"Die Reise zur Sonne" (Gunese Yolculuk)

Friedensfilmpreis 1999 für Yesim Ustaoglu

von Stephan Noe
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Der türkische Wettbewerbsbeitrag der 49. internationalen Filmfestspiele von Berlin, die Filmgeschichte einer Freundschaft zwischen Menschen kurdischer und türkischer Abstammung, wird mit dem 14. Friedensfilmpreis ausgezeichnet.

1986, im UNO-Jahr des Friedens stifteten Berliner Friedensgruppen den Friedensfilmpreis, er wird seither jährlich im Rahmen der "Berlinale" verliehen. Unter der Schirmherrschaft der IPPNW (Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges) und ausgestattet mit einem Preisgeld von DM 10.000, zur Verfügung gestellt von der grün-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, will er Filme fördern, die mit cineastischer Meisterschaft Humanismus und soziales Engagement vereinen.

Mit dem in diesem Jahr ausgezeichneten Film "Gunese Yolculuk" (Reise zur Sonne) erzählt die junge türkische Filmemacherin Yesim Ustaoglu eine Reihe von Geschichten aus ihrem Heimatland. Zum einen von der Freundschaft zwischen dem jungen Türken Mehmet und dem Kurden Berzan, zum anderen die Geschichte der selbstbewussten jungen Türkin Arzu und ihrem Bestehen in der Großstadt Istanbul.

Yesim Ustaoglu verschweigt den Konflikt zwischen Kurden und Türken nicht, sie vermittelt die politische Problematik, vermeidet voyeuristische Gewalt und Polarisierungen. Sie sensibilisiert die Zuschauer für die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und bietet einen kleinen Schritt zur Lösung in diesem Konflikt an, die gewaltvolle Sprachlosigkeit zu überwinden: Beide Sprachen, Türkisch, wie das in der Türkei verbotene Kurdisch, werden gesprochen, letztere zum ersten Mal seitdem vor 17 Jahren erschienenen, preisgekrönten Film "Yol, der Weg". Es ist der Dialog, den Yesim Ustaoglu fördert, den sie einbettet in die Bilder ihres Landes, Bilder, die nur entstehen können, wenn man - wie sie - ihr Land trotz aller Widersprüche liebt. Sie selbst sagt, sie habe diesen Film "mit dem Herzen gemacht", dies spürt man.
 

Wie weit der Wunsch nach einem gewaltfreien Dialog zwischen Kurden und Türken von der Wirklichkeit entfernt ist, vermag man daran erkennen, dass am Tage der Uraufführung von "Gunese Yolculuk", keinen Kilometer vom Aufführungsort, das griechische Generalkonsulat von Kurden gestürmt wurde, einen Tag später vier junge Menschen kurdischer Abstammung bei dem Versuch der Erstürmung des israelischen Generalkonsulates in Berlin von israelischen Sicherheitskräften erschossen wurden.

Und auch die Beteiligten des Filmes leben inmitten des Konfliktes. So wurden die beiden Hauptdarsteller, Newroz "Sahin" Baz und Nazmi "Qirix" Kirik unmittelbar nach ihrer Rückkehr - drei Tage nach der Preisverleihung durch den Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer und den Vertreter des UN-Flüchtlingshilfswerkes in Deutschland, Jean-Noél Wetterwald, in Istanbul festgenommen. Gemeinsam mit über 90 Freunden und Kollegen wurden sie von der Sicherheitsabteilung der türkischen Behörden in Haft genommen, als sie im Mesopotamischen-Kultur-Verein ihren noch jungen Erfolg feierten. Es ist sicher der schnellen Nachfrage des Auswärtigen Amtes bei den offiziellen Stellen in Ankara und Istanbul zu verdanken, dass alle Festgenommenen nach "nur" drei Tagen wieder auf freiem Fuß waren.

Dies alles aber verdeutlicht, wie wichtig es nun ist, "Die Reise zur Sonne" nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Türkei zu zeigen. Yesim Ustaoglu sieht der türkischen Premiere im Rahmen des Filmfestivals von Istanbul im April gelassen entgegen, rechnet nicht mit einem Verbot. Dies verdeutlicht einmal mehr den Mut der jungen Filmemacherin, die auch nach den fünf schwierigen Jahren der Herstellung ihres Filmes an ihr Land glaubt, die eigene Reise zur Sonne nicht abzubrechen vermag.

Friedensfilmpreis, IPPNW, Ulla Gorges, Körtestr. 10, 10967 Berlin, Tel. 030/6930244, Fax 030/6938166

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Stephan Noe ist Pressesprecher des FriedensFilmpreises 1999.