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Als es in einigen Sitzungen des Koordinationsauschusses der Friedensbewegung zu scharf und zu hektisch wurde, ergriff Jochen Dietrich das Wort und versuchte, etwas Distanz in die Versammlung zu bringen. Er sagte dann immer: "Wenn meine Großmutter hier zuhören würde, ...". Gefragt nach einigen Erinnerungen an meine Mitarbeit im Koordinationsausschuß der Friedensbewegung (KA) für die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden von Anfang bis zum Ende, sind mir einige Punkte besonders wichtig:
1. Entstehung und Ende
Die Gründung des Koordinationsausschusses der Friedensbewegung zeichnete sich im Sommer 1981 ab, als bei Gelegenheit des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Hamburg die ersten verbindlichen Absprachen für die Demonstration und Kundgebung am 10. Oktober 1981 getroffen wurden. Veranstalter dieser ersten großen Bonner Demonstrationen gegen die Nachrüstung waren die Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste und die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden. Beide Organisationen wurden danach von Initiativen der Friedensbewegung gebeten, die koordinierende Rolle in der bundesdeutschen Friedensbewegung weiterzuspielen. Wir haben das aus wohlüberlegten Gründen nicht getan. Inzwischen waren so viele Initiativen und Gruppen initiativ geworden, daß die notwendige Koordinierung durch einen Teil davon nicht repräsentativ gewesen wäre. Am 25.6.1982 luden Volkmar Deile (ASF) und ich Aktive aus der Friedensbewegung zu einem "Gespräch" ein, um ganz informell über die Möglichkeiten einer koordinierten Zusammenarbeit zu sprechen. Das war der Beginn eines bewegten, an Schärfen und Auseinandersetzungen reichen Bewegungs-Prozesses, der wesentlich dazu beigetragen hat, daß sich in der Bundesrepublik politisch vieles verändert hat. Als die Zeit des KA dann zu Ende war, habe ich mich dafür eingesetzt, am 29.9.1989 das Netzwerk Friedenskooperative als eine der politischen Situation angepasste Kooperationsstruktur zu gründen. Allerdings hatte ich für die AGDF im August 1984 auf das Stimmrecht im KA verzichtet, weil dieser als Folge seines damaligen internen Zustandes organisatorisch und finanziell unsolide Beschlüsse fasste, die die AGDF nicht mehr mittragen konnte. Wir waren dann nur noch als "Beobachter" vertreten.
2. Positionen
Der Koordinationsausschuß bestand aus insgesamt 30 Mitgliedsgruppen, die sich in "Spektren" aufteilten: christliche Gruppen, unabhängige, KOFAZ-Spektrum, sozialdemokratische Gruppen, Grüne, sonstige Gruppen der Friedensbewegung. Sie arbeiteten in den Bereichen Abrüstung, Ökologie, AKW, Dritte Welt, Frauen, Gewaltfreiheit. Kurzgefasst, habe ich in diesem sehr gemischten Gegeneinander und Miteinander versucht, folgende Anliegen zu vertreten:
Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Gewalt. Das bedeutete einen sehr weiten Friedensbegriff, den der Aktionsrahmen des KA bei weitem nicht ausfüllte. Der KA beschränkte sich zu Anfang als "one issue-Bewegung" im wesentlichen exemplarisch auf die Verhinderung der Pershing und der Cruise Missile-Raketen. Erst gegen Ende akzeptierte er weitergehende Fragestellungen nach Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Für eine programmatische Neuordnung war es dann zu spät.
Damit verbunden war meine Position, daß politische Meinungs- und Willensbildungsprozesse in der Bundesrepublik nur in einem offenen Klima möglich wären. Jegliche Anwendung von Gewalt würde die Auseinandersetzung um neue Horizonte der Außen-, Verteidigungs- und Innenpolitik der Bundesrepublik unmöglich machen. Deshalb habe ich mich für "De-Eskalierungsgespräche" eingesetzt. Welche Aktionen im Einzelnen dazu durchgeführt wurden, war für mich keine entscheidende Frage. Sie mußten aber dem Kriterium der Gewaltfreiheit und der politischen Mobilisierungsfähigkeit Genüge tun.
Im KA wurde auch heftig über Bündnisse gestritten, z.B. über das Verhältnis zu kommunistisch inspirierten oder angeführten Gruppen. Da ich den zu jener Zeit alltäglichen ideologisierten Antikommunismus für schädlich hielt (und in seinen neueren Spielarten nach wie vor für schlecht halte), habe ich mich dafür eingesetzt, daß mit den Kommunisten in der Friedensbewegung von der Sache her gestritten würde, daß sie aber nicht ausgegrenzt würden. Ihre effektive Zahl war relativ gering. Ihr tatsächlicher politischer Einfluss, den sie im Wesentlichen über ihre Organisationskraft erreicht hatten, würde sich durch die Resonanz aus der öffentlichen Auseinandersetzung zeigen.
Die Fragen:
1. Name, Vorname
2. für welche Organisation warst Du im KA?
