Hauptkundgebung

von Fatima Hartmann

In diesem Land kämpfen wir Roma seit Jahren um die Aner­kennung. Insbesondere um ein Bleiberecht, das die dauernde Vertreibung aus einem Land in ein anders beendet. Wir möchten endlich, daß unsere Kinder eine Schulausbildung ab­schließen können. Wir möchten, daß die Rechte, die alle an­deren Kinder haben, endlich auch unsere Roma-Kinder zuge­standen werden. Sie sollen als Kinder aufwachsen, sich ent­wickeln dürfen und nie mehr genötigt sein, in jungen Jahren zum Unterhalt der Familien beitragen zu müssen, weil viele unserer Roma-Familien immer noch am Rande des Existenz­minimums leben. Wir sind das letzte Volk in Europa, das we­der Staat noch Land noch Autonomie und Selbstbestimmung besitzt. Ich habe bis zu meinem 34sten Lebensjahr nicht wählen dürfen. Noch sind uns Roma in Europa alle politi­schen Rechte verwehrt. Der Rumänienvertrag zeigt erneut, wie über uns verfügt wird, als wären wir Gegenstände oder Waren. Es wird über unsere Köpfe verhandelt, als hätten wir kein Menschenrecht. Die Regierung missachtet unsere Men­schenwürde. Allen Deutschen signalisiert diese Methode: Mit den Roma kann man machen was man will. Sie sind nichts wert. Man kann sie verkaufen, 30 Mill. oder auch weni­ger. Der Rassismus im wiedervereinigten Deutschland hat uns Roma zum Hauptangriffsziel gewählt. Der Rumänienvertrag ist nur das letzte Beispiel für einen Akt von staatlichem Ras­sismus, der den Rassismus der Straße erst provoziert und dann auch noch rechtfertigt. Ich nenne einige Beispiele dafür, wie wir Roma und Sini immer wieder dafür herhalten müssen, wenn ausprobiert wird, wie weit man gehen kann gegen Aus­länder, gegen Minderheiten und immer auch gegen die Juden.

Ein ganzes Instrumentarium der Sonderbehandlungen ent­stand gegen mein Volk. Unser Volk wurde als einzige Min­derheit bei der Polizei und bei städtischen Behörden gesondert erfasst. Wir wurden immer wieder in Armutsghettos abge­drängt und dort gehalten. Mit großer Penetranz versucht die Presse immer wieder durch die Nennung der ethnischen Zu­gehörigkeit bei einzelnen Straftätern den Eindruck zu erwec­ken, wir wären ein Volk von Verbrechern. Wir werden von Behörden immer wieder als Seuchenträger stigmatisiert. Nur gegen uns, gegen keine andere Minderheit, hält man Son­derprogramme für nötig, um die sog. Integration zu gewähr­leisten. Quer durch alle Parteien von rechts bis links, quer durch alle Schichten unterstellt man uns Roma die Unfähig­keit, sich wie normale Menschen zu verhalten. In den primi­tivsten Verhältnissen zu überleben gezwungen, macht man uns verantwortlich für die menschenunwürdigen Bedingun­gen, unter denen wir leben müssen. In verwahrlosten Unter­künften untergebracht läßt man uns Roma arm aussehen. Lebensum­stände, die die Behörden inszenieren, wie in Ro­stock! An uns Roma soll bewiesen werden, daß die Aggressionen der Leute verständlich seien, daß sie nichts mit Rassismus zu tun hätten. Schließlich wird es heißen: Die Opfer sind schuld. Hat man es an uns ausprobiert, kann man es mit allen anderen auch ma­chen. Wir sind die Testpersonen, der Kataly­sator für den neuen Rassismus.

