FÜNF für Frieden - Plädoyer für eine globale Abrüstungsinitiative

von Jürgen Grässlin
Hintergrund
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Der Kalte Krieg ist beendet, zögerlich werden Waffenarsenale reduziert. Und doch drohen erste Abrüstungserfolge durch die Umstrukturierung von Armeen für Auslandseinsätze bei Entwicklung einer neuen Generation von High-Tech-Waffen verhindert zu werden. Ende der neunziger Jahre gilt es, ein Initiative zu starten, die den begonnenen Prozeß von Abrüstung und Entmilitarisierung verstetigt. Einen erfolgversprechenden Ansatz bietet die Initiative "FÜNF für Frieden". Wer hindert uns daran, mit FÜNF zu beginnen?

Wer globalen Frieden fordert, muß ihn organisieren und bezahlen. Wer dagegen Armeen und Rüstung milliardenschwer finanziert, darf sich nicht wundern, wenn dem vermeintlichen Scheitern einer zivilen Außenpolitik wie selbstverständlich militärische Interventionen folgen. Ein ebenso pragmatischer wie effizienter Weg, dieses strukturelle und intellektuelle Defizit zu beheben, wäre eine global angelegte Entmilitarisierungs- und Abrüstungsinitiative, mit der unmittelbar Einfluß auf die Regierungen genommen werden kann. Diese müßte dreierlei erreichen:

* die Reduzierung aller Militäretats in einem festgelegten Zeitraum und Umfang,

* die Stärkung ziviler Regierungs- und Nicht-Regierungs-Organisationen (Non-Governmental Organizations/ NGOs), sowie

* die garantierte Abschöpfung der Friedensdividende zur Schaffung von Strukturen präventiver Konfliktvermeidung sowie der Deeskalation und Lösung von Krisen und Kriegen.

Diese Forderungen sind keineswegs revolutionär. Sie knüpfen vielmehr an den begrüßenswerten und bereits Ende der achtziger Jahre begonnenen Prozeß der Verminderung von Militärausgaben, den Abbau überdimensionierter Armeen und die Verschrottung überquellender Waffenarsenale an. Zur positiven Verstetigung dieses Friedensprozesses - weit über die Jahrtausendwende hinaus - müßten sich Regierungen abrüstungsbereiter Staaten verpflichten, nicht nur den gewohnt verbalen, sondern einen realen Finanzbeitrag zu leisten.

Die Umsetzung dieser Forderung soll mit der Initiative "FÜNF für Frieden" (FÜNF) organisiert werden. FÜNF will die in vielen Regionen der Welt begon- nene Entmilitarisierung und Abrüstung fortführen und als Prozeß nachhaltig zu verankern. Sie versteht sich als konzertierte Aktion zur Vernetzung der Aktivitäten von Menschen und Organisationen, die das Primat des Militärischen als historisch überholt ansehen und den Beginn des neuen Jahrtausends als Einstieg in das Primat des Zivilen verstehen.

Im Kern geht es bei dieser Initiative darum, die Militär- und Rüstungshaus- halte jedes Jahr degressiv um fünf Prozent zu senken. Die durch die Reduzie- rung der Verteidigungsausgaben freiwerdenden Finanzmittel werden im Sinne einer Friedensdividende (Nationale FÜNF-Dividende und International FIVE-Dividend) eingesetzt.

Die Staaten verschieben Jahr für Jahr weitere fünf Prozent ihrer bisherigen Verteidigungsausgaben als Nationale FÜNF-Dividende in den Konversionsetat bzw. zahlen diese als International FIVE-Dividend an die Vereinten Nationen, regionale Friedensorganisationen sowie NGOs aus. Dabei sollte ein vertraglich festgelegter Verteilungsschlüssel zugrunde gelegt werden, der bestimmt, daß ein Großteil der Gelder zur Lösung landesspezifischer Probleme verwandt wird.

Innerhalb der festgesetzten Gesamtzuweisungen für den Haushalt verringern sich die Verteidigungsausgaben um jährlich fünf Prozent. Dagegen erhöhen sich im gleichen Umfang die Finanzzuwendungen für zivile Zwecke. Im 14. Jahr kehrt sich das Verhältnis um. Erstmals steht mehr Geld für zivile Projekte zur Verfügung als für Militär und Rüstung.

Die nationale FÜNF-Dividende wird im Sinne einer Friedensdividende genutzt: für die Umschulung von Soldaten für Zivilberufe, die Umwidmung bisheriger militärischer Liegenschaften, für die zivile Nutzung sowie die Umstellung der Rüstungsindustrie auf eine sinnvolle zivile Fertigung. Mit FÜNF wird der Umfang der Friedensdividende konstant und vorhersagbar erhöht. Sie sollte auch zur Weiterentwicklung ziviler Konfliktbearbeitungsmechanismen (Friedens- forschung, internationale Friedensdienste etc.) eingesetzt werden und zudem die Arbeit und Organisation der nationalen FÜNF-Initiativen finanziell unterstützen.

Prozesse der Demilitarisierung und Abrüstung werden so in den FÜNF-Teil- nehmerstaaten verstetigt und unumkehrbar gemacht. Dabei geht ein positives Signal an die Regierungen der Staaten aus, die noch nicht dem FÜNF-Vertrag beigetreten sind: Sie werden sich, angesichts der Fortentwicklung sozialer Errungenschaften in den Nachbarländern bei gleichzeitig sinkender internationaler Bedrohungslage, mit der Frage der Ratifizierung des FÜNF-Vertrags auseinandersetzen müssen - denn FÜNF bringt für die partizipierenden Länder viele Vorteile.

Die FÜNF-Initiative stellt sich primär nicht der Frage, welches der möglichen friedens- und außenpolitischen Konzepte das richtige ist. Dadurch wird sie konsensfähig. Vielmehr definiert FÜNF national sowie international die Regularien von Entmilitarisierung und Abrüstung auf der einen und Truppen-, Standort- und Rüstungskonversion auf der anderen Seite.

Das Rüstungs-Informationsbüro Baden-Württemberg wird die Initiative mit einer Serie von Faltblättern und einer ausführlichen Broschüre bekannt machen. Wer hindert uns daran, mit FÜNF zu beginnen?

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Jürgen Grässlin ist Sprecher der Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!«, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Sprecher der Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD) und Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.).