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Furchtbare Juristen
vonWas in anderen Bundesländern rechtens ist, ist es in Rheinland-Pfalz noch lange nicht. So wurde, trotz des Freispruchs im Frankfurter "Soldatenprozeß" im letzten Jahr am 17. Juli in Mainz der totale Kriegsdienstverweigerer Andreas Speck aus Bad Kreuznach wegen der Äußerung "Alle Soldaten sind potentielle Mörder" wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen † 30.- DM verurteilt.
Nach dem Frankfurter Freispruch entfaltete sich damals eine noch nie dagewesene Urteilsschelte, an der sich sogar der amtierende Justizminister Engelhardt beteiligte. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Jurist Johannes Gerster meinte gar, das Urteil erfülle "glatt den Tatbestand der Rechtsbeugung". Der Bundeswehrverband sprach von einem "Schandurteil".
Nun, die Herren können zufrieden sein. Was sich schon in den Blockadeverfahren zeigte, bewahrheitete sich auch hier wieder: Die rheinland-pfälzische Justiz ist und bleibt ein willfähriger Diener der Politiker und Militärs.
Der Ablauf des Prozesses verdeutlichte erneut die Notwendigkeit, immer wieder auf den Kern alles Militärischen hinzuweisen: die Ausbildung zum Mord. Bei den Aussagen der anzeigenden Soldaten und Reservisten offenbarte sich mit erschreckender Deutlichkeit die Sozialisationswirkung des Militärs; die eigentliche Aufgabe, im Ernstfall eben Menschen zu töten, wurde von allen Zeugen verdrängt. Stattdessen wurde abstrahiert und vom "Verfassungsauftrag" und von "Verteidigung" gefaselt. Es wurde sogar bestritten, daß hier die Bundeswehrsoldaten zum Töten von Menschen ausgebildet werden. Erst auf Nachbohren des Verteidigers Wilhelm Steitz ließ sich einem Zeugen entlocken, daß es natürlich mal vorkommen könnte, daß bei der Verteidigung jemand verletzt würde und dann zu Tode käme.
Staatsanwalt Michael Brandt warf Andreas vor, "vorsätzlich mit dem Brief provozieren und beleidigen" zu wollen. Während Peter Augst die éußerung in einer hitzigen Debatte getan hätte, hätte Speck "die Beleidigung in aller Ruhe im stillen Kämmerchen zu Papier gebracht", und dies auch noch zu einer Zeit, in der überall abgerüstet werde. Daher sei der "alle Soldaten sind potentielle Mörder"-Vergleich ein gut getimter Schlag ins Gesicht für alle Soldaten.
Danach konstruierte er aus dem nicht beleidigungsfähigen "alle Soldaten" - das sich ja erst einmal von seiner Bedeutung her auf alle Soldaten der Welt erstreckt und eine nicht genau zu umreißende und daher auch nicht beleidigungsfähige Gruppe darstellt - die beleidigungsfähige Gruppe der Bundeswehrsoldaten.
Bei den Strafzumessungserwägungen wollte Brandt die Vorstrafe wegen der totalen Kriegsdienstverweigerung (acht Monate auf Bewährung wegen "Dienstflucht") strafverschärfend gewertet wissen. Die Tat sei ja sogar während der Bewährungszeit begangen worden und normalerweise wäre da ja dann eine Freiheitsstrafe fällig. Er plädierte dann schließlich auf eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen † 25.- DM.
Verteidiger Steitz wies darauf hin, daß nach gängiger Rechtsprechung der Ausdruck "Alle Soldaten sind potentielle Mörder" keine Beleidgung sei. So urteilte auch schon das Reichsgericht 1932 im Verfahren gegen Carl von Ossietzky wegen Tucholskys "Soldaten sind Mörder"-éußerung in der 'Weltbühne'. Er forderte daher Freispruch.
Der Vorsitzende Richter Günter Pohlen verurteilte Andreas Speck wegen Beleidigung zu 100 Tagessätzen † 30.- DM. "Der Ausspruch war eine schwere Ehrenkränkung und Beleidigung", so Pohlen zur Begründung. Ob jetzt in Rheinland-Pfalz Tucholsky mal wieder eingestampft werden muß?
Nach der Urteilsschelte zum Frankfurter Freispruch vom letzten Jahr sagte der ehemalige Bundesverfassungsrichter Martin Hirsch:"Anders, als den Satz 'Alle Soldaten sind potentielle Mörder' öffentlich und zahlreich zu wiederholen, kann man im Grunde genommen auf die Urteilsschelte der Bonner Politiker und Militärs nicht reagieren." An anderer Stelle sagte er: "Jeder Mensch ist ein potentieller Mörder". Was da systematisch zum Töten ausgebildet werde, sei dies noch mehr als ein anderer Mensch (FR, 3.11.89).
Nach dem Mainzer Urteil kann Hirschs Aufforderung nur bekräftigt werden. Also, es bleibt dabei: "Alle Soldaten sind potentielle Mörder!"