Konsequent haben die deutschen Behörden für unsere Leute, die hier Zuflucht suchen und ein Zuhause, nur eine Entschei­dung übrig: Eine neue Art der Deportation. Weil die rassisti­schen Aggressionen von deutschen Politikern seit Jahren nicht nur geduldet, sondern auch noch gerechtfer­tigt werden, wie vom Düsseldorfer Ex-Minister Heinemann. Es regt sich hier kein Widerstand gegen die erneute Verfolgung meines Vol­kes. Kein Politiker in Deutschland ist bestrebt, sich Wissen über uns Roma als Volk anzueignen, geschweige denn öffent­liche Aufklärung zu betreiben. Das Reden der Po­litiker über uns Roma besteht aus althergebrachten Vorurtei­len und neuen Stammtischparolen.

Ich habe ich Deutschland folgenden Spruch ganz tief in mir  beherzigt: "Lieber Gott, hilf mir meinen Mund zu halten, bis ich weiß wovon ich rede!" Ich dachte immer, die Politiker seien besonnen und weitsichtige Menschen. Darin habe ich mich bis heute geirrt. Der Deportationsvertrag der Bundesre­publik mit Rumänien wäre nie zustande gekommen, ohne seine Vorläufer: Dem Deportationsvertrag der Landesregie­rung NRW mit Mazedonien. Gegen mittlerweile ebenfalls fast 30 Millionen handelt die Regierung Rau die Erlaubnis aus, die Roma-Flüchtlinge aus Mazedonien in ein Zentral-Ghetto in Skopje zu bringen. Eigens für die Roma ließ die Landesregie­run im Ghetto asbestverseuchte Baracken bauen. Die Depor­tationen werden fortgesetzt, obwohl die Kriegsgefahr in die­sem Teilstaat ständig wächst. Erst letzte Woche kam es zu Ausschreitungen in Skopje/Mazedonien. Es gab einige Tote und viele Verletzte. Dennoch wird tagtäglich reintegriert, wie die Zwangsumsiedlung genannt wird. In ein Ghetto, wo un­sere Menschen in größter Angst und ohne soziale wirtschaftli­che Chancen leben. Die sog. neue Flüchtlingspolitik muß und wird scheitern.

Die Regierung in Deutschland fordere ich auf: Lassen Sie ab von dieser Art der Politik gegenüber uns Roma! Stoppen Sie sofort diese moderne Art der Deportation! Setzen Sie endlich ein glaubwürdiges Zeichen gegen den neuen Rechtsruck und Rassismus in Deutschland! Gewähren Sie uns das Recht, als Staatenlose dieser Erde dort bleiben zu dürfen, wo wir mei­nen, als Menschen leben zu können! Die Zahl der Roma, die in Deutschland Zuflucht suchen, ist gering. Nicht alle Roma wollen nach Deutschland. Von den vielleicht 6 Mill. Men­schen unseres Volkes in allen Staaten Europas leben nur we­nige tausende - vielleicht 10tausende hier in Deutschland. Hier feiern wir unsere Feste, hier arbeiten wir, hier wachsen unsere Kinder auf. Hier in Deutschland wollen wir als Men­schen gleiches Recht. Die sog. neue Flüchtlings­politik muß und wird scheitern an dem Lebenswillen meines Volkes. Das sich über Jahrhunderte gegen alle staatliche Ver­folgung seiner ethnischen Identität, seines kulturellen Erbes bewahrt hat. Die Demütigung und Erniedrigung durch den Völkermord der Na­zis hat die Behutsamkeit und Besonnen­heit meines Volkes nicht brechen können, friedfertig und in Würde seinen Weg zu gehen. Wir demonstrieren an diesem Tag für das Asyl­recht, für den Schutz der Flüchtlinge und ge­gen den Rassis­mus. Letztes Jahr haben viele Hundert Roma vor der Düssel­dorfer Staatskanzlei am Landtag sechs Monate lang Tag für Tag, Nacht für Nacht gegen ihre neue Deporta­tion gestreikt. Unterstützen Sie uns in unserem Kampf. Wir wollen nur dies: In Deutschland Anerkennung und als Men­schen gleiches Recht!

Ausgabe

Fatima Hartmann, Rom e.V.