Arbeitsgemeinschaft Dienst für den Frieden

Friedensdienst ohne Waffen

von Christine Busch
Schwerpunkt
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Als Initialzündung für die Gründung der Arbeitsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) gilt der Evangelische Kirchentag 1967 in Hannover, ausgelöst durch die irreführende Formulierung „Friedensdienst mit und ohne Waffen“.  Sie suggerierte die Gleichrangigkeit einer militärischen Sicherung des Friedens und eines gewaltfreien Friedensdienstes.
Dahinter stand eine Debatte um die Heidelberger Thesen der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) von 1959, wonach unterschiedliche „im Dilemma der Atomwaffen getroffene Gewissensentscheidungen“ als komplementäres Handeln zu verstehen seien: „Die Kirche muss den Versuch, durch das Dasein von Atomwaffen einen Frieden in Freiheit zu sichern, als eine heute noch mögliche christliche Handlungsweise anerkennen.“ (These VIII) Auf dem Kirchentag wurde ein Vorrang der Förderung des Friedens desavouiert durch die Figur eines „Friedensdienstes mit Waffen“. Gerta Scharffenorth/FEST stellte in Bezug auf die Kirche als soziale Institution 1970 fest, dass sie den Konflikt um den Wehrdienst nach der Atomdiskussion faktisch verdrängt habe; die Einrichtung spezieller Ämter und Dienste für Militärseelsorge, Kriegsdienstverweigerung, Friedensfragen habe den Konflikt entpolitisiert und neutralisiert. (1)
Neun Organisationen, die einen gewaltfreien Friedensdienst vertraten, schlossen sich 1968 zur AGDF zusammen, um zu kooperieren und ihre Arbeit effizient in Kirche, Gesellschaft und Politik hinein zu vermitteln. Engagiert in den Debatten um die Wiederbewaffnung, die Atomfrage, den Nord-Süd-Gegensatz, geprägt durch friedenskirchliche Traditionen und die ökumenische Bewegung legten sie der EKD das Memorandum „Die Bedeutung der Friedensdienste für die Wahrnehmung des kirchlichen Friedensauftrags“ vor. Auf dieser Basis wird die AGDF seit 1972 institutionell durch die EKD gefördert und Friedensdienst als grundsätzliche kirchliche Aufgabe anerkannt.
Weg und Themen der AGDF lassen sich hier nur andeuten. Sie verortet sich im Blick auf Freiwilligen- und Entwicklungsdienst, Jugendarbeit, Diakonie und Erwachsenenbildung, kooperiert mit staatlichen Stellen, agiert in ökumenischen und in internationalen Strukturen. Sie nimmt Impulse der kritischen Friedens- und Konfliktforschung auf und beteiligt sich an einem Projekt der FEST „Beitrag von Theologie und Kirche zum Frieden“, in dessen Folge Frieden als dynamischer Prozess zur Verminderung von Gewalt, Not, Unfreiheit und Angst verstanden wird. Die FEST wird 1974 assoziiertes Mitglied der AGDF; seit 1977 veranstalten beide ein jährliches „Heidelberger Gespräch“, das der Verständigung zwischen Friedenspraxis und Friedensforschung dient.
Als Aktionsgemeinschaft ist die AGDF geprägt durch das geistliche Leben auf dem Malteserhof in Königswinter, wo die Geschäftsstelle von 1971 bis 1981 bei der ökumenischen Hausgemeinschaft des Laurentiuskonvents und der Benedictuszelle angesiedelt war. Die meisten der 32 Mitgliedsorganisationen haben evangelische oder ökumenische Wurzeln, einige gründen ihr Engagement vorrangig in einem menschenrechtlichen Ansatz. Gemeinsamer Nenner ist die Achtung vor der Einzigartigkeit und Würde des Menschen und die Verpflichtung auf den Grundsatz der Gewaltfreiheit. Ihrem Leitbild liegt das biblische Verständnis des Schalom zugrunde, „in einem umfassenden Sinn das Heilsein des Menschen, der menschlichen Gemeinschaft und der ganzen Schöpfung“. Frieden einzuüben ist in diesem Sinne ein spiritueller Akt. Das Erspüren dessen, was verlässlich trägt und hält, prägt die Arbeit in der AGDF. Ökumenische Leitplanken sind der 1983 begonnene Konziliare Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, die Dekade zur Überwindung von Gewalt 2001-2010 und der 2013 ausgerufene Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens.
Als Aktionsgemeinschaft ist die AGDF ein Instrument für gemeinsames Handeln nach innen und außen. Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit gehen Hand in Hand mit Vernetzung, Reflexion und Kooperation. Theorien und Strategien verbinden sich mit Aktionen: „Festivals der Friedensdienste“ in den 1970er Jahren, Großdemonstration gegen den NATO-Doppelbeschluss am 10.10.1981 im Bonner Hofgarten. Konkreter Widerstand gegen Unrecht und Gewalt, die Suche nach Alternativen und konstruktives Engagement gehören zusammen.  
Als Dach- und Fachverband für Friedensarbeit und Friedenspolitik setzt die AGDF zahlreiche politische Impulse, z.B. für den „Anderen Dienst im Ausland“ als Alternative zum Zivildienst, mit einer Studie zum „Langzeitfreiwilligendienst“ für den Europarat, bei der Gründung des Deutsch-Polnischen Jugendwerks sowie eines europäischen Zusammenschlusses von Freiwilligendiensten, für Strukturen und Instrumente der Zivilen Konfliktbearbeitung. Damit trägt sie seit 50 Jahren dazu bei, Kirche im öffentlichen Raum zu profilieren.
Seit 2009 bildet die AGDF gemeinsam mit der EKD und der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden die Basis für die Friedensarbeit im Bereich der EKD. Deren „Gesicht“ ist der Friedensbeauftragte des Rates der EKD, ihr Instrument ist die Konferenz für Friedensarbeit, in der die Landeskirchen, AGDF und EAK, die FEST, die Akademien, die Seelsorge in der Bundeswehr neben weiteren Einrichtungen vertreten sind.

Anmerkung
1 Gerta Scharffenorth, Konflikte in der Evangelischen Kirche in Deutschland 1950 – 1969, in: Ulrich Duchrow, Gerta Scharffenorth (Hg), Studien zur Friedensforschung Bd. 3, 1970

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Christine Busch, Pfarrerin i.R., zuletzt Landeskirchenrätin für Ökumene der Evangelischen Kirche im Rheinland, seit Okt. 2017 Vorsitzende der AGDF.