Sudan

Europäische Migrationspolitik im Sudan

von Barbara Lochbihler

Die europäische Politik zielt darauf ab, Flüchtlinge schon in der Herkunftsregion in international finanzierten Lagern aufzufangen und an der Weiterwanderung nach Europa zu hindern. Dafür werden sowohl mit Herkunfts- als auch Transitländern Abkommen, Vereinbarungen und sogenannte „Deals“ geschlossen. Am Horn von Afrika sollen im Rahmen des Programms „Better Migration Management“ Staaten in die Lage versetzt werden, effektiver gegen irreguläre Migration vorzugehen. Die Implementierung dieser Grenzschutz-Kooperation soll vor allem in Äthiopien, Kenia und im Sudan stattfinden. Geleitet wird sie von der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, GIZ.

Der Sudan ist sowohl Zielland für Flüchtlinge aus der Region als auch Transitland auf dem Weg nach Europa, und es gibt fast drei Millionen Binnenvertriebene. Insgesamt sind rund sechs Millionen Menschen von humanitärer Hilfe abhängig. Vertreter*innen der Generaldirektion Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz der Europäischen Kommission (ECHO) berichten, dass der Zugang zu den Hilfsbedürftigen sehr eingeschränkt ist – insbesondere in den drei Krisenregionen Darfur, Südkordofan und Blauer Nil.

Mitte Februar war ich in Khartum, um Gespräche über die Grenzschutz-Kooperation, die Versorgung von Schutzsuchenden sowie die Menschenrechtslage zu führen.

Menschenrechtslage 
Der Sudan ist weltweit das einzige Land mit einem Staatsoberhaupt, das vom Internationalen Strafgerichtshof per Haftbefehl gesucht wird. Präsident al-Bashir wurde wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen in der Region Darfur angeklagt.

Wegen der Menschenrechtslage gehört der Sudan zu den vierzehn Ländern, für die die Vereinten Nationen einen Sonderberichterstatter ernannt haben. Der derzeitige Amtsinhaber Aristide Nononsi reiste ebenfalls im Februar in die Konfliktregion Dafur und berichtete, dass die Gewalt dort andauert; ZivilistInnen werden Opfer von Mord, Vergewaltigung und Entführung.

Die Freiheitsrechte, auch von Flüchtlingen, werden überall im Sudan massiv eingeschränkt. Der Geheimdienst NISS ist berüchtigt. Amnesty International bezichtigt ihn der willkürlichen Inhaftierungen und der Folter. Den Mitarbeitern werde für im Dienst begangene Taten Straffreiheit garantiert. Ende November 2016 kam es zu Protesten gegen Sparmaßnahmen der Regierung. Dutzende politische AktivistInnen wurden verhaftet. Mit einigen Freigelassenen konnte ich in Khartum sprechen. Unisono äußerten sie die Befürchtung, die Grenzschutzinteressen der EU könnten zur Zurückhaltung in menschenrechtlichen Fragen führen. Ich teile diese Sorge. Die sudanesische Regierung dürfte sehr genau beobachtet haben, was in Ländern wie der Türkei passiert ist: Wer bei der Flüchtlingsabwehr hilft, darf mit viel Geld und wenig Kritik rechnen.

Flüchtlinge und Grenzschutz
Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Sudan war Jahrzehnte lang wegen der Menschenrechtsverletzungen bis auf unmittelbare Nothilfen ausgesetzt. Ohne dass sich die Situation verändert hätte, fließen nun wieder Millionen von Euro sowohl aus Deutschland als auch von der EU-Kommission ins Land. Die Hilfe geht nicht direkt an die Regierung, es ist aber unklar, wie man den Einfluss der Machthaber darauf verhindern will, bei wem sie letztendlich ankommt.

Ein Teil der EU-Gelder soll die Versorgung und den Schutz der Flüchtlinge verbessern. Außerdem soll der Schutz der Grenze zu Eritrea und Äthiopien verstärkt und im Rahmen des „Better Migration Management" (BMM) die Grenzpolizei ausgebildet und ausgerüstet werden. Menschenschmuggel, aber auch Menschenhandel, sollen unterbunden werden.

Bereits nach Bekanntwerden des BMM-Programms gab es scharfe Kritik an der Kooperation mit repressiven Regimen, insbesondere an möglicher Ausrüstung und Ausbildung von Milizen und Sicherheitsapparat. Inzwischen hat die GIZ klargestellt, dass Milizionäre und Mitarbeiter des Geheimdienstes von der Kooperation ausgeschlossen sind und bei allen TeilnehmerInnen von Trainingsprogrammen überprüft wird, ob sie an Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren. Zu Beginn der Implementierung sollen zudem nur zivile Kräfte, vor allem die Kriminalpolizei, trainiert werden.

Zentrale Fragen bleiben jedoch: Wie wird sichergestellt, dass das Training nicht doch dem Repressionsapparat zu Gute kommt? Was nutzt die Fortbildung von KriminalbeamtInnen z.B. gegen Menschenhandel oder Menschenschmuggel, wenn die hierfür Verantwortlichen beste Beziehungen in den Regierungsapparat haben? Dem Opferschutz soll oberste Priorität eingeräumt werden, aber wie kann man diesen in einem korrupten und regierungsgesteuerten Justizsystem garantieren?

Selbst wenn man das Ziel dieser Migrationspolitik teilt, muss man feststellen, dass die Grenzschutzkooperation menschenrechtspolitisch nicht vertretbar ist. Europäische Gelder, die in den Sudan fließen, sollten ausschließlich der unmittelbaren Verbesserung der Lage von Geflüchteten und Vertriebenen dienen.

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt
Barbara Lochbihler ist außen- und menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen/EFA-Fraktion sowie Vizepräsidentin des Menschenrechtsausschusses im Europäischen Parlament.