Eine Botschaft der Überlebenden

von Raúl Leis
Schwerpunkt
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Dies ist eine Botschaft derer, die eine vorherige US-Invasion überlebten. Wir Panamaer haben Horror und Tod durch eine US-amerikanische In­tervention am 20. Dezember 1989 erfahren. Ein ganzer Stadtteil wurde damals in einer Stunde ausradiert, ganze Wohnblocks wurden von Ra­keten gesprengt, Häuser explodierten von einem auf den anderen Au­genblick.

Wieviele Tote, wieviele Verletzte und Verschwundene gab es? Wir wissen es bis heute nicht genau. Das hat seinen Grund. Die Regierung der Vereinigten Staaten und unsere Regierung, die in ei­ner US-amerikanischen Militärbasis vereidigt wurde, sind Komplizen dabei, die wirkliche Zahl der Opfer zu vertu­schen. Viele Leichen sind in Massen­gräbern verscharrt, die auf Militärge­lände unter Kontrolle der US-Armee liegen, andere wurden buchstäblich zer­fetzt, viele wurden auf Druck der Regie­rung von ihren Angehörigen und Freun­den stillschweigend begraben. Regie­rungs- und kirchliche Quellen sprechen von 600 Toten, in der Mehrheit unbe­waffnete Zivilisten. Menschenrechts-Gruppen -- u.a. die US-amerikanische Ramsey-Clark-Kommission -- schätzen, daß es zwischen fünf- und siebentau­send waren. Ich selbst habe die Öffnung eines Massengrabes auf panamaischem Boden erlebt. 120 verkohlte Leichen von Kindern, Alten und Frauen. Fas­sungsloses Schluchzen unter tropischer Sonne.

Wenn das das Ergebnis einer Militärak­tion von kurzer Dauer und 30.000 Sol­daten war, wieviele Tote wird es dann bisher im Irak gegeben haben bei einem ungleich massiveren Angriff?

Panama war auch ein "Testfall" für neue todbringende Waffen, darunter das Stealth-Flugzeug, und für den Einsatz von Laser. Die Effizienz dieser Waffen wird heute im arabischen Golf tausend­fach geprobt.

Die Vereinigten Staaten haben ihre In­vasion in Panama damit begründet, daß sie das Land von einem korrupten Dik­tator befreien und Demokratie und wirt­schaftlichen Wohlstand bringen würden. Das Ergebnis 13 Monate danach: Wir sind ein Land in tiefer wirtschaftlicher Krise; die versprochene US-Hilfe wird von der Erfüllung der IWF-Auflagen abhängig gemacht; die demokratischen Freiheiten sind beschnitten: Panama ist zu einem nordamerikanischen Protekto­rat, wenn nicht gar einer Kolonie ge­worden. Tatsächlicher Interventions­grund für die USA war nichts anderes, als ihr strategisches Interesse am Kanal zu sichern, ihre Militärbasen zu erhalten und eine US-freundliche Regierung ein­zusetzen.

Im Falle des Golfkriegs ist die Befrei­ung Kuwaits auch nur eine Schutzbe­hauptung, um die Interessen des We­stens am Öl zu verteidigen. Die USA behaupten für die Selbstbestimmung Kuwaits zu kämpfen -- dieselbe Selbst­bestimmung, die sie bei der Invasion Panamas offen verletzten. Das Schlimme im gegenwärtigen Fall ist, daß sie damit die ganze Welt in Kriegsge­fahr bringen und in die Gefahr einer ökologischen und wirtschaftlichen Kata­strophe.

Weder Noriega noch Saddam Hussein sind Helden oder große Führer. Beide sind Symbole autoritärer Herrschaft und schlimmer Menschenrechtsverletzungen gegenüber ihren Völkern. Aber es ist nicht richtig, dies als Vorwand zu neh­men, um eigene Interessen zu verdecken und ganze Völker zu strafen. Panama und Irak, beide Fälle beweisen die Un­fähigkeit der Weltgemeinschaft, inter­nationale Konflikte friedlich zu lösen. Die Hochrüstung und die herrschenden Interessen des internationalen Kapita­lismus vergewaltigen den Wunsch nach Frieden, der jedem Menschen inne­wohnt.

Der Weg zu einem gerechten Frieden ist schwierig und voller Widersprüche, der Weg zu Niederwerfung und Friedhofs­ruhe dagegen kurz. Wer könnte sich mehr nach Frieden sehnen als wir Pa­namaer, ein kleines Volk von 2,5 Mil­lionen Menschen, das inzwischen 20 US-amerikanische Militärinterventionen durchgemacht hat?

Frieden für Panama verlangt nach fol­genden ersten Schritten:

-             den sofortigen Abzug der nordameri­kanischen Truppen aus unserem Land,

-             klare Untersuchung und Entschädi­gung für die menschlichen, materiel­len, ökologischen und psychologi­schen Verluste,

-             Wiederherstellung unserer Souverä­nität und nationalen Selbstbestim­mung,

-             Einhaltung der Panamaverträge, die Präsident Carter und der panamaische Präsident Torrijos seinerzeit unter­zeichneten, und das heißt:

-             Rückgabe des Kanals an Panama und Auflösung der US-amerikanischen Militärbasen und des Südkommandos in Panama.

Im Falle des Golfkrieges setzen wir Pa­namaer uns ein für:

-             sofortigen Waffenstillstand,

-             Rückzug der alliierten Truppen aus der Region,

-             Rückzug des Irak aus Kuwait

-             und eine gerechte Lösung für das palästinensische Volk.

Wir werden den Weg zu einem gerech­ten Frieden nicht finden, wenn die Welt weiterhin von Gewalt regiert wird, wenn sie von einer ungerechten Weltwirt­schaftsordnung beherrscht wird, die die Armen ärmer und die Reichen reicher macht und dabei zügellos Rohstoffe und Umwelt verbraucht -- von einem Sy­stem, das sich heutzutage als die einzige Option für die Zukunft der Welt ver­steht.

So weit unsere Stimme, die schwache kleine Stimme der Überlebenden in Pa­nama, aus Lateinamerika an die deut­schen Freundinnen und Freunde, denn wie der türkische Dichter Nazim Hikmet sagte: "Wenn ich nicht entflamme, wenn Du nicht entflammst, wenn wir nicht entflammen, wie anders könnte die Dunkelheit hell werden?"

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