Frauen im Militär

Endlich Gleichberechtigung?

von Ellen Elster

In Norwegen wurde 2015 die Wehrpflicht für Frauen eingeführt – das nannte sich “Gender-neutrale” Wehrpflicht. Jüngere sozialistische Frauen jubilierten und feierten, was sie als einen großen Schritt hin zu Gleichberechtigung ansehen. Dies ist eine Veränderung in der Ideologie bei radikalen jungen Frauen und steht in Widerspruch zu den Überzeugungen jener Bewegung, die für Gewaltfreiheit und Feminismus arbeitet. Wie kam es dazu?

Ich werde in dem Beitrag dieser Frage nachgehen und die Argumente anschauen, die benutzt wurden, um die Wehrpflicht für Frauen einzuführen. Dies wird mich auch dazu bringen, verschiedene Formen des Feminismus zu diskutieren. Ich benutze Norwegen als ein Beispiel, aber sehe, dass mehrere Länder in Europa nach Jahren der Professionalisierung auf dem Weg zurück zu Wehrpflichtarmeen sind. Ganz aktuell ist, dass Frauen mit einbezogen werden sollen, wie in Schweden und den Niederlanden.

Warum eine Wehrpflicht für Frauen?
Die Geschichte zwangsverpflichteter Frauen geht zurück bis zum 2. Weltkrieg, als Frauen in Schweden und England dienstverpflichtet wurden. Es hat viele Versuche gegeben, eine Wehrpflicht für Frauen einzuführen. Frauen haben heftig protestiert, und der Vorschlag wurde nicht weiter verfolgt.
Seit den 1970er Jahren hat es aber einen graduellen Prozess gegeben, Frauen freiwillig den Zugang zum Militär zu öffnen. Seit ungefähr zehn Jahren sind Frauen freiwillig in alle Militärzweige wo? einbezogen. Die Behörden strebten eine 15-prozentige Beteiligung von Frauen an, aber die Zahl stieg nie über 8%. Frauen, die eine Karriere im Militär anstrebten, fühlten sich diskriminiert, wenn es um Beförderungen ging, und natürlich gab es viele sexuelle Übergriffe.

Die norwegische Armee ist hoch professionalisiert und nur wenige Männer werden einberufen, ähnlich wie in den meisten anderen westlichen Ländern. In vielen dieser Länder wurde die Wehrpflicht abgeschafft. Warum also wird Wehrpflicht für Frauen eingeführt, wenn der Trend in die entgegengesetzte Richtung geht? Die norwegische Verteidigungsministerin sagte, dass die “Gender-neutrale” Wehrpflicht nicht eingeführt wurde, weil man mehr SoldatInnen, sondern weil das Militär die besten jungen Menschen jedes Jahrgangs bräuchte. (1) Die Wehrpflicht junger Menschen würde die Basis der Berufsarmee bilden.

Die UN-Sicherheitsratsresolution Nr. 1325 – Frauen, Frieden und Sicherheit
Im Jahr 2000 entschied der UN-Sicherheitsrat, die Teilnahme und den Einfluss von Frauen in Friedensprozessen zu stärken und die Menschenrechte von Frauen und Kindern während Kriegen und Konflikten zu schützen.

Das Militär griff diesen Beschluss gerne auf. Das war eine Begründung, Frauen ins Militär zu rekrutieren, unter dem Vorwand, dass dies die Situation der Frauen sichern würde, zum Beispiel in Afghanistan. Das geschah ebenso in Norwegen, wie auch in vielen anderen Ländern. Auch entwickelte die NATO ein Programm, um die Resolution mit Leben zu erfüllen. Gender-Perspektiven sind ein wichtiger Aspekt für die NATO und gelten als Teil ihrer Strategie. (2) Aber wenn man die die aktuelle NATO-Strategie und ihre Aktivitäten ansieht, sind die Gender-Perspektiven schwerlich zu erkennen.
Frauenorganisationen, die die Umsetzung der Resolution verfolgen, haben deutlich gesagt, dass diese Militarisierung der Resolution nicht akzeptabel ist.

Militaristischer Feminismus
Es sind zwei Hauptargumente, die benutzt werden, um mehr Frauen ins Militär zu bekommen und für die Einführung von Wehrpflicht für Frauen: 1. Die besten jungen Männer und Frauen werden gebraucht, und 2. würden Frauen etwas Spezielles mitbringen. Dieses “Spezielle” ist vage. Es hat etwas zu tun mit der Fähigkeit, für andere zu sorgen. Sie sagen, dass Frauen besser geeignet seien als Männer, gefährdete Frauen in einem von Krieg heimgesuchten Land wie Afghanistan anzusprechen.

Während der militärischen Ausbildung wird diese Perspektive, dass Frauen sich um andere Sorgen würden, nicht aufgegriffen. Sie hat sich nicht verändert, seit Frauen begonnen haben, ins Militär zu gehen. Sie alle müssen das sehr harte und physische Training durchlaufen, das es schon immer gegeben hat. Frauen drücken keine? Verachtung für andere aus, die nicht in der Lage sind, solch ein Training durchzustehen. (3) In diesen Fällen ist es schwierig zu sehen, was die besonderen Eigenschaften und sorgenden Qualitäten sein sollen, die diese Frauen ins Militär einbringen.

