Buchbesprechung

Friedensgutachten 2008

von Christine Schweitzer

Jedes Jahr geben fünf deutsche Friedensforschungsinstitute gemeinsam ein ‚Friedensgutachten’ für das jeweils laufende Jahr heraus. Dieses aus vielen Einzelaufsätzen von 24 Autoren und (leider nur) fünf Autorinnen bestehende Jahrbuch hat stets ein Schwerpunktthema; dieses Jahr ist es ‚Sicherheit durch Hochrüstung?’. Die globalen Militärausgaben sind seit Ende des vergangenen Jahrzehnts stark angestiegen und betragen weltweit jetzt geschätzte 1,2 Billionen US Dollar. Die geplante Raketenabwehr in Polen und Tschechien, die Modernisierung von Atomwaffen, der ungebremste Rüstungshandel, das starke Ansteigen der Rüstungsausgaben in etlichen Ländern der südlichen Hemisphäre und die Probleme, selbst die schon bestehenden Abkommen zur Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung von Atomwaffen zu sichern, sind fünf Anzeiger für eine „Periode präzedenzloser Hochrüstung“, wie die Herausgeber schreiben. Die empfohlenen Gegenmittel sehen gegenüber der Problembeschreibung eher bescheiden aus – es wird empfohlen, regionale Kooperationen und besonders die Europäische Union als „Soft Power“ zu stärken, Rüstungskontrollabkommen wiederzubeleben und neue auf den Weg zu bringen und sich stärker dem US-Raketenschild in Osteuropa zu widersetzen.

Ein weiterer Themenblock des diesjährigen Friedensgutachtens sind – wohl kaum überraschend - Klimawandel und neue Konfliktrisiken. Einzelne Themen sind die Frage der Ausbeutung der ökonomischen Ressourcen der Arktis, die durch das abschmelzende Eis zugänglich werden, die eher bekannte Frage der Wasserkonflikte und das neue Konfliktpotenzial um erneuerbare Energien, wo Nahrungsmittelproduktion in direkte Konkurrenz zur Produktion von Biomasse zu geraten droht. Dennoch wird hier auch deutlich, dass die Diskussion dieses Themas erst am Anfang steht und es unterschiedliche Prognosen in Bezug auf umweltbezogene Entwicklungstendenzen und deren sicherheitspolitische Auswirkungen geht.

Der dritte Themenbereich ist mit der Überschrift ‚instabiler Autoritarismus’ versehen. Darunter wird die Situation in einigen Ländern wie Simbabwe, Ägypten, Pakistan, Kolumbien und China und die von ihnen ausgehenden Probleme für regionale Sicherheit behandelt. Als besonders interessant - weil nicht so oft zu lesen - möchte ich dabei den Beitrag des Ostasienwissenschaftlers Thomas Heberer über Minderheitenpolitik in China herausheben. Er stellt dabei den Widerstand Tibets und einiger muslimischer Völker, die in diesem Jahr Schlagzeilen machten, in den größeren Zusammenhang der Geschichte des chinesischen Staates, der wie in vor-maoistischer Zeit von dem Staatsvolk der Han getragen wird und in chauvinistischer Weise die anderen Völker in China als minderwertige ‚Barbaren’ und Objekte der ’Zivilisierung’ ansieht.

Das Friedensgutachten repräsentiert das Denken und Forschen eines Teiles der deutschen Friedensforschung, nämlich jener, die sich vorwiegend oder ausschließlich mit internationalen Regimen und Strukturen, staatlichen Abkommen und anderen staatsbezogenen Fragen beschäftigen. Zivilgesellschaft, Friedensbewegungen und Möglichkeiten der zivilen Konfliktbearbeitung sind – nicht nur in dieser Ausgabe – stets unterbelichtet bis gar nicht vorhanden. Es ist trotzdem auch für die Friedensbewegung wegen seiner fundierten Informationen eine wichtige Ressource. Das Friedensgutachten ist sehr ‚verbraucherfreundlich’ aufgemacht, mit Kurzzusammenfassungen aller Einzelbeiträge, die, da es kein Stichwortverzeichnis gibt, besonders den LeserInnen helfen werden, die gezielt nach Informationen über bestimmte Thematiken suchen.

Friedensgutachten 2008. Bonn International Center for Conversion (BICC), Institut für Entwicklung und Frieden (INEF), Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemenschaft (FEST), Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK). Hrsg von Heinemann-Grüder, Andreas; Hippler, Jochen; Weingardt, Markus; Mutz, Reinhard und Schoch, Bruno. Berlin: Lit Verlag. ISBN 978-3-8258-1182-2 (338 Seiten, 12,90 €)

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Hintergrund
Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.