3. Von wann bis wann hast Du regelmäßig an KA-Sitzungen teilgenommen?
4. Welche(s) Anliegen / welche Interessen hast Du vorrangig im KA vertreten?
5. Wie würdest Du aus heutiger Sicht die Bedeutung des KA einschätzen?
6. Welche Interessen haben die wichtigsten anderen Organisationen Deiner Ansicht nach vertreten?
7. Was war der größte Erfolg? (Und: nach welchen Kriterien beurteilst Du das?)
8. Was war der größte Fehler?
9. Wenn Du Dich an die Sitzungen erinnerst: Worüber hast Du Dich am meisten geärgert?
10.Wie beurteilst Du den Einfluss der Parteien im KA?
Weil liberale, sozialdemokratische und kommunistische parteipolitische Gruppierungen im KA vertreten waren, mußte regelmäßig die Frage des Verhältnisses der Friedensbewegung zu den politischen Parteien verhandelt werden. Am schärfsten waren die Auseinandersetzungen, wenn es z.B. um die Einladung von Willy Brandt zu einer Rede bei der Demonstration am 22.10.1983 ging. In dieser Auseinandersetzung habe ich mich am Ende, als die generelle politische Richtung des KA sich weitgehend in der Gesellschaft durchgesetzt hatte, dafür eingesetzt, daß auch ein Mann wie Willy Brandt auftreten konnte.
3. Bedeutung des KA
Dieses Gremium hätte es nach der gesellschaftlichen Strukturierung der damaligen Bundesrepublik eigentlich gar nicht geben dürfen. Hier waren Kräfte miteinander verbunden, die sonst nirgendwo kooperierten. Die Breite der einbezogenen gesellschaftlichen Kräfte im KA war mit der anderer politischer Gremien der Bundesrepublik bei weitem nicht vergleichbar. Insofern repräsentierte der KA - trotz aller Schwächen - einen großen Fortschritt in der politischen Kultur der alten Republik. In seiner Gesamtheit hat der KA die öffentliche Meinung gegen die damalige sozial-liberale Regierung, geführt von Helmut Schmidt, SPD, mobilisiert und auch zu deren Sturz beigetragen. Sie hat die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Nachrüstung mobilisiert und einen bis heute nachwirkenden moralischen und politischen Impuls vermittelt, der von den konservativen Kräften mit Haken und Ösen bekämpft wurde. Zu erinnern ist z.B. an die heftige Auseinandersetzung über die Institution des "Zivilen Ungehorsams" als eines Geburtshelfers für demokratische Entwicklungen. Der KA hat mehrere heftige Krisen infolge einer sehr flexiblen Gestaltung seiner Arbeitsweise überlebt. Geschäftsführung und Vollversammlungen hatten jeweils die politische Auseinandersetzung zu führen, zu formulieren und die Aktionen zuzuspitzen. Sie wurden beschlossen von mindestens jährlich stattfindenden Aktionskonferenzen. Gegen Ende fanden mehr Strategiekonferenzen und seminarmäßige Veranstaltungen statt. Es war eine große politische Leistung, daß der KA sieben Jahre lang durchgehalten hat. Er hat die Friedensbewegung durch die Zusammenfassung der in ihr wirkenden widersprüchlichen Kräfte profiliert. Er hat schließlich die Entwicklung von regionalen Koordinationsgremien der Friedensbewegung unterstützt und dadurch als bundeszentrale Einrichtung an Gewicht verloren. Das Experiment "Koordinationsausschuß" ließ sich spätestens dann nicht mehr durchhalten, als deutlich wurde, daß sich immer mehr Mitglieder von ihm distanzierten, nicht mehr erschienen oder sich auch schon aufgelöst hatten, aber immer noch auf der Mitgliederliste standen. Die Restgruppen waren nicht mehr in der Lage, den KA aus eigener Kraft zu reorganisieren, z.B. die neuen Themen zuzuspitzen und die neu hineindrängenden Gruppen auch formal aufzunehmen und dem Gremium eine völlig neue Struktur zu geben. Als im Dezember 1987 das Abkommen zur Abrüstung atomarer Mittelstreckenraketen (INF, "Null-Lösung") zwischen den USA und der Sowjetunion geschlossen war, verlor der KA seinen politischen Gegner. Der Konsens, der dieses weitgefächerte Gremium zusammengehalten hatte, existierte nicht mehr. Die notwendige Konsequenz war die Auflösung.
4. Ärgernisse und Freuden
Die Arbeit der Gruppen des KA miteinander und gegeneinander war eine harte politische Schule mit viel Ärger, aber auch viel Freude. Die zeitliche Distanz bewirkt, daß die positiven Elemente überwiegen. Gelernt haben aber alle Beteiligten, so schätze ich die guten Absichten bei der Gründung des Netzwerkes ein, daß die teilweise betonartigen Fraktionierungen innerhalb des KA, wie z.B. die Unkultur von "Statements", deren Inhalt man schon vorher kannte, also die Unfähigkeit zu argumentieren, zuzuhören und zu überzeugen oder sich überzeugen zu lassen, einer der tieferen Gründe für das Ende der KA gewesen sind. Danach hat sich die Atmosphäre unter den Friedensfreundinnen und -Freunden jedenfalls gebessert. Nachfolgende Großveranstaltungen sind wesentlich entspannter und kommunikativer vorbereitet worden als zu KA-Zeiten.