein. Die Bemühungen um die Reduzierung der Treibhausgase seien völlig ungenügend, den Klimawandel zu bremsen.

Eine weitere Bedrohung sei biologischer Art. Hier geht es um die Technologie der Genmanipulation, die immer ausgeklügelter wird. Besonders die Verbindung von biologischen Technologien und Künstlicher Intelligenz „könnte Individuen massive Möglichkeiten geben, Biologie zu missbrauchen“.

Den Gefahren durch Künstliche Intelligenz ist ein eigener Abschnitt im Statement gewidmet. „KI hat ein großes Potenzial, Desinformation zu verstärken und die Informationsumgebung, auf die die Demokratie angewiesen ist, zu korrumpieren. KI-gestützte Desinformationsbemühungen könnten ein Faktor sein, der die Welt daran hindert, effektiv mit nuklearen Risiken, Pandemien und dem Klimawandel umzugehen.

Der militärische Einsatz von KI nimmt zu. KI wird bereits in großem Umfang in den Bereichen Informationsbeschaffung, Überwachung, Aufklärung, Simulation und Ausbildung eingesetzt. Besonders besorgniserregend sind tödliche autonome Waffen, die Ziele ohne menschliches Eingreifen identifizieren und zerstören. Entscheidungen, der KI die Kontrolle über wichtige physische Systeme – insbesondere Atomwaffen – zu übertragen, könnten tatsächlich eine direkte existenzielle Bedrohung für die Menschheit darstellen.

Wie die Uhr zurückgedreht werden kann
Die Wissenschaftler*innen begnügen sich nicht damit, zu warnen. Ihr Statement endet mit folgenden Sätzen: „Jeder auf der Erde hat ein Interesse daran, die Wahrscheinlichkeit einer globalen Katastrophe durch Atomwaffen, den Klimawandel, Fortschritte in den Biowissenschaften, disruptive Technologien und die weit verbreitete Korruption des weltweiten Informationsökosystems zu verringern. Diese Bedrohungen sind sowohl einzeln als auch in ihrer Wechselwirkung von solcher Art und Größe, dass keine einzelne Nation oder einzelner Anführer sie unter Kontrolle bringen kann. Das ist die Aufgabe von Staats- und Regierungschefs und Nationen, die in der gemeinsamen Überzeugung zusammenarbeiten, dass gemeinsame Bedrohungen gemeinsames Handeln erfordern. Als ersten Schritt sollten drei der führenden Weltmächte – die Vereinigten Staaten, China und Russland – trotz ihrer tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten einen ernsthaften Dialog über jede der hier beschriebenen globalen Bedrohungen beginnen. Auf höchster Ebene müssen diese drei Länder Verantwortung für die existenzielle Gefahr übernehmen, mit der die Welt derzeit konfrontiert ist. Sie haben die Fähigkeit, die Welt vom Rande einer Katastrophe zu befreien. Sie sollten dies mit Klarheit und Mut und ohne Verzögerung tun.

Es ist 90 Sekunden vor Mitternacht.“

Anmerkung
1 „Das Bulletin of the Atomic Scientists wurde 1945 von Albert Einstein, J. Robert Oppenheimer und Wissenschaftler*innen der University of Chicago gegründet, die an der Entwicklung der ersten Atomwaffen im Manhattan-Projekt beteiligt waren. Zwei Jahre später erstellte das Bulletin of the Atomic Scientists die Weltuntergangsuhr unter Verwendung der Bilder der Apokalypse (Mitternacht). und die zeitgenössische Redewendung der nuklearen Explosion (Countdown bis Null), um Bedrohungen für die Menschheit und den Planeten zu vermitteln.“

Quelle: https://thebulletin.org/doomsday-clock/current-time/; das vollständige Statement gibt es unter  https://thebulletin.org/wp-content/uploads/2024/01/2024-Doomsday-Clock-S...

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Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.