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Protest gegen die Lieferung der NVA-Schiffe nach Indonesien
Freispruch für "Timor und kein Trupp"
vonPfingsten 1993 besetzte eine Gruppe mit dem Namen "Timor und kein Trupp" drei Kriegsschiffe der ehemaligen NVA in Peenemünde, aus Protest gegen den Export der Kriegsflotte nach Indonesien.
"Timor und kein Trupp" war ein breites politisches Bündnis von Gruppen, die alle aus der DDR-Opposition kamen. Im letzten Jahr erhielten sie für die Peenemünde-Aktion den Friedenspreis der Synode Oberhausen. Jetzt wurde zwei Rüstungsgegnern wegen der Besetzungsaktion der Prozess gemacht.
Pfingsten 1993 demonstrieren ca. 250 Menschen aus Dresden, Halle, Berlin und anderen Städten der Ex-DDR in Peenemünde, wo, wie es der Abrüstungsminister der letzten DDR-Regierung zugesagt hatte, die Kriegsschiffe verschrottet werden sollten. Nach Polizeiangaben kommt es während der Besetzung zu Beschädigungen in der Kommandozentrale eines Schiffes. Nach mehreren Tagen endet die Aktion friedlich. Die Besetzer geben auf, und die Schiffe können auslaufen.
Offiziell sind die 39 Schiffe mittlerweile an Indonesien übergeben, doch drei der sog. Frosch-Landungsboote aus NVA-Beständen liegen merkwürdigerweise noch immer in Peenemünde.
Landfriedensbruch im besonders schweren Fall, gefährlicher Eingriff in die Seefahrt - die Besetzer hatten ein Schiffstau gelöst und das Schiff driftete ab - und Sachbeschädigung lautete die Anklage für zwei Dresdner Teilnehmer. Laut Staatsanwaltschaft haben die beiden "gemeinsam mit zahlreichen anderen, unbekannt gebliebenen Tätern" einen "bedeutenden Schaden" an der NVA-Flotte verursacht, und den Seeverkehr beeinträchtigt. Schwerer Landfriedensbruch kann mit einer Haftstrafe bis zu zehn Jahren geahndet werden.
Das Verfahren gleicht einem peinlichen Provinztheater. Die Staatsanwältin übernimmt das Verfahren für einen erkrankten Kollegen, der sich bei der Auswahl der Zeugen, nur Beamte und Angestellte der örtlichen Polizei, wohl etwas gedacht haben muß. Der TAZ-Prozessbeobachter (TAZ v. 6.11.95) kommentiert das Geschehen im Gerichtssaal: "Möglicherweise mußten diese Polizisten noch nie vor Gericht aussagen: fraglich ist, ob sie in der Polizeischule aufgepasst haben, als das für Ordnungshüter wohl nicht ganz unwichtige Thema `Zeugenaussage` durchgenommen wurde ... Zu einer brauchbaren Aussage über jene Peenemünder Pfingsttage ist jedenfalls keiner von ihnen in der Lage. Keiner von ihnen hat je einen der beiden Angeklagten zu Gesicht bekommen in diesen Pfingsttagen 1993. Keiner hat einen der Angeklagten in flagranti erwischt, geschweige denn zum Tatvorwurf vernommen."
Ein Zeuge erklärt, er hätte "nur rein informativ" von der Besetzung Kenntnis erhalten und so geriet die Anklagevertretung zunehmend in Beweisnot. Das Interessanteste an diesem Zeugen ist jedoch etwas ganz anderes: auf Nachfrage kommt heraus, was immer vermutet wurde, die deutschen Ermittlungsbeamten leisteten Amtshilfe für die indonesischen Behörden, indem sie über alle Schiffsschäden Protokoll führten.
Die Staatsanwältin versucht es noch einmal mit einer Polizistin, von der sie annimmt, daß sie die Namen der Angeklagten zu Papier gebracht hat, doch auch sie weiß von nichts. Zuletzt versucht die Staatsanwaltschaft wenigstens eine Verurteilung wegen Hausfriedensbruch zu erreichen. Doch - leider - die Angeklagten kamen über öffentlich zugängliche Wege auf das Gelände.
Der Staatsanwältin bleibt nichts anderes übrig, als Freispruch zu beantragen. Der Anwalt vergleicht die Protestaktionen mit Aktionen gegen DDR-Unrecht. Er hält einen Staat für heuchlerisch, der die einen Widerständler als Helden hofiert, die Protestler von "Timor und kein Trupp" aber als Kriminelle verfolgt.
Der Richter entscheidet auf Freispruch. Da die Staatsanwaltschaft selbst Freispruch beantragte, legte sie keine Rechtsmittel mehr ein. Somit ist das dritte auch das letzte Peenemünde-Verfahren gewesen.
Während des Prozesses machten "Timor und kein Trupp" und der "Anarchistische Arbeitskreis Wolfspelz" die Öffentlichkeit mit Flugblättern auf das Verfahren und die Vorgänge vor zweieinhalb Jahren aufmerksam. Nach Aussagen des Arbeitskreises erfolgreich und mit guter Resonanz sowie vielen Gesprächen.
Die 39 NVA-Kriegsschiffe sollen laut vertraglicher Abmachung zwischen Bonner Verteidigungsministerium und indonesischer Regierung nur zum Küstenschutz, der Sicherung der Seewege und zur Bekämpfung der Piraterie und des Schmuggels eingesetzt werden. Der Oberbefehlshaber der indonesischen Streitkräfte, General Feisal Tanjung sieht das offenbar anders. In einen Interview mit dem Asian Defence Journal, erklärte er im Oktober: "Tatsächlich sieht der Plan vor, die Stärke der "Batallion-Landungskräfte" (Batallion Landing Team, BLT) zu erhöhen, in dem die bestehenden zwei BLTs konsolidiert und eine neue BLT-Reserveeinheit aufgestellt wird. Mit der Bildung schlagkräftiger BLTs wird beabsichtigt, Störungen von innen zu überwinden. Mit dem kürzlichen Kauf von ehemals ostdeutschen Landungsschiffen sollen veraltete Landungseinheiten ersetzt werden...."
Dann werden mit Zustimmung der Bundesregierung Unruhen niedergeschlagen.