Gegen Fremdenhaß, Gewalt und Abbau des Asylrechts

von Mani Stenner

Ein Jahr nach der Vereinigung wird das Bild Deutschlands geprägt von der emotional aufgeheizten Asyldebatte, einem neuen deutschen Ras­sismus und einer Welle von Gewalt und Verbrechen gegen Men­schen, die hier Schutz und Zuflucht suchten. Es haben sich aber auch schon sehr viele Menschen demonstrativ neben und vor unsere ausländischen MitbürgerInnen gestellt. Das Menschenrecht auf Zuflucht und Asyl, daß gerade auch aus Verantwortung gegenüber unserer Geschichte als Grundrecht in die Verfassung aufgenommen wurde, muß jetzt von uns verteidigt werden.

So erschreckend wie die Aktionen von Skins und der Zuwachs neofaschisti­scher Gruppen ist die offene Billigung der Gewalt gegen Flüchtlinge durch viele unserer MitbürgerInnen. Hier müssen wir in einer langfristigen Kampagne und gemeinsam mit vielen Menschen und Gruppen einwirken, daß vorhan­dene Existenzängste und soziale Pro­bleme nicht länger auf Fremde, Minder­heiten und die Schwächsten der Gesell­schaft projiziert und auf deren Rücken ausgetragen werden.

Fremden­haß und Gewalt sind auch Er­gebnis der von Politikern - nicht nur der Regierungsko­alition losgetretenen Asyldebatte. Fremdenhaß und Gewalt dienen ihnen jetzt als weitere Rechtfer­tigung für den Abbau von Menschen­rechten.

Die AusländerInnen, die von uns geru­fen oder durch Not getrieben zu uns kamen, haben wesentlich zum Aufbau und zum Wohlstand hier beigetragen. Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und Armut haben ganz andere Wurzeln.

Die Pogromstimmung wurde von Politi­kern geschürt. Demokratinnen und De­mokraten müssen jetzt in die politische Debatte eingreifen und versuchen, (wieder) eine gesellschaftliche Mehrheit für eine humane Asyl- und Einwande­rungspolitik zu gewinnen und/oder sie sichtbar zu machen. In unserem Land soll Einvernehmen sein, daß Demokratie und Grundrechte für alle gelten und nicht von der Nationalität abhängig ge­macht werden. Es soll wieder allen selbstverständlich sein: Ausländer sind Menschen wie Du und ich.

Dabei kommt es auf jede und jeden Ein­zelnen an, auf ein bißchen Zivilcourage im Alltag. Fremdenfeindliche Äußerungen und Vorurteile im Alltag sollten nicht schweigend hingenommen wer­den. Die meisten von uns können mehr Kontakte zu Flüchtlingen oder ausländi­schen Nachbarn knüpfen und pflegen. Wir dürfen nicht wegschauen, wenn Menschen in öffentlichen Verkehrsmit­teln oder auf der Straße angepöbelt oder angegriffen werden. Wir können mit Briefen an Zeitungen, an Lokal-, Lan­des- und BundespolitikerInnen und in Verbänden, Kirchen, Gewerkschaften Druck für eine klare Haltung machen. Jede Geste und jedes praktische Enga­gement ist jetzt wichtig. Aktivitäten zum Schutz von Übergangswohnheimen können helfen, die Eskalation der Ge­walt zu beenden. Zivilcourage und Soli­darität können den Haß überwinden.

Aktionstag gegen Gewalt und Fremdenhaß am 9. November 1991
In der Nacht vom 9. auf den 10. No­vember 1989 wurden die ersten Grenzübergänge zwischen den beiden deut­schen Staaten geöffnet. Heute wollen viele - allen voran die Bundesregierung und die CDU/CSU - für Flüchtlinge die Grenzen schließen. Kriminelle Gewalt­täter verkündeten stolz, Hoyerswerda sei ausländerfrei. Am 9. November 1938 hieß es in vielen deutschen Städten, sie seien nun judenfrei. Damit wurde die Mißachtung von Menschenrechten öf­fentlich zur Politik erhoben, die sich sehr schnell auch gegen die Deutschen selbst richtete. Sich an den 9. November 1938 erinnern bedeutet, in Deutschland nie wieder Pogrome zuzulassen und al­len Anfängen zu wehren.

Eine Kampagne für Gleichberechti­gung und gegen Fremdenhaß und Gewalt soll am 9. November mit ei­nem bundesweiten Aktionstag einen ersten Höhepunkt erfahren. Vorbe­reitet werden eine große Demonstration in Berlin und regionale Demonstratio­nen z.B. in Hamburg, Frankfurt, Stutt­gart und München. Es sollen in möglichst vielen Orten der Bundesrepublik lokale Demonstrationen oder Veran­staltungen stattfinden, die an diesem Tag auch mit Menschenketten und Mahnwachen in Aktionen zum Schutz von Übergangswohnheimen und Flüchtlingsunterkünften führen sollen.
Die Informationen zu allen Veranstal­tungen sollen beim Büro des Netzwerk Friedenskooperative, R”merstr.88, 5300 Bonn 1, Tel.0228/692904, Fax: 0228/692906 gesammelt und die Presse mit diesen Informationen versorgt wer­den. Laßt uns am 9. November ein unübersehbares Zeichen setzen gegen Ge­walt und Haß, für eine Gesellschaft gleichberechtigter BürgerInnen ver­schiedener Herkunft und Kultur, für Demokratie und Menschenrechte.

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