Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung - Politik ohne Militär und Gewalt - Vom Westfälischen Frieden zu einem friedensstiftenden Europa

European Peace Congress 29.-31. Mai 1998

von Paul Betz
Initiativen
Initiativen

350 Jahre Westfälischer Friede - dieses Jubiläum wird 1998 noch häufiger von sich reden machen, und das nicht nur am historischen Verhandlungsort in den Städten Münster und Osnabrück. Vergessen oder doch zumindest verdrängt wird dabei allerdings zumeist die Kehrseite der Medaille: daß dieses Datum nicht denkbar ist ohne den unheilvollen Jahrestag, den man auch "380 Jahre europäischer Krieg" nennen könnte.

Die Unterzeichner des Friedensvertrages, so heißt es in den offiziellen Broschüren zum Friedensjahr, hätten der vom Krieg gebeutelten Bevölkerung mit dem Ende der militärischen Auseinandersetzung des Dreißigjährigen Krieges gleichzeitig auch die Hoffnung auf eine friedvolle europäische Zukunft gebracht. Daß aber der Kontinent nie richtig befriedet war, daß auf ihm noch in diesem Jahrhundert Kriege mit immensem Vernichtungspotential geführt worden sind, darüber wird in der Freude des Feierns nicht so gern geredet. Und so steht denn auch bei den zeitgeschichtlichen Ausstellungen und Kunsthappenings, Symposien und Straßenfesten die positive Friedensperspektive des historischen Anlasses stets im Mittelpunkt - und natürlich erst recht bei all jenen, die sich mit "Friedensbier" und anderem Friedenskitsch auch kommerziell schadlos halten wollen.

Von solcher Art Jubiläum will sich der "European Peace Congress Osnabrück "98" vom 29. - 31. Mai nächsten Jahres bewußt abheben, übrigens mit Unterstützung der Stadt Osnabrück. Die Chance des Friedensjubiläums soll dazu genutzt werden, aktuelle politische Themen und Probleme der Friedensbewegung zu diskutieren, alternative nichtmilitärische Modelle der Konfliktlösung vorzustellen und auf Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern in Europa hinzuweisen sowie deren Schutz einzufordern.

Im Mittelpunkt des Kongresses stehen dabei die europäischen Krisen- und Konfliktherde mit ihren spezifischen Problemen. Beim Kongreß sollen vor allem die Opfer von Krieg und Repression zu Wort kommen, z.B. verfolgte Kriegsdienstverweigerer aus der Türkei oder Flüchtlinge und Deserteure aus dem ehemaligen Jugoslawien. Positive Ansätze friedlicher Konfliktlösung soll die Vorstellung beispielhafter Friedensinitiativen vermitteln, etwa der nordirischen Friedensorganisation "Women Together" oder der "Soldatenmütter Rußlands", die sich mutig gegen den Tschetschenienkrieg und für Kriegsdienstverweigerer eingesetzt haben. Als Alternative zu Militäreinsätzen in Krisenregionen werden Möglichkeiten des Einsatzes von zivilen Friedensdiensten vorgestellt, wie z.B. der freiwilligen Helfer in Ex-Jugoslawien.

Eine wichtige Funktion des "European Peace Congress Osnabrück "98" ist die Vernetzung der bestehenden europäischen Friedens-, Menschenrechts-, Flüchtlings- und Kriegsdienstverweigererinitiativen. Er soll eine Kontaktbörse zwischen den einzelnen Gruppen, aber auch zu ExpertInnen aus Politik, Wissenschaft und NGOs auf europäischer Ebene sein. Insgesamt werden zum Kongreß ca. 400 TeilnehmerInnen aus ganz Europa erwartet. Der Kongreß will sich aktiv einmischen in die internationale Friedenspolitik, etwa durch die Forderung an die UNO-Menschenrechtskommission, das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung zu deklarieren, oder durch die Entwicklung konkreter Umsetzungsschritte für pazifistische Konfliktlösungskonzepte der Friedensbewegung.

