EU-Vorposten Marokko

von Petra Hanf
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Seit 1992 besteht ein Rückübernahmeabkommen zwischen Marokko und Spanien. Anfangs weigerte sich Marokko, andere als die eige­nen Staatsangehörigen zurückzunehmen. Doch nach hartem Druck aus Madrid nimmt der Vorposten der Europäischen Union (EU) auch schwarzafrikanische Flüchtlinge von Spanien zurück.

Marokko ist ein wichtiger Partner der EU. Nicht nur vor dem Hintergrund sei­ner Funktion als Cordon Sanitäre gegen unerwünschte EinwandererInnen, auch außen- und wirtschaftspolitisch existie­ren enge Bindungen. Daß Marokko da­bei von einem modernen Despoten re­giert wird, daß Menschenrechtsverlet­zungen an der Tagesordnung sind und Marokko in den Berichten von Amnesty International alljährlich unrühmliche Erwähnung findet, stört die EU-Strate­gen nicht. Öffentliche Kritik an den Be­ziehungen zwischen der EU und Ma­rokko hingegen sehr.

Im Januar 1992 verweigerte das Euro­paparlament mit dem Verweis auf Men­schenrechtsverletzungen und den Besat­zungsterror der marokkanischen Armee in der Westsahara seine Zustimmung zu einer Verlängerung des Kooperations­abkommens mit Marokko. Daraufhin wurde es von den EU-Außenministern, die kurze Zeit später in Portugal tagten, dringend aufgefordert, diese Entschei­dung "noch einmal zu überdenken". Das wirkte: Zehn Monate später entschied das Parlament mit großer Mehrheit, dem Diktator Hassan bis 1996 weitere 900 Millionen Mark Unterstützung zu ge­währen. Im gleichen Monat trat das Rückübernahmeabkommen mit Spanien in Kraft.

Neben der Schweiz, den USA und Schweden ist Marokko seit 1990 stets bei den halbjährlichen Treffen der EU Einwanderungsminister zu Gast. (Solche regelmäßige Information von Outsider-Staaten über Innere Angele­genheiten der Brüsseler Union gibt es nur im Bereich Einwanderung und In­nere Sicherheit und nirgends sonst.) Der marokkanische Innenminister Driss Basri, Chef des königlichen Folterappa­rats, hat seinen EU-Amtskollegen 1991 ein "Memorandum zur Flüchtlingspoli­tik" vorgelegt. Darin schlägt er u.a. die "Koordinierung der Einwanderungspo­litik der Gastländer wie der Herkunfts­länder" vor. Das klappt seitdem hervor­ragend: Zwischen Spanien und Marokko werden Polizeiberater ausgetauscht, dessen Ziel es laut einem Zeitungsbe­richt ist, gemeinsam gegen die klande­stine Auswanderung und den Drogen­handel vorzugehen. Daneben sollen, was allerdings nicht bestätigt werden konnte, spanische Antiterror-Einheiten auch Spezialeinheiten der marokkanischen Polizei geschult haben.

Entsprechend der ihm zugedachten Rolle als Vorposten der EU hat Ma­rokko an seinen Küsten 160 Beobach­tungsposten zusätzlich errichtet, an denen 2.500 Soldaten Menschen am Verlassen des Landes hindern sollen. Fischer- und Motorboote müssen sich registrieren las­sen und sind verpflichtet, ihre Ausfahr­ten zu melden. Und um zu verhindern, daß Marokko als Sprung­brett nach Eu­ropa genutzt wird, hat Has­san die Vi­sumspflicht für alle Durchrei­senden au­ßer den Bürgern der Maghreb-Union verfügt.

Trotz des Dementis aus Marokko halten sich hartnäckig die Gerüchte, daß Schwarzafrikaner, die von Spanien an das nordafrikanische Land rücküber­stellt werden, bis zu ihrer Rückkehr in ihre Heimat in einer Stierkampfarena in der Nähe von Tanger interniert werden. Von offizieller Seite bestätigt ist hinge­gen, daß Marokkaner allein schon für ihre illegale Ausreise, besonders aber dann, wenn sie einen Asylantrag in ei­nem Land der Europäischen Union ge­stellt haben, nach ihrer erzwungenen Rückkehr ins Gefängnis geworfen wer­den. Es sei davon auszugehen, daß der marokkanische Geheimdienst von der Stellung eines Asylantrags Kenntnis er­lange, schreibt das Auswärtige Amt in einer Stellungnahme (am 25. 3. 92 an das Innenministerium in NRW), und daß "insbesondere wenn der Antrag­steller seinen Antrag mit gegen den Kö­nig oder gegen die Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko gerichteten Aktivitäten begründet hat... mit der Verhängung einer Haftstrafe gerechnet werden muß". Wie das aussieht,

beschreibt Amnesty International: "Mögliche Sanktionsmaßnahmen kön­nen neben verschärften Verhören der Passentzug, Garde-ů-Vue-Haft (Haft ohne jeden Kontakt zur Außenwelt), wiederholte Inhaftierung, Langzeithaft nach Verurteilung unter menschenun­würdigen Haftbedingungen, weiteres Verbleiben in der Haft trotz Strafverbü­ßung, Folter und Misshandlungen bzw. das "Verschwindenlassen" sein. (Stel­lungnahme von AI an das OVG Münster vom 16.4.93)

In Spanien stellen nur wenige Marokka­ner einen Asylantrag. Die marokkani­sche Selbsthilfeorganisation ATIME im spanischen Almería waren 1992 ganze fünf als Flüchtlinge anerkannte Marok­kaner bekannt. Denn Spanien will die guten Beziehungen zu Diktator Hassan natürlich nicht belasten.

 

Der Text ist ein Vorabdruck aus dem Buch "Kultur der Abschreckung", Hrsg. Eckhard Voss, das im Konkret-Litera­tur-Verlag erscheint.

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Petra Hanf ist Mitarbeiterin der Grünen Europa-Abgeordneten Claudia Roth.