Friedenssaaten – Sjeme Mira

Ein Vorschlag zum Friedensschaffen in Bosnien

von Scott Schaeffer-Duffy

Angesichts der Grausamkeit des Krieges in Bosnien und der Unfähig­keit der internationalen Gemeinschaft, mehr als unzureichende humani­täre Hilfe zu leisten und mit Luftangriffen zu drohen, wird es zur Auf­gabe derjenigen, die an Gewaltfreiheit glauben, dabei zu helfen, Frieden wiederherzustellen. Auf der Basis der Erfahrung mit kürzlichen Versu­chen, Frieden in Bosnien zu schaffen, hat eine kleine hoch engagierte Gruppe von AktivistInnen sich  unter  dem Namen Sjeme Mira (Friedenssaat) in der Hoffnung zusammengetan, ein mutiges und krea­tives Zeugnis über die Macht der gewaltfreien Liebe über die Barbarei des Krieges abzulegen.

Die amerikanische Vorbereitungs­gruppe, die sich bereits an den beiden Friedensmärschen nach Sarajevo betei­ligt hatte und zu den schärften Kritike­rInnen der Mir Sada Aktion gehört, möchte eine zahlenmäßig kleinere Ak­tion in Mostar noch in diesem Jahr durchführen. Friedensorganisationen und Gemeinschaften in allen Ländern sind aufgerufen, eine Delegation zu­sammenzustellen, die Erfahrung in Gewaltfreiheit hat und der das Risiko einer Aktion im Kriegsgebiet bewußt ist. Je­des Land wird gebeten, seine Vertrete­rInnen in einer Bezugsgruppenstruktur zu organisieren und genügend Lebens­mittel und Material für einen zweiwö­chigen Aufenthalt u.U. ohne ein Dach über dem Kopf in isolierten und bela­gerten Gebieten Bosniens zu beschaffen.

 

Ziele der Aktion

  1. ein gewaltfreies Zeugnis gegen Krieg und gegen die Verwendung von Ge­walt durch alle Parteien ablegen. Zu diesem Zweck wird jede Teilnehme­rln sich verpflichten, zu keinem Zeit­punkt Gewalt anzuwenden oder zu befürworten. Die Gruppe wird zu keinem Zeitpunkt die Eskorte oder den Schutz durch bewaffnete Kräfte akzeptieren. Stattdessen werden die Kämpfenden eingeladen werden, ihre Waffen niederzulegen und der Mili­tärdienstpflicht sich zu widersetzen. Gewaltfreie Alternativen zur Gewalt werden kreativ gesucht und verbreitet werden.
  2. Versöhnung aller Völker durch das persönliche Zeugnis unserer Unter­schiedlichkeit und Toleranz zu för­dern sowie durch Konfliktlösung, Mediation, Demonstrationen und interreligiöse Gebetsgottesdienste
  3. In physischer Solidarität mit allen Opfern des Krieges, Moslems, Kroaten und Serben sein, indem wir in ihren Gemeinden leben, wo die reale Gefahr eines Angriffs besteht. Wir wollen in enger Zusammenarbeit mit allen Friedenaktivistlnnen im ehemaligen Jugoslawien handeln und sie unterstützen.

 

Zeitplan: Am Abend des 30. November werden diese verschiedenen nationalen Kontingente sich in Ancona/Italien tref­fen, wo die Gruppe den nächsten Tag damit verbringen wird, persönliche Bin­dungen aufzubauen und unsere gemein­samen Ziele zu besprechen. Es wird ein interreligiöser  Friedensgottesdienst abgehalten werden, der viele Religionen, besonders jene der kämpfenden Parteien in Bosnien umfaßt und es wird einen Friedensmarsch zur Fähre geben.

Am Abend des 2. Dezember wird die gesamte Gruppe, voraussichtlich nicht mehr als 200 Personen, die Fähre nach Split nehmen, wo wir örtliche Friedens­aktivistInnen treffen sowie einen weite­ren Gottesdienst und Friedensmarsch abhalten werden.

Früh am 4. Dezember wird Sjeme Mira Split verlassen und nach Imotski fahren, eine Stadt nahe der Bosnischen Grenze. Verläßliche Fahrzeuge werden für die TeilnehmerInnen von Übersee beschafft werden, aber wir hoffen, daß so viele Europäerlnnen als möglich ihre eigenen Gruppenfahrzeuge beschaffen. Sjeme Mira beabsichtigt, zur Grenze zu laufen und dabei Transparente zu tragen und Flugblätter zu verteilen. Unterstützungs­fahrzeuge werden folgen. Übersetzerln­nen werden greifbar sein, um unsere Absicht jedem, besonders Soldaten an der Grenze oder später an Checkpoints zu erklären. Falls die Gruppe durch be­waffnete Kräfte an irgendeinem Punkt gestoppt wird, soll versucht werden, durch Mittel des gewaltfreien Wider­standes (Sitzprotest, Fasten) die Weiterfahrt zu erreichen.     

Es wird gehofft, am 6. Dezember nach einemzweitägigen Marsch am Rand der Stadt Mostar anzukommen. Die Zeit des Marsches wird darauf gerichtet sein, Kontakte zu knüpfen und von den Menschen in Bosnien zu lernen, sowie öf­fentliche Aufmerksamkeit über Sjeme Mira im ehemaligen Jugoslawien und in der internationalen Gemeinschaft zu er­wecken. Sjeme Mira hat sich entschie­den, sich auf Mostar zu konzentrieren, weil das Leiden dort groß ist und eine relativer Mangel an Öffentlichkeit besteht. Falls es gelingt, die Stadt zu be­treten, soll versucht werden, Mitglieder der Gruppe in alle Teile der Stadt zu verteilen. Ziel ist es, sich zwischen die  kriegsführenden Parteien zu stellen oder sich auf beiden Seiten der Frontlinien zu verteilen mit der Hoffnung einen Waf­fenstillstand zu inspirieren. Die Gruppe ist in dieser Hinsicht durch die Erfah­rung von UN Mitarbeiterinnen ermutigt, denen Präsenz in Mostar als ein Schutz gegen den Granatbeschuß auf ZivilistInnen genutzt wurde.

Sjeme Mira plant, sich bis zur dritten Dezemberwoche in Bosnien aufzuhal­ten, aber einige Teilnehmerinnen sind bereit, länger zu bleiben, falls sich dies als hilfreich herausstellt.

Deutsche Kontaktadresse: Bund für So­ziale Verteidigung, Friedensplatz 1 a, 32-78 Minden, tel. 0571-29456 oder: Christine Schweitzer, Tel. 0221-240 18 19.

Unser Ziel ist es, eine oder zwei Be­zugsgruppen von deutschen Teilnehme­rInnen zusammenzustellen. Vorausset­zung für die Teilnahme ist Überein­stimmung mit den beschriebenen Zielen und dem Geist der Aktion sowie unbe­dingt Erfahrung in gewaltfreien Aktio­nen. Ein Vorbereitungstraining, das für alle Teilnehmerlnnen verpflichtend ist, findet am 27./28. November voraus­sichtlich entweder in Köln oder Minden statt. Eine Teilnahme an der Aktion ohne vorherige Anmeldung ist nicht möglich. Nähere Einzelheiten teilen wir gerne auf Anfrage mit. Da zwischen den TeilnehmerInnen schon vor der Aktion verschiedene Absprachen getroffen und Dinge organisiert werden müssen, wäre es gut, wenn Ihr Euch möglichst bald melden würdet.

 

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Rubrik

Krisen und Kriege