Rede zur Antikriegstags-Kundgebung in München am 1. September 2004

Gedenken an Professorin Eleonore Romberg, 19. Juni 1923 - 2. August 2004

von Irmgard Heilberger

Die Friedensbewegung hat eine große Mitstreiterin verloren: Eleonore Romberg, die am 2. August 2004 ihrer schweren Krebserkrankung erlag, sie kämpfte bis zuletzt, ergeben hat sie sich nicht! Sie starb genau zu der Zeit, als in Schweden der Kongress der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit, der Womens International Ligue for Peace and Freedom, WILPF feierlich eröffnet wurde.

Die Vorbereitungen zu diesem Kongress hatte sie vom Krankenbett aus mit großem Interesse verfolgt und mit guten Ratschlägen begleitet. Diese Internationalität wurde ihr nicht in die Wiege gelegt, sie wurde am 19. 6. 1923 in eine Arbeiterfamilie in München Ramersdorf geboren. Ihr Vater starb, als sie 3 Jahre alt war. Die Mutter heiratet wieder, es kommen noch vier Geschwister. "Lernts!" treibt die Mutter die Kinder an. Mit 14 Jahren übersteht sie eine Kinderlähmung - jedoch mit lebenslangen Folgen. Ihre Körperbehinderung hält sie nicht davon ab, die Handelsschule abzuschließen. 1939 wurde ihr Stiefvater denunziert und nach 9 Monaten krank aus Stadelheim entlassen, 1940 erlebt sie hautnah die Folgen des Krieges, an dessen Beginn am 1. September 1939 wir heute hier erinnern: ihr ältester Bruder wird über England abgeschossen und ein Jahr später für tot erklärt.

Von der Anfangskontoristin arbeitet sie sich zur Hauptkassierin hoch und schließlich zur Sekretärin des CSU-Kultusministers Hundshammer. Im "Kalten Krieg" 1951 wird ihr aus politischen Gründen gekündigt. Nach ihrer Hochzeit mit dem Nervenfacharzt Dr. Romberg 1953 holt sie die Mittlere Reife nach, macht mit 38 Jahren 1961 das Begabtenabitur und studierte Soziologie.

In ihrem letzten großen Interview im Februar 2004 bekannte sie sich leidenschaftlich zu "Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus" - daran habe sie fest geglaubt. Die Remilitarisierung Westdeutschlands schockte sie und führte sie zur Friedensbewegung, seit 1956 gestaltete sie die politische Arbeit bei der IFFF und zwar bald auf der Vorstandsebene mit. An der katholischen Stiftungsfachhochschule für Sozialwesen lehrte sie Soziologie und war Mitbegründerin des Projektladens, ihr zweites Kind neben der Liga. Von 1972-74 und von 1986-92 war sie Internationale Präsidentin der IFFF-WILPF, 1986 wurde sie vom 43. Platz auf der Bezirksliste der Grünen auf Platz 6 vorgewählt und zog damit in den Landtag ein.

Ihre Lebenserfahrungen hatten sie ebenso wie ihre soziologischen Studien verstehen lassen, auf welch besondere Weise Frauen von Gewalt und Krieg, von sozialem Unrecht und Menschenrechtsverletzungen betroffen sind - und dass sie aus ihrer Betroffenheit gerne das, was sie tagtäglich verantworten, mitgestalten möchten. Sie hat unzählige Frauen ermutigt, sich in die Politik einzuarbeiten und einzubringen. Sie hat uns gefördert und gefordert, manchmal überfordert. Es war ihr auch ein großes Anliegen, unsere Frauen in Krisengebieten zu unterstützen, sie hat z. B. viele Stunden investiert in ein Kleinkreditprogramm für Frauen in Sri Lanka.

Die Frau, von der sie am meisten erwartete, war jedoch stets sie selbst. Mit unermüdlichem Fleiß und Elan setzte sie ihre politische Arbeit unter schwierigsten gesundheitlichen Bedingungen fort, selbst im Krankenhaus saß sie über Karteikarten und Zeitungsartikeln. In meinen Unterlagen finden sich viele Entwürfe politischer Schreiben und Flugblätter, die sie sorgfältig mit der Schreibmaschine redigierte und durch handschriftliche, meist persönlichere Bemerkungen ergänzte. Und sie konnte, z. B. um für eine wichtige politische Veranstaltung zu werben, Nachmittage lang telefonieren. Gespräche mit ihr waren immer politisch, aber nie unpersönlich - sie zeigte stets Anteilnahme für unser Familien- und Berufsleben und -last not least - sie hatte Humor.

Rosa Luxemburg schrieb aus dem Gefängnis an die Freundin Mathilde Wurm: "Dann sieh, dass du Mensch bleibst. Mensch sein ist vor allem die Hauptsache. Und das heißt: fest und klar und heiter sein, ja heiter trotz alledem und alledem, denn das Heulen ist das Geschäft der Schwäche, Mensch sein, heißt sein ganzes Leben `auf des Schicksals großer Waage` freudig hinwerfen, wenns sein muss, sich zugleich aber an jedem hellen Tag und jeder schönen Wolke freuen ..."

Mensch Eleonore, das warst du für uns. Dein sicheres politisches Urteil, deine tatkräftige Unterstützung, deine wertvollen Ratschläge und deine Freundschaft werden der deutschen Sektion der IFFF und der Internationalen Women`s International Ligue for Peace and Freedom fehlen. Auf die Frage:"Wie kann Frieden verwirklicht werden? "nanntest du (Interview Februar 2004) als erstes die gerechte Umgestaltung der Weltwirtschaft, eine umfassende Abrüstung und die Einbeziehung der Frauen in politische Entscheidungen. Ich hoffe, dass dein Beispiel weiterhin viele Frauen für die politische Arbeit begeistert - wir können jede Unterstützung brauchen. Danke Eleonore - für 50 Jahre Friedensarbeit! Wir werden in deinem Sinne weitermachen!

 

Ausgabe

Rubrik

Hintergrund
Irmgard Heilberger ist Vorsitzende der Deutschen Sektion der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF).