Gemeinnützigkeit

Frieden - nicht gemeinnützig?

von Stefan Diefenbach-Trommer
Hintergrund
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Ohne Frieden ist alles nichts - auch nicht ohne intakte Umwelt. Sich für Frieden zu engagieren, ist also offenbar ein Beitrag zu einer besseren Welt, zum Allgemeinwohl. Dass es sehr verschiedene Ideen gibt, wie Frieden hergestellt oder bewahrt werden kann, zeigt, dass diese Debatte wichtig ist und zur Demokratie gehört. Historisch hat die Friedensbewegung auch in Deutschland wichtige Beiträge geleistet und falsche Entwicklungen verhindert.

Wer nun als Beitrag für die Debatte um Frieden einen Verein gründet und damit als gemeinnützig anerkannt werden möchte, schaut in die Abgabenordnung, das Steuergrundgesetz. In Paragraph 52 ist dort aufgelistet, welche Zwecke der Gesetzgeber für förderwürdig hält. Das Wort "Frieden" ist nicht dabei. Wer dann in den Anwendungserlass der Finanzverwaltung (AEAO) schaut, mit dem Richtlinien zum Gesetz gegeben werden, wird bei "Frieden" auch nicht fündig.

Expertinnen und Experten sagen dann: Kein Problem, Frieden gehört zum gemeinnützigen Zweck der Völkerverständigung, das hat der Bundesfinanzhof doch schon vor Jahren entschieden. Ein bisschen beruhigend - schöner wäre, wenn das kein Geheimwissen wäre, sondern im Gesetz stünde.

Wer sich für Frieden einsetzt, hat also einen gemeinnützigen Zweck - vielleicht. Sich auf einen konkreten Zweck berufen zu können, erweitert die Möglichkeiten erheblich. Im Attac-Urteil unterscheidet der Bundesfinanzhof zwischen Meta-Zwecken und konkreten Zwecken. Mit einem Meta-Zweck wie Bildung dürften keine politischen Forderungen erhoben werden - mit einem konkreten Zweck wie Umweltschutz (oder Frieden, versteckt in Völkerverständigung) aber schon, so lange diese sich auf den Zweck beziehen. Doch hier beginnen zwei weitere Probleme:

Erstens: Der Bundesfinanzhof meint, auch die politische Betätigung zur Verfolgung des eigenen gemeinnützigen Zwecks dürfe nicht andere Tätigkeiten überwiegen. Allerdings ist es unheimlich schwer, selbst Abrüstung herzustellen, statt die politischen Entscheidungen dazu zu verlangen.

Zweitens: Bei Friedensarbeit geht es nicht nur darum, dass sich Menschen aus Frankreich und Deutschland versöhnen und Konflikte nicht mehr mit kriegerischen Mitteln austragen. Es geht auch darum, welche Rolle und Rechte die Bundeswehr hat. Ob Sicherheit im eigenen Land mit militärischen Mitteln hergestellt werden kann. Geht es dabei tatsächlich um die Verständigung zwischen verschiedenen (Staats)Völkern?

Das Attac-Urteil wird in diesen Tagen vom Bundesfinanzministerium amtlich veröffentlicht, so dass es zu einer Leitlinie für die Finanzämter wird. Sie werden künftige Prüfungen der Gemeinnützigkeit auch auf Grundlage dieses Urteils vornehmen. Bisher sind die Finanzämter oft sehr großzügig: Weil sie sehen, dass die Arbeit eines Vereins dem Grundsatz der Gemeinnützigkeit entspricht, vielleicht auch politischen Aufforderungen zum demokratischen Engagement folgt. Bisher monierten sie nichts, wenn es formal nicht ganz passte. Das könnte sich künftig ändern.

Wichtig für gemeinnützige Vereine ist:
Eine gemeinnützige Organisation darf nur tun, was zu ihrem gemeinnützigen Zweck passt. Zu jeder Aktivität muss begründbar sein, warum sie dem Zweck dient. Diese Kausalkette kann sehr lang sein - aber sie sollte dem Finanzamt gegenüber dargestellt werden können.

Hat das Finanzamt eine Satzung als gemeinnützig anerkannt (Bescheid nach §60a AO) und handelt der Verein  gemäß der Satzung, wird keine Änderung verlangt.. Werden Schritte unternommen, , die nicht von der Vereinssatzung gedeckt sind, kann das die Gemeinnützigkeit kosten.

Wenn das Finanzamt seine Meinung ändert und findet, die Satzung entspreche nicht mehr den Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit (zum Beispiel, weil es nun den Zweck "Bildung" oder "Völkerverständigung" enger auslegt), dann kann es verlangen, dass die Satzung bis zum Jahresende angepasst wird. Bis dahin bleibt die bisherige Satzung anerkannt. Problematisch wird es im Jahr darauf, wenn die Satzung nicht geändert wird oder das Finanzamt der geänderten Satzung die Anerkennung nach §60a AO verweigert.

Es ist immer sinnvoll, dass die Satzung das beschreibt, was die Organisation tatsächlich tut. Es ist sinnvoll, schon jetzt zu prüfen: Passen die Zwecke? Deckt "Völkerverständigung" tatsächlich alle Tätigkeiten ab? Gibt es besser passende, konkrete Zwecke zu Euren Anliegen? Stimmt die Beschreibung der Zweckverwirklichung? Die Satzung sollte nie geändert werden, ohne das Finanzamt vorab zu fragen, ob die Änderungen aus deren Sicht okay sind.

Wer absolut sicher sein will, sollte jede politische Äußerung unterlassen - aber genau das wäre eine Beschädigung der Demokratie und eine Einschränkung des Handlungsspielraums.

Damit keine gemeinnützige Organisation vor der selbstlosen Einmischung zurückschreckt, fordert die Allianz "Rechtssicherheit für politische Willensbildung" Klarstellungen im Gesetz. Unter anderem soll "Frieden" als gemeinnütziger Zweck ausdrücklich genannt werden. Das macht vieles einfacher. Zudem drückt damit der Bundestag seinen Willen klar aus, statt sich hinter Auslegungen zu verstecken. Außerdem muss klargestellt werden, dass der gemeinnützige Zweck auch ausschließlich durch politische Einflussnahme verfolgt werden kann - denn beispielsweise  die nukleare Abrüstung kann nur durch politische Entscheidungen kommen, kaum durch eigenes Tun.

Mehr Informationen zu möglichen Folgen des Attac-Urteils für andere Organisationen:
https://www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de/auswirkungen-des-atta...

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Stefan Diefenbach-Trommer arbeitet seit Jahren in Bewegungs-und Protest-Organisationen. Seit 2015 beschäftigt er sich im Auftrag von inzwischen mehr als 120 Vereinen und Stiftungen, die sich in der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ zusammengeschlossen haben, mit dem Gemeinnützigkeitsrecht.