Veranstalter des Kongresses ist ein Trägerverein von zur Zeit 38 deutschen und internationalen Organisationen aus dem Friedens- und Menschenrechtsbereich, darunter das Europäische Kriegsdienstverweigerer-Büro EBCO, die DFG-VK, Pro Asyl und das Deserteursnetzwerk Connection e.V.

Inhaltlich vorbereitet wird der Kongreß in drei Arbeitsausschüssen zu den Themenschwerpunkten der Veranstaltung.

Der Arbeitsausschuß "Kriegsdienstverweigerung als Menschenrecht" will erreichen, daß endlich in ganz Europa jede Form der Verweigerung als ehrenhaftes, weil friedensförderndes Verhalten angesehen und in die UN-Menschenrechtskonvention aufgenommen wird.

"Politisch-Pazifistische Friedenskonzepte" erarbeitet ein weiterer Ausschuß, der dabei diverse Wege der nichtmilitärischen Konfliktvermeidung und -lösung aufzeigen und sich mit einem Manifest in die international aktuelle Diskussion der Friedenssicherung einmischen will.

Im Arbeitsausschuß "Ost-/Südosteuropa" sollen schließlich verbindliche Hilfs- und Schutzkriterien für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure formuliert werden, die in ihren ost- und südosteuropäischen Heimatländern Repressionen ausgesetzt sind oder sogar die Flucht ergreifen müssen.

Wie nötig solche Hilfestellung sein kann, haben einige Mitglieder des Vereinskuratoriums schon am eigenen Leib erfahren müssen. Neben so bekannten Persönlichkeiten wie dem ausgebürgerten, weil regimekritischen russischen Schriftsteller Lew Kopelew, dem norwegischen Friedensforscher und Träger des Alternativen Nobelpreises, Prof. Dr. Johan Galtung, oder dem Ehepaar Walter und Inge Jens gehören diesem Gremium auch Menschen an, die sich durch ihre mutige Entscheidung gegen das Militär in der Friedensbewegung exponiert haben. Ludwig Baumann beispielsweise lebte 1942 zehn Monate lang in der Todeszelle des Kriegswehrmachtgefängnisses Bordeaux, die drohende Exekution stets vor Augen, weil er aus Widerwillen gegen die Unmenschlichkeit des Krieges Fahnenflucht begangen hatte. Noch 1996/97 bezahlte auch der türkische Friedensaktivist und Kriegsdienstverweigerer Osman Murat Ülke das öffentliche Verbrennen seines Wehrpasses mit Zwangsrekrutierung, Haft und schließlich einem Prozeß vor dem Militärgericht. Die Kriegsdienstverweigerung dieser Pazifisten hat übrigens auch im Dreißigjährigen Krieg historische Vorbilder. Bereits in diesem Konflikt, der 1648 durch den Westfälischen Frieden beendet wurde, gab es u.a. eine ganze Kompanie, die sich, wie es heißt, aus lauter Verzweiflung befehlswidrig aus dem Kriegsgeschehen entfernen, d.h. desertieren wollte. Ein abschließendes Kongreßprogramm ist zur Zeit in Bearbeitung, hier sind die Organisatoren also für Vorschläge und Anregungen offen. Zur Vorbereitung auf den Kongreß erscheint regelmäßig ein Newsletter. Das zweisprachige Heft (deutsch/englisch) kann kostenlos bei der Geschäftsstelle des Kongresses bestellt werden. Dort kann man sich auch für den Versand des Kongreßprogramms vormerken lassen.

Adresse: European Peace Congress Osnabrück "98, Postfach 4124, D-49031 Osnabrück, Tel. 0541-260650, Fax 0541-260680

Ausgabe

Rubrik

Initiativen
Paul Betz ist Koordinator des Kongresses: http://www.dfg-vk.de/peace-congress1998.