Festakt zur Verabschiebung des 25.000 Flüchtlings aus Hamburg

von Ingrid BrackmannsGisela Sauerland
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Am 12. August feierte die Gruppe Lebenslaute im Hamburger Flughafen einen satirischen Festakt, um gegen Abschiebung und den rassistischen Umgang mit Flüchtlingen zu protestieren. Hintergrund unserer diesjährigen Aktion ist die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl durch den sogenannten Asylkompromiß vom 1993, der im Mai dieses Jahres durch das BVG bestätigt wurde. Tatsächlich hat sich dadurch in den Jahren `94 und `95 die Zahl der Abschiebungen verdoppelt.
Das Bundesland Hamburg rühmt sich, in der Bundesrepublik bei der Abschiebung eine Spitzenposition einzunehmen. Dabei ist die Abschiebung ein sehr brutaler Vorgang. Menschen werden gefesselt und geknebelt, wenn sie sich nicht in ihr Schicksal fügen, und oftmals werden ihnen zwangsweise Psychopharmak gespritzt.
Zur Sicherung der Abschiebung werden viele Flüchtlinge in Abschiebehaft genommen. Ohne jemals eine Straftat begangen zu haben, werden sie wie Kriminelle behandelt und bis zu 18 Monaten eingesperrt.
Wir haben uns für Hamburg als Aktionsort entschieden, weil dort vom 10.- 17.8. die Aktionstage gegen staatlichen Rassismus stattfanden.
Der Aktionsablauf war so geplant, daß jeweils auf einen Redebeitrag ein Musterstück folgt. Dabei wird die ironisch gehaltene Rede durch klassische ernste Musik kommentiert, um unsere Traurigkeit und unseren Protest auszudrücken. Z.B. haben wir im Anschluss an den Redeteil, der das BVG betraf, "Wie nun, ihr Herren, seid ihr stumm, daß ihr kein Recht könnt sprechen?" von Schütz gesungen.
Mit welchem Zynismus sich Politiker und Juristen äußern, wird daran deut¬lich, daß die ironisch gemeinte Rede sich z.T. aus tatsächlich ernst gemeinten Zitaten zusammensetzt. So äußerte sich z.B. ein Staatsanwalt: "Es verletzt nicht die Menschenwürde, wenn jemand im Heimatland inhaftiert, misshandelt oder gar getötet wird. Inhaftierungen, Misshandlungen oder Tötungen mögen an sich die Menschenwürde verletzen, sind aber nicht der Behörde zuzurechnen, die die Abschiebung veranlasst hat."
Erwartungsmäß stieß unsere Aktion bei der Flughafenleitung auf nicht viel Gegenliebe. Dennoch war es möglich, unser gesamtes Programm durchzuführen, auch wenn es durch Durchsagen über die Lautsprecheranlage des Flughafens zunehmend gestört wurde.
Während der Aktion und auch im Anschluss daran verteilten wir unsere Flugblätter. Dabei erfuhren wir ganz unterschiedliche  Reaktionen, die von empört bis wohlwollend rechten. Manche Leute wussten nicht, daß vom Flughafen Fuhlbüttel aus Abschiebungen vorgenom¬men wurden, und waren für weitere Informationen aufgeschlossen.
Uns persönlich hat besonders erschrocken, wie ein Sicherheitsbeamter zu Beginn der Rednerin das Megaphon entreißen wollte, d.h., wie massiv der Mann reagierte und wieviel Gewalt allein von diesem Akt ausging. das konnte auch nur verhindert werden, indem sich zwei Unterstützer dazwischen schoben. da wir aber die ganze Aktion bis zum Schluss durchführen konnten, hatten wir zwischendurch auch Spaß an unserer Musik, und freuten uns darüber, wie der Festredner die Störungen nutzte, um wichtige Aussagen zu wiederholen.
In der anschließenden Auswertungsrunde wurden besonders folgende Punkte hervorgehoben:
-    die Aktion hat Spaß gemacht;
-    die Basisdemokratie hat hervorragend funktioniert, wir haben sehr kompetent und effektiv und gleichzeitig lustvoll miteinander gearbeitet;
-    es waren viele zum ersten Mal dabei, und die wollen gerne beim nächsten Mal wieder mitmachen;
-    und schließlich sind viele für sich persönlich mit dem Thema weitergekommen, sind besser informiert, haben einen klareren Standpunkt.
Unsere Gruppe Lebenlaute ist ein bundesweiter loser Zusammenschluss von MusikerInnen, und wir sind seit 1986 in großen und kleinen Gruppen immer wieder aktiv. Bei verschiedenen gewaltfreien Aktionen verbinden wir klassische Musik und zivilen Ungehorsam dort, wo das Leben bedroht oder zerstört wird, wobei es häufig um antimilitaristische und ökologische Anliegen geht. Weitere Musiker, besonders Streicher, sowie Leute, die uns unterstützen wollen, sind immer willkommen.

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Ingrid Brackmanns ist Mitglied der Gruppe Lebenslaute.
Gisela Sauerland ist Mitglied der Gruppe Lebenslaute.