Diese Erfahrungen – dass Frauen im Militär sich den maskulinen Werten anpassen müssen - können Kriegsdienstverweigerinnen in Israel bestätigen. Tali Lerner und Idan Halili schreiben (4), dass Frauen im Militär sich an die Norm des kämpfenden Soldaten anpassen müsssen und dass von ihnen erwartet wird, einem Bild in der israelischen Kultur zu entsprechen, dessen Merkmale stereotypisierte Maskulinität und die Überlegenheit von mit Männern identifizierten Werte sind. Die Armee betrachtet Gewalt und bewaffneten Kampf als eine Methode, Probleme zu lösen. Innerhalb der Hierarchie des Militärsystems werden Frauen immer als die schwächeren gelten. Diese militärische Struktur wird dann ihre Werte via eine stereotypische Auffassung von Männern aufpressen, die die Gesellschaft durch ihre allgemeinen Sozialisierungsprozesse vermittelt.??

Kooption des Feminismus
Die ursprüngliche feministische Bewegung forderte Rechte und Teilhabe von Frauen unter Bewahrung femininer Werte und in Gegnerschaft zu den maskulinien Institutionen, dem Patriarchat. Es war auch ein Protest gegen die generelle Ausbeutung und Ungerechtigkeit in der Gesellschaft, ökonomisch und sozial. Frauen in der Friedensbewegung betonten nicht nur die Gender-Unterschiede, sondern auch männliche Gewalt, sowohl militärische Aggression wie häusliche und sexuelle Gewalt, die sie als ein Kontinuum der Gewalt ansahen. (5) Es war natürlich, Feminismus als Teil der Gewaltfreiheit zu betrachten, oder umgekehrt.

In Norwegen wurden viele der Forderungen der Frauenbewegung vom Parlament akzeptiert – Abtreibung, mehr Kindergärten, mehr Elternzeit für Mütter und Väter, gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit. Dies verbessert den Alltag von Frauen und gibt ihnen die Möglichkeit, als BürgerInnen  an der Gesellschaft teilzuhaben und Arbeit zu finden. Aber damit ist eine Gefahr verbunden, die Kooptierung heißt. Die Forderungen wurden in die Gesellschaft integriert, ohne die grundlegende ökonomische und  patriarchale Struktur infrage zu stellen. Frauen vergaßen, was die ursprüngliche Idee bei der Frauenbefreiung war, und die Bewegung starb aus.

Gleichzeitig modernisierte sich der Marktliberalismus, angeführt von Thatcher und Reagan. Durch diese Kombination bedeutete Feminismus, dass Frauen alle männlichen Positionen einnahmen, d.h. Teil patriarchaler Institutionen wurden, z.B. LeiterInnen von Unternehmen, SoldatInnen usw. So wurde Feminismus Teil des Marktliberalismus. Frauen wurden Männern gleich und wurden Teil der patriarchalen Struktur, die sie ursprünglich ändern wollten.

Endlich gleiche Rechte?
“Endlich wurde die letzte Bastion der Männer erreicht!”. Viele, besonders jüngere Frauen, denken so. Genauso sahen viele Frauen, die Hillary Clinton im Präsidentschaftskampf unterstützten, die Notwendigkeit, dieses Glasdach zu durchstoßen. Dasselbe passierte, als Norwegen seine erste Außenministerin feierte.
Ich frage mich: Bedeutet Feminismus, dass Frauen zu allen Positionen Zugang haben sollen? Wie steht es mit der Politik, die sie ausüben werden? Diese Beispiele von Frauen in führenden Positionen bedeuten nicht, dass sich die Politik ändert. Im Gegenteil, es bedeutet, dass es mehr vom Gleichen gibt. Der einzige Unterschied ist, dass eine Frau an der Spitze ist. Das Gleiche gilt für Frauen im Militär.

Anmerkungen
1 Verteidigungsministerin Anne-Grethe Strøm-Erichsen, Presseerklärung 14/6 2013 no 53/2013.
www.nato.int.
3   Lilleaas og Ellingsen (2014): Likestilling I Forsvaret. Fortropp, baktropp og kamparena. Oslo: Cappelen Damm Akademisk.
4 In Women Conscientious Objectors. An Anthology. Edited by Ellen Elster & Majken Jul Sørensen. War Resisters’ International 2010.
5 Described in Feminism and Nonviolence Study Group: Piecing it together: Feminism & Nonviolence. London: Published in cooperation with War Resisters’ International 1983; and in Cynthia Cockburn (2007): From where we stand. War, Women’s Activism & Fminist Analysis. London: Zed Books 2007.

Übersetzung: Christine Schweitzer

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Ellen Elster ist seit 1975 in der internationalen Friedensbewegung aktiv und aktuell zwei Perioden lang im Vorstand der War Resisters’ International (WRI). Ihr Hauptarbeitsgebiet ist Frauen und Antimilitarismus, Feminismus und Gewaltfreiheit. Sie gehört der norwegischen Sektion der Women’s International League for Peace and Freedom (WILPF) an.